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"Growing up, I took so many cues from books. [...]
They were my teachers and my advisers."

Neil Gaiman / "The Ocean at the End of the Lane"

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REZENSIONEN




NEUE   BEITRÄGE

Reading list: Bücher für den Sommer


Der Sommer ist da! Okay, momentan war es hier die letzten Tage wieder etwas wolkiger und kühler, aber die warmen und sonnigen Tage scheinen bald zurückzukehren. Daher wurde es endlich Zeit mir meine Leseliste zurechtzulegen.
Das Verlangen danach, die Lektüre passend zur Jahreszeit zu lesen, ist tatsächlich erst über die letzten Jahre gewachsen. Als ich mit dem Buchbloggen angefangen habe, war mir das nie so bewusst oder wichtig. Doch als ich die ersten Sommer mit den perfekten Büchern verbracht habe, habe ich daran festgehalten. Es ist bei mir vergleichbar mit Filmen oder Musik, die einfach gut zum Moment, zum Wetter und zur Situation passen - es hat einfach was. 

Hier also meine Liste aller Bücher, die ich mir so vornehmen möchte und einige Gedanken dazu. 


Alle Bücher auf meiner Leseliste:

  • "The Summer I Turned Pretty" (#1) von Jenny Han
  • "It´s not Summer without you" (#2) von Jenny Han
  • "Every Summer After" von Carley Fortune
  • "Bad Summer People" von Emma Rosenblum
  • "The Siren" von Katherine St. John 
  • "All the Best Liars" von Amelia Kahaney
  • "The Lake House" von Sarah Beth Durst
  • "People We Meet on Vacation" von Emily Henry (leider auf den Bildern vergessen)  
 
  • "Really Good Actually" von Monica Heisey
  • "Beautiful World Where Are You" von Sally Rooney
  • "The Making of Another Major Motion Picture Masterpiece" von Tom Hanks
  • "Funny You Should Ask" von Elissa Sussman
  • "The Cassandra Complex" von Holly Smale
  • "You can´t Stay Here Forever" von Katherine Lin
  • "I Kissed Shara Wheeler" von Casey Mc Quiston
  • "The Perfect Golden Circle" von Benjamin Myers
     



Ich habe die Bücher noch einmal in zwei unterschiedliche Stapel aufgeteilt. Diejenigen, die wirklich nach "SOMMER" schreien (die ersten acht) und diejenigen, die sommerlich sind, aber darüber hinaus auch gut zu einer anderen Zeit gelesen werden können. Somit habe ich in den Monaten auch die Tage oder Wochen abgedeckt, die nicht zu hundert Prozent die Beach Vibes versprühen.

Grundsätzlich freue ich mich auf alle Titel, die ich mir vorgenommen habe und ich habe auch vor alle zu lesen, dennoch lasse ich mich natürlich einige Spielräume, falls ich doch Lust auf etwas anderes bekommen sollte ("Yellowface" von R. F. Kuang ist nämlich auch neu eingezogen).
Das Jugendbuch "The Lake House" von Sarah Best Durst verspricht aber geheimnisvollen Thriller mit einem Sommercamp zu verbinden - hallo, Camp Rock? Dieser Mix könnte also hilfreich sein, wenn mich die Sommerflaute einholen sollte. 

Ansonsten bin ich sehr gespannt auf die ersten beiden Bücher der "The Summer I Turned Pretty"- Reihe von Jenny Han. Ich habe bisher auch die Serie vor mit hergeschoben, weil ich zuerst die Bücher lesen wollte.
Da in dieser Ausgabe nur Band eins und zwei erhältlich sind, werde ich mir Band drei vielleicht für nächsten Sommer aufsparen oder komplett darauf verzichten, je nachdem wie mir der Inhalt hier zusagen wird.

Ein Emily Henry Roman darf auch nicht fehlen. "Happy Place" habe ich bereits vor einiger Zeit gelesen, aber "People We Meet on Vacation" liegt hier seit letztem Sommer, da ich ihre anderen beide Romane damals entdeckt und mir dieses schon einmal vorgemerkt hatte. Zwar soll dieses nicht so gelungen sein, wie die anderen, aber ich möchte dem Buch dennoch eine Chance geben und dann selbst schauen, ob ich der Meinung vieler anderer Leser*innen zustimme. 

 

Der Rest wird, denke ich, eine wunderbar gemischte Tüte mit unterschiedlichen Themen und Schwerpunkten.  Ich kann es kaum erwarten in die Geschichten einzutauchen und in diesem Sommer neue Momente mit schönen Büchern zu schaffen!



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Recent Reads: 3 x Sachbücher

Juni 27, 2023


Superbösewichte, Monster und ihre Fans & unsympathische Frauenfiguren 

Bücher aus dem Bereich Non-Fiction sind vielleicht nicht unbedingt das Lieblingsgenre vieler Leser*innen. Kann ich ein wenig nachvollziehen, da ich auch schon zu vielen gegriffen habe, die einfach so langweilig waren, dass ich mir im Nachhinein nicht einmal eine Handvoll interessanter Fakten merken konnte. Wozu also Zeit verschwenden, wenn man nicht einmal das Gefühl hat, sich damit weiterzubilden?

In letzter Zeit jedoch hat mich wieder die Neugier gepackt. Hier und da tauchten plötzlich Sachbücher auf, die mich wirklich angesprochen haben. Drei habe ich exemplarisch in die engere Auswahl genommen: 

  • "How to Take Over the World - Practical schemes and scientific solutions for the aspiring supervillain" von Ryan North
  • "Monsters - A Fan´s Dilemma" von Claire Dederer
  • "Unlikeable Female Characters - The Women Pop Culture Wants You to Hate" von Anna Bogutskaya (dt. Übersetzung: "Genie oder Monster", erscheint am 02.11.2023 bei Piper)

Überraschenderweise hat sich aufgrund der Lesereihenfolge ein ganz schöner roter Faden ergeben. Werfen wir also mal einen näheren Blick auf die einzelnen Themen und die Umsetzung.



