"The Night Country" (The Hazel Wood #2) von Melissa Albert

April 10, 2020

(Original: "The Night Country"/ 2020) Flatiron Books, Übersetzer/in: -, ★★★(☆)☆ 3,5 Sterne
Dies ist der zweite Teil einer Reihe
Rezension zu: "The Hazel Wood" (#1)
Alice Prosperine ist entkommen. 
Mit Ellery Finchs Hilfe hat Alice es geschafft, dem "Hinterland" und dem dunklen Vermächtnis ihrer Großmutter zu entfliehen. Nun versucht sie in New York City ein neues, sorgenfreies und vor allem magiefreies Leben zu führen. Doch so einfach ist es nicht, denn die weiteren Überlebenden der Märchenwelt werden verfolgt und die begangenen Verbrechen scheinen einen Zweck erfüllen zu müssen.
Und was macht Finch in der Zwischenzeit? Auch er sucht nach einem Weg, zurück zu Alice zu gelangen...
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"'How about you?' I said instead. 'What´s your tale?'
Sophia and I had speculated on that before. I thought stepmother. Daphne thought queen.
'One day you might earn the answer to that. But not today.'" 
S.81

Den zweiten Teil der Reihe habe ich diesmal zeitgleich mit meiner Schwester gelesen, ein Buddy-Read sozusagen. Nachdem wir vom ersten Teil recht angetan waren, haben wir uns daher umso mehr auf eine Fortsetzung gefreut.
Auch im zweiten Teil begegnen wir Alice und Ellery Finch, beide aber voneinander getrennt, jeweils in einer anderen Welt. Bereits zu Beginn der Geschichte wird deutlich, dass etwas oder jemand sein Unwesen treibt und Alice dem Vorgehen ein Ende setzen möchte oder besser gesagt, sie möchte zumindest erst einmal herausfinden, was das Ganze zu bedeuten hat.
Der Anfang hat uns beide tatsächlich noch nicht so mitgerissen. Beim ersten Kapitel hatte ich sogar die Befürchtung, dass das "normale" Leben von Alice in den Vordergrund rückt und es nur um irgendwelche Teenie-Gefühls-Romanzen gehen wird. Dies war glücklicherweise nicht der Fall. Es bleibt dabei, dass man mit den Märchen konfrontiert und der Kosmos rund um Althea Propserine etwas vergrößert wird. Das war ein klarer Pluspunkt. So gibt es auch hier wieder einige Kapitel, in denen Märchen erzählt werden und die den (Märchen-)Figuren dabei helfen sollen, deren Schicksal oder deren Möglichkeiten aufzuzeigen.

"'Do you want to hear a story?'
In my family, that was a loaded question. I wasn´t so sure I did.”
S. 228

Ab der Mitte der Geschichte ging es dann spannungsmäßig noch einmal richtig nach oben. Meine Schwester und ich hatten uns bestimmte Kapitel gesetzt, wollten aber ständig immer weiterlesen, weil es genau da natürlich spannend wurde, wo wir aufhören sollten. Rückblickend muss ich sagen, dass diese Spannungselemente wohl etwas zu ausgedehnt wurden, in dem Sinne, dass so viel angedeutet wurde und man das Gefühl hatte, dass nun etwas Großes kommen wird, nur um dann irgendwie mit einem mittelmäßig beeindruckten Empfinden zurückzubleiben.
Das bedeutet, dass man eigentlich schon Lust hat die Sache aufzudecken und weiterliest, der Effekt am Ende aber leider irgendwie ausbleibt. Das Ende schien uns beiden auch sehr abrupt. Nach den ganzen anfänglichen Andeutungen schien es irgendwie zu einfach gelöst worden zu sein, auch, wenn man hier wieder die Möglichkeit verspürt, dass es einen weiteren Teil geben könnte. Nichtsdestotrotz fehlte für diesen zweiten Teil irgendwie diese besondere "Aufdeckung" eines Geheimnisses, wie wir es aus dem ersten Teil gewohnt waren.
Die Figuren haben durch dieses recht vollgepackte Vorankommen der Geschichte und dem abrupten Ende etwas weniger Spielraum sich zu entwickeln. Alice und Finch haben keine großartigen Sprünge gemacht, um neue Seiten von sich zu zeigen. Dennoch kann man ihre Motive gut nachvollziehen und das Zusammenspiel der beiden war ganz nett zu lesen.
Sollte aber tatsächlich noch ein dritter Teil folgen (zusätzlich zu dem angedeuteten "originalen" Märchenbuch von Althea Prosperine, yey!), würde ich mir wünschen, dass es inhaltlich wieder etwas stärker überrascht und mit neuen Elementen überzeugt und nicht nur gefühlt die Motive aus dem ersten Teil aufgreift.