In 1967, the first corpse was frozen with the explizit goal of revival, and since then many more humans have been freezing some or all of their bodies in hope that, at some point in the future when there´s a cure for whatever they died of, they will be thawed out, restored to life, and cured. It´s worth stressing out that cryonics is absolutely not a plan for immortality. 
- "How to Take Over the World" von Ryan North, S.235


 

Die Pläne eines Superbösewichts...

 
...auf wissenschaftlicher Basis! Als ich das Buch "How to Take Over the World" von Ryan North entdeckt habe, war ich zunächst etwas skeptisch. Wissenschaftliche Lösung, um die Weltherrschaft zu übernehmen? Brauch ich das? Aber mein innerer Superhelden-Liebhaberinnen-Impuls sagte sofort: Ja!

Der Autor selbst hat bereits an Marvel-Comics mitgearbeitet, daher hatte ich durchaus den Wunsch, dass er in diesem Buch seine Erkenntnisse mit den Bezügen zu den uns bekannten Superschurken verbindet und so einige schöne Referenzen bereithält.
Am Anfang oder auch in kleineren Nebensätzen fielen tatsächlich einige Anspielungen an Thanos oder andere Bösewichte, allerdings deutlich weniger, als erhofft. 
 
Nichtsdestotrotz hatte ich erstaunlicherweise viel Spaß mit den theoretischen Ideen rund um eine Weltherrschaft.
Ich würde jedoch allen davon abraten, die es wirklich gar nicht wissenschaftlich mögen. Zwar werden immer mal wieder kleine Infoboxen eingebaut, die nette und kuriose Geschichten aufgreifen, der Rest jedoch geht wirklich sehr ins Detail, was das Wetter, Wohnlandschaften, das Universum, das Internet oder Ähnliches betrifft. Eine Kostenkalkulation ist aber ebenfalls dabei (kleiner Spoiler: paar Millionen/ Milliarden braucht man schon)!
North versucht seine Ideen mit einem kleinen Augenzwinkern zu versehen und ist sicherlich im Ton aufregender und unterhaltsamer als manch andere Bücher zu den Themen wie Umwelt, Klima, Ressourcennutzung etc. dennoch habe ich mich hin und wieder dabei ertappt, wie ich schnell über einige Kapitel hinweggelesen habe. Lag aber auch teilweise daran, dass ich bei diesen Dingen schon mehr darüber wusste und es nichts Neues war.
Spannend fand ich, dass ein Experiment beschrieben wurde, das sehr stark an T. C. Boyles "The Terranauts" (dt. Übersetzung: "Die Terranauten // erschienen bei Hanser) erinnerte. Ich kann mich nicht daran erinnern, davon gewusst zu haben, umso erstaunter war ich als ich an das Buch zurückgedacht habe. Hat mich definitiv zu einem Reread angeregt.

Ganz schön fand ich zudem die vielen Zeichnungen, welche die Ideen noch einmal visuell umsetzen. 

 

 


Darf ich noch Fan von xy sein?

Wie sagt man so schön, mein most anticipated read war sicherlich "Monsters - A Fan´s Dilemma" von Claire Dederer. Nach all den Skandalen, Machtmissbrauchen und auch jüngsten Ereignissen, fragen sich immer mehr Leute, ob es überhaupt noch okay ist, Fan von etwas zu sein, das ein "Monster" geschaffen hat. Gibt es darauf eine Antwort? Wenn ja, wie nähert man sich ihr? Dieses Buch hier versucht der Frage ein wenig auf den Grund zu gehen.

Meine Einstellung zu dem Thema war eigentlich ziemlich gefestigt, als ich das Buch gesehen habe. Ich kann mich ziemlich einfach von Dingen losreißen, von denen ich weiß, dass ein Mensch sie geschaffen hat, der übel ist.
Ich würde behaupten, dass ich soweit gefestigt bin, dass ich zwar meine Lieblingskünstler*innen, - Bands, Schauspieler*innen habe und sich dies sicherlich teilweise auf meinen Charakter ausübt, ich aber kein Problem damit habe, diese loszulassen und mir neue, "gute" Inspirationen zu suchen.
Als ich jedoch den Klappentext gelesen habe und an die "großen" Schriftsteller gedacht habe, die ich selbst noch im Bücherregal stehen habe, bei denen deren Vergangenheit weiterhin toleriert wird, weil "Weltliteratur" (Fitzgerald, Hemingway), musste ich mir eingestehen, dass es nicht in allen Fällen so einfach ist. Wollen wir also irgendwie die "Erlaubnis" von jemandem bekommen, zum Beispiel der Autorin dieses Buches, das es okay ist, die Kunst zu mögen? 

Schwieriges Thema, aber here we go.

Der Anfang: Fakten, Hintergrundinfos und die Ausgangsfragen

Das Buch beginnt wirklich direkt, scharfzüngig und mit glasklaren Fakten. So trägt das erste Kapitel den Titel "The Child Rapist" und ist Roman Polanski gewidmet. Mich hat diese erste Überschrift direkt damit konfrontiert, dass es hier nicht um kleine Bagatellen geht, sondern die beschriebenen Probleme wirklich schwerwiegend sind.
Es werden zunächst Fragen aufgeworfen, um sich selbst zu hinterfragen und die eigene Einstellung zu überprüfen. Ist es okay, wenn man zum Beispiel die Filme von Polanski oder Woody Allen zum Beispiel schaut, wenn sie zufällig im Fernsehen/ bei Freunden liefen? Würdet ihr es schauen? Was für Überlegungen finden zwischen dem Gedanken an den Film und den Taten der Künstler, von denen man nun weiß, statt?

 
Ich habe mir in der ersten Hälfte sehr viele Stellen gemerkt, die ich wichtig fand und die auch das widerspiegeln, was unsere Gesellschaft derzeit so beschäftigt. Wieso werden diese Dinge zugelassen? Warum werden die "männlichen Monster" nicht also solche, sondern als "Genies" gesehen?
Für diese Betrachtungsweisen gibt es durchaus gute Aufschlüsselungen und soziale, psychologische Erklärungen, doch die Frage danach, ob man die Dinge selbst weiterhin gut finden darf, bleibt erst einmal offen. Dederer nähert sich vielen Geschehnissen mit Fragen, gibt einige persönliche Standpunkte preis und zeigt durchaus, dass sie in vielen Situationen zwei Mal darüber nachdenkt. Unterstützt man das Verhalten der Männer damit weiterhin? 


Die Persönlichkeit und das Fandom

Ich glaube, es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, dass man beim Lesen eine gewisse Wut auf diese (zunächst) Männer verspürt. Sie baden in Ruhm, Reichtum und Bewunderung und Hinterlassen in Schlachtfeld von (meist) zerbrochenen Frauen.
Umso schwieriger fiel es mir als Leser*in zu verstehen, warum viele ihre Persönlichkeit mit etwas so Kritischem verankern möchten und nicht loslassen können. Erstaunlicherweise hatte ich an einigen Stellen das Gefühl, dass sich die Autorin selbst ein wenig in Ausflüchte sucht, um diesen Teil ihrer Persönlichkeit, der zum Beispiel die Filme von Polanski als großartig ansieht, nicht missen zu müssen.
Verliert man wirklich einen Teil von sich, wenn man sich einfach etwas Besserem zuwendet? Ich verstehe den Impuls etwas schützen zu wollen, was einen lange Zeit begleitet hat, aber für mich steht es einfach nicht über allem. Und besonders nicht über dem Schutz anderer und der Glorifizierung von Menschen, die anderen Schaden zufügen. 

Die Fandoms, die Bewunderung wird zunehmend aus dem psychologischen Blickwinkel betrachtet. Dederer zeigt dabei auf, dass dies als Kollektive Entscheidung und persönliche Entscheidung, etwas gut zu finden, geschieht. Wir fühlen uns zu etwas dunklem an den Personen und deren Werken hingezogen vs. ich fühle mich dazu hingezogen.

 

Die persönliche Verflechtung der Autorin: Gibt es eine Antwort?

Das Buch entwickelt sich ab der Hälfte plötzlich in eine andere Richtung. Nun greift Dederer auch das Fehlverhalten von Frauen(-charakteren) auf und setzt sie als Gegenstück ein. Deutlich wird, dass sie durchaus dafür einsteht, dass Frauen das gleiche Recht haben, selbstbestimmt zu leben und sich von gesellschaftlichen Normen zu lösen.
Für mich war hier ein Drift zu spüren, der etwas merkwürdig war. Natürlich, Frauen und ihre "Monstrosität" wird oftmals unverhältnismäßig ganz anders wahrgenommen, aber das "Loslassen" der Familie ist für mich noch einmal etwas ganz anderes, als Kinder zu missbrauchen. Mit zunehmenden Seiten wurde mir aber plötzlich klar, worauf die Autorin hinauswill. Sie wird sehr persönlich, schreibt über ihre eigenen Fehler. Und ja, es schien mir, als wolle sie ihre eigene Absolution und Regeneration als "gute Mutter" mit dem Buch manifestieren. Sich selbst von ihren eigenen Fehlern, die sie nun als "monströs" ansieht wieder wettmachen.
Das mag durchaus legitim sein, es ist ja ihr Buch, allerdings verfehlt das Ende für mich deutlich das Ziel der Ausgangsprämisse. 

Plötzlich ist das Ende nach der Auflistung der Taten der Männer (und nun auch Frauen - Virgina Woolfs Antisemitische Aussagen zum Beispiel, von denen ich bisher nichts wusste), ziemlich abrupt und mündet in einer komischen "Wenn man etwas liebt, fällt es schwer sich davon zu trennen"-Rede. Auch hier sage ich: Natürlich! Aber für mich wurden damit alle Taten über Bord geworfen und es bleibt jedem weiterhin selbst überlassen, was man mit den Infos macht (niemand kann einem die Entscheidung abnehmen, aber das eigene Pflichtbewusstsein kam abhanden). Eine kurze Verknüpfung zum Patriachat, Konsum und Kapitalismus wurde noch gezogen, aber zu wenig detailliert.
Die Anfangskapitel, die vielen Bezüge zur Kunst, Film, Büchern, das Thema an sich und die wichtigen Fragen und vor allem die laute Kritik an dem Fehlverhalten der Männer und der Gesellschaft, dass es toleriert wird, sind ein guter Bestandteil des Buches und absolut lesenswert.
Ich habe nicht erwartet, dass man eine wirkliche ja oder nein Antwort auf die Ausgangsfrage erhält, aber das Endkapitel war für mich doch irgendwie eine Enttäuschung. 

 

 

I wished someone would invent an online calculator-the user would enter the name of an artist, whereupon the calculator would assess the heinousness of the crime versus the greatness of the art and spit out a verdict: you could or could not consume the work of this artist. 
- "Monsters" von Claire Dederer, S.9



Do you like me now?


Mein letztes Buch "Unlikeable Female Characters" von Anna Bogutskaya bildet nun ein perfektes Ende. Nachdem wir erst einen Blick auf mögliche Bösewichtsszenarien geworfen haben, die niemandem wirklich schaden, uns dann zu den wirklichen Monstern der Gesellschaft vorgearbeitet haben, sind wir nun zu Besuch bei den beliebtesten nicht-beliebten Frauenfiguren aus der Popkultur!

Der Ton hier ist entspannter, der Inhalt und die Wichtigkeit der Thematik büßen aber nicht ein. Bogutskaya stellt anhand vieler Beispiele heraus, warum Frauen, wenn sie laut, egoistisch und auch stark sind, in der medialen Welt eher nicht gemocht werden und als "unlikeable" gelten.
Von beliebten Serien wie "How to Get Away with Murder", über "Mean Girls", bis hin zu "Cruel Intentions" (dt. "Eiskalte Engel). Hier wird aufs Ganze gegangen.