Eine zwar irgendwie unterhaltsame und teilweise gelungene Fortsetzung, die aber an den ersten Teil nicht ganz herankommt. Ab der Mitte wird es definitiv spannungsgeladen, der Rest flacht aber etwas unspektakulär ab, sodass man das Gefühl hat, dass das Potential nicht ganz ausgeschöpft wurde. Zwar hat es ganz gute Ansätze, aber es fehlt dieses "Besondere, Magische", das die Reihe größer gemacht hätte, statt sie auf dem gleichen Level zu halten. Nichtsdestotrotz war es schön wieder von Alice und Ellery Finch zu lesen. Im Falle eines dritten Bandes würde ich mir aber wünschen, dass die "Schockmomente /Enthüllungsmomente" wie in Teil eins dafür sorgen, dass der Hinterland-Kosmos die Figuren auf einer anderen Ebene wachsen lässt.

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5 Gründe, warum die "Strange the Dreamer" Reihe von Laini Taylor lesenswert ist

April 05, 2020

Was Trilogien oder größere Reihen betrifft, bin ich recht vorsichtig. Ich rechne meist damit, dass mich ein Teil enttäuschen wird oder mir die Lust bereits während des Lesens abhandenkommt, weil die Spannung und das gewisse Etwas fehlt. Demnach war ich von der Strange the Dreamer Dilogie von Laini Taylor sehr angetan, auch wenn diese aufgrund der Seitenzahl ebenfalls etwas umfangreicher ist. Aber zwei Bücher, das sollte für mich machbar sein. Und tatsächlich hat mich diese Reihe sofort packen können. Aber warum?
"'But you can do better. I know you can. You´re a storyteller. Dream up something wild and improbable, ' she pleaded. 'Something beautiful and full of monsters.'
                        'Beautiful
and full of monsters?'

'All the best stories are.'
Lazlo didn´t disagree with that. " (Strange the Dreamer, S.115)
Im Folgenden also meine 5 Gründe, warum man diese Dilogie lesen sollte oder zumindest, was dafürspricht:

1. Alles ist möglich
Erstmal vielleicht keine große Überraschung, da es sich hier um Fantasy handelt. Der erste Teil versteckt sich noch hinter einer "normalen" Vorstellung der Welt. Lazlo, der Träumer. Ein Junge, der sich in die Bücher und deren Geschichten verliebt hat. Alles, was unvorstellbar scheint, befindet sich zwischen zwei Buchdeckeln. Nach und nach lernen wir aber, dass es so viel mehr zu entdecken gibt, als man zunächst vermutet hat. Es gibt Grenzen, die gesprengt werden und es wird zunehmend "größer". Man wird in eine Welt entführt, in der beinahe nichts unmöglich scheint und die auch bis zum Schluss nicht wieder in sich zusammenschrumpft, sondern wächst. Ich habe es geliebt, immer wieder etwas Neues zu entdecken, mit den Figuren neue Geheimnisse der Welt und auch sich selbst aufzudecken und zu sehen, wie sich diese zauberhafte Welt immer wieder neu erfindet.