Ich fand es sehr spannend, interessant und unfassbar informativ. Viele Entstehungsgeschichten oder Gespräche in Interviews zu bestimmten Figuren waren mir nicht bekannt und die Aufschlüsselung der Rezeption der "weiblichen Charaktere" war packend.
Auch hier spielt die Gegenüberstellung zwischen der männlichen (dominierenden) und der weiblichen (sich beugenden) Darstellung eine große Rolle. Zudem wird unsere alte Sichtweise (binär), zumindest an einigen kleineren Stellen, durch neue Ansichten und Erweiterungen ergänzt. Der Einfluss unserer gesellschaftlichen Entwicklung wird daher nicht außer Acht gelassen.
Allein die Betrachtung der Begrifflichkeiten (viele Tabus wie: Slut, bitch, psycho, crazy woman) und der damit einhergehenden Charakterisierung ist sehr lesenswert und wird auch hier gekonnt aus einem kritischen Blickwinkel betrachtet.

Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass hier durchaus ins Detail gegangen wird, was die jeweiligen Filme betrifft. Wenn man die Filme schon kennt, macht das nicht viel aus, bei einigen wird man aber doch stark gespoilert.
Wer das lieber vermeiden will, kann sich aber erst die Filme ansehen und dann das Buch lesen. Eine "Watch List" ist nämlich ebenfalls angehängt.


Anger is a difficult emotion to tolerate because it´s not pretty, and being pretty is the primary expectation of women onscreen. If it´s directionless and it reinforces the idea that women are functionally incapable of managing their emotions, if it´s directed at one specific person, it´s a 'her' problem. 
- "Unlikeable Female Characters" von Anna Bogutskaya, S.148

 

 

Welche Bücher haben mich überzeugt? 

 
Letztlich habe ich durch jedes Buch neue Erkenntnisse und Sichtweisen kennengelernt, die ich zu schätzen weiß.
Daher würde ich wirklich alle Bücher empfehlen. Abzüge würde ich bei "How to Take over the World" machen, da es an einigen Stellen sehr theoretisch und detailreich wird. Ebenfalls nicht ganz gut umgesetzt fand ich bei "Monsters", dass die eigentliche Ausgangsfrage zum Schluss merkwürdig verschoben beziehungsweise abgewälzt wird. Schade, denn ansonsten greift das Buch wirklich wichtige, gute und richtige Punkte auf.
"Unlikeable Female Characters" war für mich ein Volltreffer. Eine Ansammlung an tollen Charakterisierungen und reichlich Filmtipps.
 

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"Böses Glück" von Tove Ditlevsen

Juni 13, 2023


Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Paraplyen" & "Den onde lykke"/ 1952/63), Aufbau Verlag 2023, Übersetzer*in: Ursel Allenstein (aus dem Dänischen), , ★★★ 5 Sterne
Eine frisch verheiratete Frau sehnt sich obsessiv nach einem gelben Regenschirm. Ein Ehemann verjagt die geliebte Katze seiner Frau. Eine betrogene Mutter entlässt impulsiv ihre Haushälterin. Unter der Oberfläche dieser unbeirrbar scharf beobachteten Geschichten über Liebe und Beziehungen im Kopenhagen des 20. Jahrhunderts pulsieren Verlangen und Verzweiflung. Während vor allem die Frauen darum kämpfen, den ihnen zugewiesenen Rollen zu entkommen, träumen sie davon, frei und glücklich zu werden – ohne je ganz zu verstehen, was das wahrhaft bedeuten könnte. Luzide kartografiert Ditlevsen Momente des Alltags, die ein Leben in eine andere Richtung wenden. Der Band »Böses Glück« zeigt sie als Meisterin der kurzen Form.
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Tove Ditlevsen hat mich damals bereits mit ihrer Kopenhagen-Trilogie begeistert, daher war ich sofort Feuer und Flamme, als ich gesehen habe, dass ein Erzählband von ihr erscheint.
In "Böses Glück" habe ich in den fünfzehn kurzen Geschichten vieles wiedergefunden, das mir schon in den anderen Büchern gefallen hat, darüber hinaus habe ich Ditlevsens Kunst, Einblicke in den Alltag zu gewähren und gleichzeitig tief in die Seelen der Figuren blicken zu lassen, neu kennen und lieben gelernt.


Warum neigten völlig durchschnittliche Menschen eigentlich immer zu derart dramatischen Worten, wenn sie vom Unglück getroffen wurden? 
- S.155
 
 
Alle Erzählungen folgen einem thematischen Bezug, denn die Erzähler*innen sehnen sich nach einer Veränderung im Leben, einem Lichtblick, einer Aufmerksamkeit ihres Partners, die zeigt, dass sie nicht bloß wie Pappfiguren deren Lebenserfüllung dienen, sondern eben auch Anrecht auf eigenes Glück und die eigene Selbstverwirklichung haben. 
Der Clou ist jedoch auch, dass die Figuren in eine Art gedankliche Spirale fallen und die Szenarien ihrer "Befreiung" förmlich zurechtlegen. Kaum einer von ihnen kommt jedoch über den Punkt der Gedanken hinaus. Dies mag frustrierend klingen, das ist es beim Lesen teilweise auch, da man zum Beispiel merkt, wie stark sich dies auf den Bereich der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bezieht und man nur den Kopf schütteln möchte. 
Jedoch merken wir auch, dass sich dennoch etwas in den Figuren verändert, die Realisierung der Wichtigkeit, dass sie zur Tat schreiten müssen, ist omnipräsent. Für mich gab es immer noch einen kleinen Funken, der suggeriert, dass sich die Figuren noch nicht aus den Situationen lösen können, dies aber eventuell außerhalb des Rahmens der Geschichte möglich wäre. Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass die Protagonist*innen außerhalb der Seiten also ihr Glück realisieren können. Das ist eine so große Leistung, vor allem für so kurze Erzählungen, dass mich fast jede Geschichte nach dem Ende selbst in eine Gedankenszenerie geschickt hat und ich so deutlich länger in den Leben der Figuren verbracht habe als zunächst gedacht.



„'Warum wolltest du ihr nicht geben was sie verlangt hat?', fragte sie. 'Wir haben doch das Geld.'
Die beiden Männer lachten herzlich.
'Frauen', sagte der Makler nachsichtig.“
 
- S. 136
 
 
Ich muss zugeben, dass viele Figuren mehr als unsympathisch sind. Dies gilt meist für die Partner*innen der Erzählstimmen.
Sie sind egoistisch, unverschämt, besserwisserisch und egozentrisch. Ditleven schafft es, diese Eigenschaften aber stets in einen geeigneten Kontext zu bringen. Man versteht jeden einzelnen Charakter, der auftaucht. Ob wegen sozialer Zwänge, der Angst, alleine zu sein oder verlassen zu werden, sich plötzlich weniger wert zu fühlen als das Gegenüber, seine eigene Trauer und Unzufriedenheit auf andere zu projizieren oder einfach nur dem anderen nichts gönnen zu wollen beziehungsweise können. Alle Figuren sind unfassbar greifbar und wirken in der erzählten Wechselwirkung zueinander einfach nur "echt".
Das bedeutet nicht, dass man sie dafür mehr wertschätzt oder ihr Handeln gegenüber anderen verzeiht. Aber sie erscheinen auf den wenigen Seiten ebenfalls so scharf vor dem eigenen Auge, dass man zumindest die Situation und deren Impulse nachempfinden kann.

Die letzte und titelgebende Geschichte war für mich eine schöne Überraschung. Auch hier ist das Erzählte von "Unglück" getrieben, aber wer Ditlevens Trilogie gelesen hat, wird hier erkennen, wie sie ihr eigenes Leben in der Geschichte verarbeitet.




In diesen fünfzehn Erzählungen findet man wenig heitere und aufmunternde Momente, dafür viele, in denen sich die Figuren nach etwas Besserem für sich sehnen. Und obwohl dies der Fall ist, hat mich der Erzählband mit einem guten Gefühl zurückgelassen, denn er zeigt mit den Geschichten gut auf, was für eine Beziehung man definitiv nicht führen will und erinnert/ bestärkt darin, die eigene Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit an niemanden abzugeben.
"Böses Glück" enthält trotz der angedeuteten Perspektivlosigkeit, kleine Lichtblicke und Ditlevsen hat in Kombination mit ihrem sehr eigenen Stil etwas Wichtiges und sehr Wertvolles geschaffen.

 
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"Fourth Wing" (The Empyrean #1) von Rebecca Yarros

Juni 07, 2023


(Original: "
Fourth Wing"/ 2023), Übersetzer*in: - , , ★★★() 4,5 Sterne

Die deutsche Übersetzung des ersten Bandes ist unter dem Titel "Fourth Wing - Flammengeküsst" im dtv Verlag erschienen.

Ein Drache ohne seinen Reiter ist eine Tragödie.
Ein Reiter ohne seinen Drachen ist tot.

Tritt ein in die brutale und elitäre Welt eines kriegerischen Colleges für Drachenreiter*innen.
Die zwanzigjährige Violet Sorrengail sollte eigentlich eine Schriftgelehrte werden und ein ruhiges Leben zwischen Büchern führen. Nun jedoch hat die Generalin - auch bekannt als ihre toughe und strikte Mutter - befohlen, dass sie den hunderten von Kandidat*innen der elitären Navarre folgt, um eine Drachenreiterin zu werden.

Doch wenn du kleiner bist als alle anderen und dein Körper empfindlicher, ist der Tod nur einen Herzschlag entfernt. Denn Drachen suchen sich keine fragilen Menschen als Partner aus, sie verbrennen sie.
Violet muss also all ihre Fähigkeiten schärfen, um den nächsten Sonnenaufgang mitzuerleben. Und zu allem Übel hegt sie die Vermutung, dass ein grauenhaftes Geheimnis gehütet wird.
Freunde, Feinde, Liebende. Alle am Basgiath College haben eine Mission - denn, wenn du erst einmal drinnen bist, führt nur ein Weg wieder hinaus: absolviere es oder stirb.

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'You´re freakishly calm for someone who just heard she´s about to be hunted.'

'It´s a typical Wednesday for me.'
 
- S.189

 
Drachen, ein gefährliches College und jede Menge Geheimnisse? That´s my cup of tea. 
Mit "Fourth Wing" erfährt derzeit mal wieder ein Fantasybuch einen großen Hype. Da ich grundsätzlich immer für gute Fantasygeschichten zu haben bin, wollte ich also auch mal sehen, was der erste Teil der neuen Reihe zu bieten hat. Und ich kann eines vorab sagen: ich warte gespannt auf den nächsten Teil!
 
Die Erzählung startet direkt mitten in der eigentlichen Handlung und offenbart, welcher Herausforderung sich die Protagonistin Violet stellen muss. Sie soll eine Drachenreiterin werden, was so viel bedeutet, dass sie versuchen soll zu überleben.
Für mich war der Einstieg gelungen. Alle wichtigen Details zur Welt, zur Hierarchie und zu den Figuren erfahren wir immer wieder zwischendurch und fortwährend mit der Handlung selbst, sodass ich keine detaillierte und seitenlange Einführung gebraucht habe.
Das Tempo empfand ich als recht zügig und auch die fortwährenden Entwicklungen haben mich immer wieder gepackt.

 
Was natürlich überwiegend den Handlungsstrang ausmacht ist, dass sich Violet, die sich von allen anderen, doch recht gut trainierten und eher brutalen Mitstreitern, unterscheidet und herausfinden muss, wie sie die Aufgaben meistern kann. Zusätzlich bleiben aber dennoch weitere Hinweise zurück, welche die Leser*innen dazu auffordern zu hinterfragen, wer Freund und Feind ist.
Auch hier hat mich die Geschichte gut mitreißen können, obwohl man, wenn man schon einige Fantasygeschichten, die dieser ähneln, gelesen hat und man daher das ein oder andere erahnen kann. Die verschiedenen Konfrontationen, entstehenden Freundschaften und Interaktionen mit vielen Figuren haben dennoch durchaus eine gute Dynamik. 
 