2. Glaubwürdige Charakterentwicklung/ Was ist schon ein/e Held/in ?
Obwohl alles im stetigen Wandel ist und wir natürlich miterleben, dass die Figuren sich verändern, gibt es keine Charakterentwicklung, die ich nicht stimmig fand. Es gibt keine unnötig aufgebauschten und abstrusen Verhaltensweisen, die nur eingebaut wurden, um Spannung zu erzeugen. Alles, was geschieht und wie die Figuren agieren, wird von Anfang bis Ende vernünftig gestützt und ausgebaut. Ich mochte es sehr, dass die Figuren einerseits 'verlässlich' sind und andererseits dazulernen und eben durchaus aufgrund der zu lösenden Aufgaben wachsen.
Und besonders gelungen finde ich, dass die Frage des / der "HeldIn" zwar im Raum steht, die Frage danach aber durchaus offenbleibt und bleiben darf. Geschichten sind meist davon geprägt, dass es einen vorherbestimmten Helden / eine Heldin gibt. Sie müssen immer agieren, dürfen nie einfach nur Zuschauer sein, dürfen nie in Situationen gedrückt werden, die sie nicht unter Kontrolle haben. Nun, diese Geschichte spielt geschickt damit, dass dies nicht von Bedeutung ist. Es gibt Figuren, die natürlich Dinge in die Hand nehmen und eine Leitfigur darstellen, aber genauso gut gibt es Figuren, die sich dem entziehen, die im Verborgenen agieren und auch manchmal nur durch Zufall zu einem Ergebnis kommen. Beiden Charaktertypen wird hier aber Anerkennung gezollt. 
Das fand ich sehr schön umgesetzt. Denn es sagen doch immer alle, dass der Gedanke "Sei mehr wie Pippi, nicht wie Annika" vergisst, dass nicht jeder gleich ist. Und wie soll man das beherzigen, wenn nicht auch andere Geschichten aufzeigen, dass es nicht immer vonnöten ist, als stereotypische/r "HeldIn" Heldin nach vorne zu preschen?

3. Plottwists & Verknüpfungen beider Teile
Wie bereits angedeutet, gibt es durchaus Wendungen, die dem ganzen die nötige Spannung verleihen. Diese Wendungen kommen manchmal überraschend, manchmal tasten sie sich aber auch an einen heran, sodass man eine Vermutung hat. In beiden Fällen sorgt es aber dafür, dass man immer weiterlesen möchte. Ich habe an keiner Stelle gedacht 'Och, jetzt würde ich gerne etwas anderes lesen'. Dabei wird auch hier schnell deutlich, dass die Geschichte sehr gut konzipiert ist, denn es werden durchaus geschickte Verknüpfungen zwischen Teil eins und zwei gesetzt, die man manchmal erst beim Zurückblättern oder erneuten Lesen wirklich begreift. So sind die beiden Teile an sich eigenständige Kapitel, die sich mit einer anderen Aufgabe beschäftigen, welche aber auch gleichzeitig nicht vergessen, dass der / die LeserIn am Ende die Verbindung zum Anfang sucht. 
Zusätzlich zu den Plottwists ist natürlich auch die Handlung selbst unfassbar geglückt. Die Welt verknüpft nicht nur die Vorstellung unserer Umgebungen, sondern greift auch andere verschiedene Mythen (mythische Wesen) und Welten wie auch Konzepte des Weltverständnisses und der Weltentstehung auf.

4. Die Stimmung
Nichts geht über eine gute Geschichte mit einer einnehmenden Stimmung. In Laini Taylors Welt habe ich mich dahingehend unfassbar gut aufgehoben gefühlt. Auch wenn sie von durchaus dunklen Zeiten geprägt ist und Bitterkeit, Hass und Reue beinhaltet, so strahlt sie auch gleichzeitig voller Hoffnung, Zuversicht, Liebe und reinster Magie. 
Ich habe die Passagen geliebt, in denen von Lazlos Begeisterung zu Büchern gesprochen wird, zu seinem Drang nach Wissen und Antworten und natürlich auch die, in denen seine Träume beschrieben werden. Denn auch hier hat man das Gefühl, dass alles möglich ist, nichts hält einen zurück und solange man es sich nur vorstellen kann, kann es auch existieren. Ganz zu schweigen natürlich von der Stimmung, die von dem Fokus auf Träume oder die Träumer ausgeht.
Darüber hinaus konnte ich mir an jedem Ort genau vorstellen, wie es sich anfühlt, dort zu stehen, dabei sind die Beschreibungen zwar präzise, aber nicht ermüdend. Mitunter ist es wohl eine Welt, in der ich mich bisher am liebsten aufgehalten habe, denn alles ist stimmig und versprüht das Gefühl, dass auch der Erzähler diese Welt (trotz aller Widrigkeiten) liebt.

5. Dilogie oder mehr?
Und da kommen wir auch schon zum letzten Punkt. Ich hatte ja eigentlich erwähnt, dass ich dachte, mir würden diese zwei Teile durchaus ausreichen...und zum Teil sehe ich das weiterhin so. Für mich ist die Geschichte nun abgeschlossen und ich finde sie in diesem Ausmaß wunderbar. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich auch die Möglichkeit, dass die Autorin sich für weitere Bände der Reihe entscheiden könnte (wovon ich bisher noch nichts gehört habe) und tatsächlich wäre ich dem nicht ganz abgeneigt, wenn es quasi als mögliches Spin-Off erscheint.
Irgendwie kann ich nämlich nun doch nicht ganz aus der Welt und den 'WHAT IF's ausbrechen und ich würde nur allzu gerne wieder dort eintauchen. Vielleicht mit anderen Protagonisten, die aber den Bezug zu diesen zwei Bänden herstellen. Daher finde ich auch diese Umsetzung durchaus geglückt, dass man mit weiterhin vielen Fragen, Optionen und eigenen Vorstellung zurückbleibt, um sich diese Welt ein wenig selbst auszubauen und zu träumen.


Nun, da ich diese Reihe beendet habe, werde ich wohl noch die dreiteilige "Daughter of Smoke & Bone" Reihe der Autorin in Angriff nehmen. Ich bin ein wenig am Grübeln, ob diese in der gleichen Welt spielt? Denn die Inhaltsangabe zum ersten Teil klingt irgendwie, als gäbe es da durchaus Ähnlichkeiten...


Habt ihr die Dilogie gelesen? Falls ja: Wie hat sie euch gefallen? Oder habt ihr vielleicht zu einem anderen Buch von Laini Taylor gegriffen? Würdet ihr es empfehlen?



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März: Vor lauter Bäumen...

März 31, 2020

... sieht man den Wald kaum? Im März war es ja wirklich ein Auf und Ab, was das Stimmungsbarometer von den meisten von uns anbetraf. Die (Arbeits-) Situation ist weiterhin etwas merkwürdig, auch wenn man die Hoffnung hat, dass sich ab April wieder einiges zur Normalität wenden wird. Zudem soll man sich ja, soweit dies möglich ist, Zuhause aufhalten. Aber so ein kleiner Waldspaziergang wirkt ja auch manchmal wahre Wunder (mit nötigem Sicherheitsabstand zu anderen, versteht sich). Bewegung, frische Luft und die Gedanken auf etwas anderes (wie die Natur) lenken, sorgt für neue Motivationen und eine etwas entspanntere Einstellung.

Wie passend demnach, dass ich mich im März auch literarisch des Öfteren in den Wald begeben habe. Ich glaube es waren insgesamt sechs der neun Bücher, in denen es um einen Wald ging oder in dem die Handlungen zentral im Grünen gespielt haben. Aber hier die näheren Details:

Wie immer gelangt ihr durch Anklicken des Buchtitels, falls vorhanden, auf die jeweilige Rezensionsseite. 
  • In "Frankly in Love" von David Yoon geht es zwar nicht um einen Wald, spielt aber dafür rein äußerlich im Team "Grün" mit. Die ganz süße Geschichte rund um den Jugendlichen Frank, der sich einfach nur verlieben und eine Beziehung führen will, die nicht nach dem Wunsch seiner Eltern läuft, hat mir ganz gut gefallen. Nicht nur hat er diese eine leichte Teenie- oder sogar Teenie-Netflix-Film-Atmosphäre, sondern konfrontiert den Leser stark mit den Themen Rassismus und Vorurteile. Ein Jugendbuch also, das unterhält und wachrüttelt, dabei schonungslos ehrlich und irgendwie verständnisvoll ist. Auch wenn ich mir manche Aspekte stärker ausgearbeitet vorgestellt hatte, war ich am Ende von der Umsetzung angetan.
  • "Pine" von Francine Toon: Ein klarer Favorit in diesem Jahr, war dieser Roman. Düster und packend. Psychologisch, versetzt mit Magical-Realism-Elementen. Genau mein Ding. Toon entführt uns hier in einen Wald, der dunkle Geheimnisse beherbergt. Zwar geht es hier gar nicht so stark um den erwähnten Kriminalfall, aber allein die Figuren und deren Dynamik haben es mir angetan. Irgendwie scheint auf der einen Seite alles normal und dann plötzlich könnte alles völlig absurd und unerklärlich sein. Ein Reread wird hier sicherlich nicht ausgeschlossen sein.
  • Danach kamen "Dracul" von Dacre Stoker & J. D. Barker sowie "The Deathless Girls" von Kiran Millwood Hargrave. Beide ebenfalls mit dem Fokus auf den Wald, denn wenn Dracula im Spiel ist, dann hat die Natur natürlich einen besonderen Stellenwert. Da ich im März weiterhin im Dracula-Fieber war, haben mich beide Geschichten gut unterhalten. In beiden geht es eher um die Vergangenheit des dunklen Fürsten und irgendwie auch um seine schon wahnhafte Gier nach der Liebe (den Lieben) seines Lebens. Wer den Klassiker von Bram Stoker mochte, der wird hiermit sicherlich auch seinen Spaß haben. "Dracul" geht natürlich dank der Informationen von Dacre Stoker etwas tiefer in die beabsichtigte Richtung von Bram Stoker selbst, wohingegen "The Deathless Girls" mit der Sichtweise der Frauen von Dracula spielt. 
  • "The Night Country" von Melissa Albert: Zugegeben, ich bin gerade mittendrin im zweiten Teil der Reihe (Rezension: "The Hazel Wood" #1). Aber da ich das Buch gemeinsam mit meiner Schwester lese und wir schon beinahe bei der Hälfte angekommen sind, lasse ich es mal als Märzlektüre gelten. Das Einstiegskapitel konnte uns zunächst gar nicht überzeugen, da wir schon befürchtet haben, dass es jetzt eher langweilig zugehen wird und sich die Protagonistin nur mit Teenie-Dramen beschäftigen würde. Doch mittlerweile kommt doch ordenlich Spannung auf und wir sind schon ganz neugierig darauf, zu erfahren, wohin die Reise diesmal führt. 
  • Danach ging es auch endlich mal wieder weiter mit meinem Philip Pullman Lesemarathon. Mit "The Book of Dust" (La Belle Savauge #1) bin ich nun beinahe auf dem aktuellen Stand. Pullman schafft es irgendwie, mich jedes Mal von der Reihe, nach dem Lesen (!) wieder abhängig zu machen. Während des Lesens denke ich mir immer: Ja, ganz interessant. Okay, okay, aha, gut. Und dann am Ende will ich die Figuren gar nicht gehen lassen und bin unheimlich sentimental. Ich kann es mir selbst nicht erklären wie das geht, aber nun ja. Daher werde ich im April definitiv noch den zweiten Teil der Trilogie lesen und ich dann wohl sehnsüchtig auf den dritten Teil freuen. Ich hoffe ja wirklich sehr, dass am Ende noch etwas unfassbar unerwartetes geschieht...
  • "The Princess and the Goblin" von George MacDonald und "Meine Schwester, die Serienmörderin" von Oyinkan Braithwaite habe ich gerade erst etwas ausführlicher rezensiert, daher halte ich mich an dieser Stelle mal wieder etwas kürzer. Unterschiedlicher könnten sie wohl nicht sein, aber ich habe beide sehr gerne gelesen. Ersteres ist natürlich märchenhaft und durch die Illustration wahnsinnig schön, um mal wieder das Gefühl vom typischen "Lesen vor dem Einschlafen" zu bekommen und letzteres ist sehr konfliktreich, was das moralische Verhalten eines Menschen betrifft. 
  • "Worüber wir schweigen" von Michaela Kastel: Meine letzte Lektüre diesen Monat war irgendwie eine positive Überraschung. Viel habe ich mir ehrlich gesagt nicht erhofft. Ich bin einfach erstens nicht so der super Thriller-Fan, weil es mir meist doch zu langweilig ist und ich schon viel zu früh weiß, worauf das hinausläuft und zweitens habe ich oftmals wenig Vertrauen in deutsche Romane (shame on me!). Nach den ersten Kapiteln dachte ich noch, ich lege es gleich zur Seite, doch plötzlich hatte ich es innerhalb von vierundzwanzig Stunden ausgelesen. Mich hat dieses hin und her der Figuren einfach doch packen können, auch wenn ich viele Ausdrucksweisen wirklich missglückt fande und mir die Tatsache, dass wenig Verständnis da von irgendwie jedem für psychische Erkrankungen aufgebracht wird, ebenfalls sehr negativ aufgefallen ist. Natürlich, solche Haltungen gibt es, aber hier hatte man den Eindruck, dass die Frauen wieder an allem schuld sind und den Männern das Leben schwer machen, weil sie depressiv sind oder Ähnliches. Ein klares No-Go. Auf der anderen Seite gab es hingegen auch gute Aspekte, die klarstellen, dass die Lebensweise eines jungen Mädchens, wie ausufernd auch immer, ihre Angelegenheit ist und dass es nun mal sehr offene und eher zurückhaltende Menschen gibt. Grundsätzlich war ich demnach positiv überrascht, bin aber im Großen und Ganzen mit einem mittelmäßigen Gefühl zurückgeblieben. Was mich aber nicht ganz loslässt: Habe ich das Ende verstanden? Eigentlich wurde alles aufgelöst, aber irgendwie blieb es doch offen... Ich hatte zwischenzeitlich noch eine These, die nie bestätigt wurde und dadurch war ich am Ende etwas unsicher, ob ich ein Detail überlesen habe. Vielleicht gibt es hier ja aber auch gar keinen doppelten Boden.
Ansonsten habe ich mir für den nächsten Monat bereits schon einiges zurechtgelegt, das ich gerne lesen würde. Zusätzlich natürlich zu meiner Liste aus dem Februarbeitrag "Die ewig Zurückgestellten". Da würde ich zumindest gerne Donna Tartts "Der Distelfink" in Angriff nehmen.