Violet Sorrengail: unsere Protagonistin

Wenn ich mich mit der Erzählstimme beziehungsweise der Protagonistin nicht "verstehe" ist das für mich nicht direkt ein Ausschlusskriterium, da auch unsympathische Figuren eine gute Geschichte erzählen können.
Aber keine Sorge, bei Violet stimmte die "Chemie" sofort. Ich mochte, dass sie eine Herausforderung erhält und über sich hinauswachsen muss (so tragisch und tödlich das alles auch ausgehen kann), dass sie aber versucht zu wachsen, ohne sich selbst als Person oder ihre Prinzipien zu verraten.
Mit der Zeit lernen wir sie natürlich immer besser kennen, sehen, welche Fähigkeiten sie aus ihrer eigentlichen Liebe, Schriftgelehrte werden zu wollen, in ihrer neuen Umgebung sinnvoll nutzen kann.
Violet ist tapfer, mutig, schlau, aber auch impulsiv und manchmal leichtsinnig. Ihr Status als "Tochter von", in dem Fall der Generalin höchstpersönlich offenbart zudem noch einmal spannende Blickwinkel, die man (wie schon gesagt) vielleicht bereits kennt, die aber wirklich sehr gut zur Figur und ihrer Entwicklung passen.

 

Oh, diese Drachen

Was mich aber immer wieder in den Bann ziehen kann, ist das Auftauchen von Drachen. Und auch in "Fourth Wing" hat es bei mir sofort gefunkt. Ja, Drachen sind auch hier gefährlich und nehmen dem ein oder anderen das Leben. Aber die beschriebene Verbundenheit, die zwischen den Reitern und den Drachen bestehen und die ebenfalls tief und innig sein kann, hat mich irgendwie gepackt. Vor allem, wenn es um Violets Bezug zu Drachen geht (ich sag nur Andarna), wollte ich immer mehr über das Aufeinandertreffen erfahren.
Das ist ein Punkt im Buch gewesen, auf den ich mich auch in der Fortsetzung sehr freue.
 
 
 
You are not attracted to toxic men, I remind myself, and yet, here I am, getting all attracted.“ 
- S. 109




Too hot to handle? Der Spice in "Fourth Wing"

Wer mich und meinen Lesegeschmack etwas kennt, weiß, dass ich grundsätzlich eher vermeide zu Büchern zu greifen, die mit "spicy" vermarket werden. Als ich gehört habe, dass diese Geschichte auch einen gewissen Anteil daran haben wird, war ich auf das Schlimmste eingestellt.
Überraschenderweise bleibt es zu weiten Teilen (glücklicherweise) eher mild. Erst im letzten Drittel, würde ich sagen, kommen einige Szenen, die expliziter beschrieben werden. Ich kann leider nicht sagen, dass das der Geschichte geholfen hat. Mir schien leider, als hätte diese Stellen jemand ganz anderes geschrieben, nur um eben diesen erotischen Teil im Buch abzudecken. Fand ich persönlich daher schade, aber ich konnte darüber hinwegsehen, weil mich der Rest einfach richtig gut unterhalten hat.



Spannung, Entwicklung & Cliffhanger

Wie bei vielen Buchreihen ist es leider so, dass man in Rezensionen dazu neigen könnte, zu viel preiszugeben und die Leser*innen zu spoilern. Ich tanze daher auch um die richtigen Worte herum, um meinen Spaß am Buch so auszudrücken, dass ich nichts Wichtiges verrate. Wer jedoch vielleicht nicht gut mit Cliffhangern zurechtkommt und direkt das nächste Buch braucht, der sollte ein wenig vorgewarnt werden. Am Ende darf man mit einem dieser guten alten Cliffhanger rechnen.
 


Also ja: Ich warte nun sehnsüchtig auf den zweiten Band und hoffe, dass wir da noch mehr Drachen, mehr Abenteuer, mehr enthüllte Geheimnisse und weniger Spice (sorry!) bekommen!





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5 Bücher aus dem Frühjahrsprogramm der S. Fischer Verlage

Mai 05, 2023

Werbung ~ Rezensionsexemplare


 

Auftritt: Überraschungsbuchpaket...

Ich glaube, Überraschungspakete sind etwas, über das ich mich immer freuen werde. Da ist letztlich immer diese kleine Ungewissheit, ob man nicht durch eine glückliche Fügung, ein Buch lesen wird auf das man so lange gewartet hat und welches man ansonsten verpasst hätte.
Man erhält die Möglichkeit, Bücher zu entdecken, die man eventuell noch gar nicht im Blick hatte oder die in dem schier sehr großen und lauten Social-Media-Trubel einfach untergegangen sind. Das gilt tatsächlich auch (und manchmal besonders) für noch bevorstehende Neuerscheinungen. Sich durch die vielen Vorschauen zu blättern braucht ja auch seine Zeit...

Daher war das Buchpaket von den S. Fischer Verlagen mit einigen Frühjahrsnovitäten für 2023 eine besonders schöne Überraschung.


 

The fabulous five: Diese Bücher waren drinnen

Insgesamt waren diese fünf Bücher enthalten:

 
Bis auf "Happy End" sind mittlerweile all diese Bücher erschienen. Da die Sperrfrist damit größtenteils aufgehoben ist, möchte ich euch nun einige Eindrücke zum Gelesenen mitgeben.