Wie habt ihr den März verbracht (überstanden)? Unternehmt ihr auch Spaziergänge, um den Kopf freizubekommen?

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Meine Schwester, die Serienmörderin von Oyinkan Braithwaite

März 29, 2020

Buch Meine Schwester die Serienmörderin aus dem Blumenbar Verlag
Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "My Sister, the Serial Killer"/ 2018), Blumenbar / Aufbau Verlag (2020), Übersetzer/in: Yasemin Dinçer (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ayoola ist das Lieblingskind, unglaublich schön - und sie hat die Angewohnheit, ihre Männer umzubringen.
Korede ist eher praktisch veranlagt und dafür zuständig hinter ihrer Schwester aufzuräumen: die Krankenschwester kennt die besten Tricks, um Blut zu entfernen, und ihr Kofferraum ist groß genug für eine Leiche. Dann verknallt sich natürlich auch Tade, der hübsche Arzt aus dem Krankenhaus, in Ayoola, der doch eigentlich für Korede bestimmt ist. Jetzt muss die sich fragen, wie gefährlich ihr Schwester wirklich ist -- und wen sie hier eigentlich vor wem beschützt."
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"Ich ertappe mich dabei, wie ich um drei Uhr morgens Serienmörder in die Google-Suchleiste eintippe. Da stand es: drei oder mehr Morde...Serienmörder" S.52