 

Ein leichter Start? Glendy Vanderahs "Ein Nest voller Träume"

Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Buch "Ein Nest voller Träume" von Glendy Vanderahs mit doch recht gezielten Vorstellungen reingegangen bin. Leicht, süß, locker und romantisch, so wird´s.
Ganz so einfach war es dann doch nicht. Die Geschichte hat durchaus eine ernste Komponente, greift schwierige Schicksalsschläge auf, thematisiert problematische Umgangsformen innerhalb der Familie und schaut auch auf die Entwicklungen der menschlichen Interaktionen in den letzten Jahren. Zudem hat der Roman durch die Verbindung zwischen dem auftauchenden Mädchen und der Protagonistin eine sehr schöne Herzlichkeit. Am besten gefallen hat mir, schätze ich, die "Art" wie das Mädchen, das sich selbst Ursa nennt, die Welt sieht und wie sie gewisse Dinge äußert. Es hat tatsächlich etwas Träumerisches und Zartes an sich, was hier sehr passend zum Kontrast einiger anderer Situationen ist.
Eine Liebesgeschichte oder zumindest eine Andeutung an eine, fehlt natürlich auch nicht. Für mich überraschenderweise relativ gut geglückt, weil es nicht kitschig daherkommt und die Dynamik der beiden stimmt.

Dennoch konnte mich der Roman leider am Ende nicht ganz überzeugen, da mir der Schluss zu abrupt, vielleicht sogar zu brutal (Stichwort: Tiere) und sehr überstürzt vorkam. Alles, was am Anfang schön aufgebaut wurde, zerfiel plötzlich zu einem Teil, der sich für mich gar nicht an die anderen Kapitel anpassen wollte.
Für mich persönlich habe ich aber viele schöne Stellen mitgenommen, an die ich mich gerne zurückerinnere und die in mir ein Gefühl von lauer Sommernacht mit Glühwürmchenfunken hinterlassen.
Es war daher ein schönes erstes Buch, das durchaus Potential hat(te), das ich mir aber doch noch etwas ausgereifter gewünscht hätte.

 

Das Mädchen ging wieder zum Feuer. 'Ich kann noch nicht zurück. Ich muss auf der Erde bleiben, bis ich fünf Wunder erlebt habe. Das gehört zu unserer Ausbildung, wenn wir in einem bestimmten Alter sind - so ähnlich wie hier in der Schule.' 
- "Ein Nest voller Träume", S.12

 

 


Ins Totenreich mit "Das dritte Land"

In eine ganz andere Richtung ging es meinem Empfinden nach mit "Das dritte Land" von Karina Sainz Borgo.
Wir begleiten eine Mutter, die ihre Toten Zwillinge begraben möchte. In einem Land, das einem eigentlich keinen Trost, keinen ehrenvollen Abschied gewähren möchte. 

Obwohl das Thema unfassbar traurig, hart, bestürzend und wenig aussichtsreich scheint, hat mich der Roman in den ersten Kapiteln sofort gepackt. Ich liebe den Ton, mit dem die Geschichte mich als Leserin in den Bann ziehen konnte. Er trifft dich irgendwo, du kannst es nicht richtig lokalisieren, aber du bist sofort gefesselt. Vielleicht wegen der tiefgehenden Trauer, vielleicht weil es so makaber wirkt, vielleicht aber auch, weil man auf etwas Hoffnungsvolles wartet.
Mit zunehmendem Fortschritt der Geschichte, hat mich der Roman aber leider an einigen Stellen komplett verloren. Unter anderem, aber auch vor allem dann, als eine Vergewaltigung an einem Mann beschrieben wird, die (für mich) absolut fehlplatziert und unnötig war. Die skrupellose Stadthierarchie und die Machenschaften der Clans hat man auch so deutlich wahrgenommen. Meiner Meinung nach hätten hier weniger "Schocker"-Momente mehr gebracht.

Nichtsdestotrotz bleibt mir auch der Roman als ein Buch in Erinnerung, das mir eine neue Sicht auf Literatur, auf Länder und Leben ermöglicht hat. Das Tempo schwankte zwar stets zwischen schnellem Fortschritt und Pausetaste, aber genau das transportiert auch die Geschichte selbst.


Die Pest und der Regen kamen zugleich, wie böse Omen. Die Grillen hörten auf zu zirpen, und am Himmel bildete sich ein Tumor aus Staub, der sich irgendwann in braunen Tropfen entlud. Im Unterschied zu den Übeln, die wir früher erlitten hatten, zerfetzte dieses unsere Erinnerungen und Sehnsüchte. 
- "Das dritte Land", S.12


 

2 x Judith Hermann

Für mich waren diese beiden Bücher überraschenderweise meine ersten Berührungspunkte mit Hermanns Geschichten. Verwunderlich, da einige ihrer Romane wirklich sehr lange auf meinen Merkzetteln lagen.

Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass das eine Erzählungen bereithält und das andere über das Schreiben und Erzählen selbst handelt, also ein non-fiction Buch ist. Und ich muss wirklich sagen, dass gerade dieses Zusammenspiel beider Bücher für mich perfekt war, denn hätte ich nur eines gelesen, wäre mir vieles abhandengekommen. Aber fangen wir wie immer vorne an. 

"Sommerhaus, später" ist dieses Jahr zum 25. Jubiläum in einer Sonderausgabe erschienen. Darin zu finden sind neun Erzählungen, die Schnappschüsse einiger Leben sind und teilweise abrupt enden. Und was irgendwie alle ausmacht: Die Figuren, die Erzähler*innen sehnen sich nach etwas, fühlen sich rastlos. Aber eher oder vor allem im Inneren. Sie wollen ihre Mitmenschen dazu bringen, sich ganz nach ihrem Belieben zu fügen, sie anzuhören und sie irgendwie aufzuwecken, aber auch sie in Ruhe zu lassen und sich ihren eigenen Sehnsüchten zu überlassen. Paradox, aber irgendwie funktioniert es. 