Laut der New York Times ist der Roman, der auch für den Booker Prize nominiert ist 'Schnell und witzig. Ironisch und böse funkelnd'. Ich kann allem zustimmen, bis auf das 'witzig'. Ich weiß nicht, was das immer ist, dass viele Menschen bestimmte Romane urkomisch finden, die ich absolut nicht so wahrnehmen kann. Ja, der Roman ist unfassbar ironisch (dass man vielleicht lächelnd aufseufzt und den Kopf schüttelt) und bitterböse, aber weitestgehend wollte ich einfach laut losschreien. Manchmal fühlt man sich in dem Szenario, als stiller Zuhörer, genauso gefangen, wie der Komapatient, den die Protagonistin Korede besucht. Man kann nicht einschreiten, würde aber nur zu gerne alle Beteiligten schütteln.
Auch wenn ich dieser Kategorisierung von 'witzig' also nicht zustimmen kann, finde ich den Roman darüber hinaus sehr klug, erfrischend scharfzüngig und richtig geschickt konzipiert.

"Hat ihr nie jemand gesagt, wie schmerzhaft es ist, stumm zu weinen? S.221

Die Protagonistin beginnt ihre Erzählung direkt mit der Tatsache, dass es einen Toten gibt, man wird also ins kalte Wasser geschmissen. Keine Vorgeschichte, keine Hintergrundinformationen. Doch nach und nach beginnt Korede ihre Schwester und ihr Verhalten zu analysieren und reflektieren. Was ist da eigentlich los? Wieso gerät alles so schnell außer Kontrolle und wer muss noch um sein Leben fürchten?
Gleichzeitig (und das fand ich ebenfalls sehr gut umgesetzt) erfahren wir zum Ende hin auch immer mehr über die Vergangenheit der Schwestern. Der Leser beginnt zu erahnen, dass die Geheimnisse rund um die Familie selbst, tiefer sitzen, als zunächst angenommen. An dieser Stelle und auch in Hinblick auf die Gesamtdynamik des Romans hatte ich stets den Originaltitel "Thicker Than Water" im Hinterkopf. Und er ist so, so passend. Natürlich thematisiert die Geschichte die Tatsache, dass eine der Schwestern eine Serienmörderin ist, aber der Roman geht viel weiter. Er thematisiert, was es bedeutet, mit der Frage konfrontiert zu werden, was man für die Familie machen würde, ob man sich von ihr distanziert, wenn moralisch verwerfliche Dinge gestehen und ob man ausnahmslos zu ihr steht.

"Ich hole mir ein paar Staubtücher aus dem Vorratsschrank. Könnte ich damit doch nur auch all unsere Erinnerungen fortwischen." S.69


Der Roman, der sich schnell liest und mit einer bitterbösen, aber doch leichten Stimmung daherkommt, hält Wahrheiten bereit, welche der Geschichte einen nötigen Tiefgang verleihen. Die Beziehung zwischen den Schwestern also auch die Spielerei zwischen der "guten und vernünftigen" und "kaltblütig und impulsiven' ist geschickt konzipiert. Ebenso steht hier die Verbundenheit zur Familie wie auch die Bevorzugung der Gesellschaft von "schönen" und damit wohl 'wertvolleren' Menschen im Vordergrund. Man würde viele Protagonisten gerne mehrfach wachrütteln und gleichzeitig wird immer die Frage á la: Würdest du deine Familie verraten oder zu ihr stehen? aufgeworfen. Wer also auch nach dem Lesen die Handlungen der Figuren hinterfragt und zu analysieren versucht, gerät in einen psychologisch-moralischen Gedankenstrudel.


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The Princess and the Goblin von George MacDonald

März 26, 2020

(Original: "The Princess and the Goblin"/ 1872) The Folio Society, mit einem Vorwort von Maria Tartar und Illustrationen von Madalina Andronic, Übersetzer/in: -, ★★★★☆ 4 Sterne
Die achtjährige Prinzessin Irene lebt ein eher abgeschiedenes Leben in ihrem großen Anwesen. Ihr Vater, der König, ist dauernd unterwegs, ihre Mutter bereits verstorben. Durch Zufall entdeckt sie oben in ihrem Schloss, entlang einer Treppe, ein verborgenes Geheimnis und gerät plötzlich, mit einem jungen, der als Minenarbeiter tätig ist, in ein Abenteuer. Jeder von ihnen stößt zunächst auf eigene Entdeckungen, nach und nach können sie aber nur gemeinsam zu einer Lösung kommen, denn sie müssen sich vor den "Goblins" in den benachbarten Unterbauten schützen...
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"'People must believe what they can, and those who belive more must not be hard upon those who believe less. I doubt if you would have believed it all yourself if you hadn´t seen some of it.'"  S.120

Der Klassiker von MacDonald, der nach seinen eigenen Aussagen keineswegs nur für Kinder gedacht ist, scheint irgendwie ziemlich in Vergessenheit geraten zu sein (es gibt wohl nämlich auch eine kurze Fortsetzung namens "The Princess and Curdie"). Dabei wurden davon auch bekannte Autoren wie J.R.R Tolkien oder C.S. Lewis inspiriert.
Man muss schon sagen, wenn man die Geschichte liest, fühlt man sich zurück katapultiert in die alten Märchen und Sagen, in die Erzählungen, die einem Mut machen und die einen träumen lassen.
Es gibt eine Prinzessin, die ängstlich und doch tapfer ist, die sich gar nicht schämt, wenn sie öfters mal weinen muss, denn ihr geht es danach einfach besser und die nicht versteht, wieso ein Junge (Minenarbeiter), der ihr eine große Hilfe gewesen ist, scheinbar dennoch nicht gleichgestellt sein sollte. Es ist wieder mal ein Aufeinandertreffen der Kindersicht (durch Irene) und der Erwachsenensicht (durch Lootie, ihr Kindermädchen) auf Dinge und die eventuelle Überbrückung gewisser Vorurteile. Und wieso fehlt einem zunehmend die Gabe einfach an Dinge zu glauben, wenn man sie zunächst nicht sehen kann?

"'It is so silly of people [...] to fancy that old age means crookedness and witheredness and feebleness and sticks and spectacles and rheumatism and forgetfulness! It is so silly! Old age has nothing whatever to do with all that. The right old age means strength and beauty and mirth and courage and clear eyes and strong painless limbs.” S. 84

Es gibt aber nicht nur diese schöne Auslegung der Engstirnigkeit, sondern auch der Betrachtung des Lebens selbst. Was heißt es schon, alt zu werden? Geht uns wirklich so viel verloren oder gewinnen wir eher was hinzu? Was bedeutet Freundschaft? Und für mich ganz wichtig, die Tatsache, dass klargestellt wird, dass ein durch Erbe angetretener Adelstitel nichts über eine "königliche" Verhaltensweise aussagt.

Zusätzlich zu den Dingen, die vor allem Irene beschäftigen und sich auf ihre Situation beziehen, wird noch die Rivalität der Menschen und den Goblins ins Spiel gebracht. Bei ihnen ist es interessant, dass sie den Menschen gar nicht so (auch äußerlich) unähnlich sind und manchmal auch das gleiche Ziel verfolgen. Daher wirkte es für mich eher, als stünden sie für die "schlechte" Seite der Menschen, die durch die Freude und Gesänge des jungen Curdie versucht wird, zunächst auf spielerische Weise, in die Flucht zu schlagen.

"[The Princess] treated the plants on which they grew like bird´s nests; every fresh flower was like a new little bird to her. She would pay visits  to all the flowernests she knew, remembering each by itself. She would go down on her hands and knees beside one and say, 'Good morning!' Are you all smelling very sweet this morning? Good-bye!" S.88


Eine sich zart und dennoch ernst anfühlende Kindergeschichte, die mit vielen Weisheiten für alle Lebensjahre brilliert. Auch wenn ich die Stränge insgesamt sehr gemocht habe, gefiel mir vor allem das Aufeinandertreffen der Prinzessin Irene und der alten Frau im Turm. Dies eröffnete stets eine sehr träumerische und beruhigende wie auch wohlige Perspektive. Alles andere sorgt für das Tempo und die Abenteuerlust, aus der eine sehr schöne Freundschaft entsteht.

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