Ich brauchte allerdings das Buch "Wir hätten uns alles gesagt", um Hermanns Schreibstil und die Intentionen, die Geschichte hinter den Geschichten zu verstehen. Der Non-Fiction-Teil eröffnet hier einen ganz anderen Blickwinkel auf das Geschriebene und hat mich den Erzählungen tatsächlich nähergebracht.
Zum Beispiel fragte ich mich, warum die Erzählungen nicht wirklich greifbar sind, warum mir die eigentliche Aussage immer entfliehte, sodass ich den Eindruck hatte, als wüsste ich gar nicht, absolut nicht, worum es da überhaupt geht. "Wir hätten uns alles gesagt" greift genau dieses Gefühl auf. Hermann legt offen, dass sie ihre Geschichten meist so verfremdet, dass alles irgendwie unecht und doch wahr ist. Ein Volltreffer, wenn ich meine Gedanken dazu in einen Satz packen müsste. Die Erzählungen sagen vieles und doch nichts, wirken falsch und doch echt. Es war für mich ein ganz eigenes und besonderes Leseerlebnis.
Was für mich dabei aber merkwürdig war: Dass Judith Hermann ihre Texte so gut selbst analysieren kann und weiß, was ihnen fehlt, sie aber durch diese Interpretation und das Wissen darüber wieder so unfassbar stimmig erscheinen. Es manifestiert sich das Gefühl, das man manchmal hat, wenn man will, dass im eigenen Leben etwas voran geht und ganz zappelig wird, aber nicht weiß, was man verändern muss oder wie man mit Menschen reden soll, damit sich diese Anspannung löst.

Der Schreibstil in den Erzählungen wirkte für mich manchmal "auf literarisch gemacht", mit kurzen Sätzen, Schnipseln oder manchmal nur Wörtern. Das kann manchmal ganz gut sein, hier überwiegend auch, ab und an war es mir dann aber doch zu gestellt, ohne gestellt zu sein. Ein Paradoxon, das mich etwas im Zwiespalt gelassen hat. Dennoch haben die Erzählungen etwas Besonderes an sich, das mir letztlich gefiel. 

 

 

Sie sagte, du kannst ja wiederkommen, ein Trost, den ich damals nicht begriff. Aber heute, in meinem zweiundfünfzigsten Jahr, begreife ich ihn. Wie lange manche Dinge brauchen, bis sie dich erreichen. 
- "Wir hätten uns alles gesagt", S.86

 

 

Die Figuren wiederum empfand ich während des Lesens als schwierig. Schwierig zu ertragen und schwierig zu fassen. Sie verhalten sich meist so, dass diese Grenze der zwischenmenschlichen Interaktion und Beziehung überschritten wird. Figuren nehmen keine Rücksicht auf den "inneren Safe Space" anderer und verlangen ihnen psychologisch einiges ab. Ein Beispiel war für mich direkt zu Beginn eine Protagonistin, die zum gleichen Therapeuten ihres Freundes gehen möchte und ihn damit wirklich bedrängt. Ihr in dem Moment entstandenes Verlangen, dass diese Situation eintreten muss, stand über allen Empfindungen gegenüber ihrem Partner. Es gab in den anderen Erzählungen ähnliche Situationen, sodass ich manchmal nicht wusste, ob die Intention darin liegt, diese Problematik der fehlenden Reflektion zu thematisieren oder ob die Figuren nicht mehr zeitgemäß handeln und es daher so merkwürdig scheint.
Erstaunlicherweise entstand aber auch in "Wir hätten uns alles gesagt" das Gefühl, dass sich die Autorin selbst in so einem Umfeld bewegt und manche zwischenmenschlichen Feinheiten "übergangen" werden, unter anderem in gewissen Begegnungen mit ihrer Familie oder als sie selbst die ungewöhnliche, private Nähe zu einem Psychoanalytiker sucht.

Für mich also absolut zwei Überraschungsbücher, die mir letztlich viel mehr an Reflektion, Überlegungen und Anerkennung abverlangt haben, als anfangs vermutet. Die persönlichen und intimen Einblicke aus dem Leben der Autorin haben mir dabei geholfen, die Erzählungen besser einordnen zu können, wobei sie auch ohne das Buch ihren Reiz haben.

 

Last but not least... a happy ending

Das Buch von Andrew Sean Greer "Happy End" (im englischen Original: "Less is Lost") ist sozusagen eine Fortsetzung zu seinem Roman "Mister Weniger" (im englischen Original: "Less")

Soweit ich mich an den Vorgänger zurückerinnern kann, hat er mir damals ganz gut gefallen, auch wenn er mich nicht gänzlich mitreißen konnte. Zu meiner Überraschung, war dieses zweite Abenteuer von Arthur Weniger und seinem Lebensgefährten, aber wirklich erfrischend unterhaltsam und gleichzeitig, an genau den richtigen Stellen, schön nachdenklich.
Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass ich mich langweile oder Kapitel überspringen wollte. Man folgt dem Protagonisten gerne auf seiner Lesreise durch die USA und ist von einigen Wendungen zeitlich amüsiert.
Der Erzälhstil hat mir hier ebenfalls sehr gut gefallen. Etwas frech, aber mit viel Gefühl. Irgendwie schien mir der erste Teil da anders gewesen zu sein, vielleicht liegt es aber zu weit zurück, sodass ich dem Vorgänger Unrecht tue.

Letztlich war es eine schöne, kurzweilige Lektüre, die mich gut unterhalten hat und dadurch auch zu einen meiner liebsten Geschichten dieses Jahr zählt. 


 

Diese Bücher aus dem S. Fischer Verlag solltet ihr nicht verpassen

Es erscheinen aber tatsächlich noch weitere interessante Titel in der nächsten Zeit. Hier drei Bücher, die ich empfehlen würde oder auf die ich mich selbst freue:
 
  • "I´m Glad My Mom Died" von Jeanette McCurdy: Die Memoiren habe ich dieses Jahr selbst bereits im Original gelesen und war, trotz des schweren Themas, sehr begeistert. Solltet ihr euch definitiv vormerken. ET: 24.05.23 
  • "Pageboy" von Elliot Page: Diese Memoiren des Schauspielers erscheinen in der englischen und deutschen Ausgabe tatsächlich gleichzeitig. ET. ist der 06.06.23. Bin sehr gespannt auf seine Geschichte!
  • "Gallant" von V. E. Schwab: Eine kurze, aber schöne Geschichte, die mich etwas an "Stranger Things" erinnert hat. Lohnt sich für alle, die Fantasygeschichten mit schönen Illustartionen mögen.  




 

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