"Cleopatra und Frankenstein" von Coco Mellors

November 07, 2023

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Cleopatra and Frankenstein"/ 2022), dt. Übersetzung: Eichborn Verlag 2023, Übersetzer*in: Lisa Kögeböhn (aus dem Englischen), ★★★ 4 Sterne
Ein Silvesterabend in New York: Cleo, Mitte zwanzig, britische Kunststudentin, Bohémienne a.k.a. ewig pleite, trifft Frank, Mitte vierzig, Amerikaner, Inhaber einer Werbeagentur und ungleich gesettleter, im Aufzug einer Partylocation. Es ist die vielbeschworene Liebe auf den ersten Blick. Hals über Kopf stürzen Cleo und Frank sich in eine amour fou, mit der sie selbst kaum Schritt halten können – geschweige denn die, die ihnen nahestehen.
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Er war merklich nervös, seine übliche Souveränität wie weggeblasen. Als er endlich etwas sagte, war es ein einzelner Satz. Wenn deine dunkelste Seite auf meine dunkelste Seite trifft, entsteht Licht. 
- S.57


Besser als Sally Rooney!? Zumindest wird "Cleopatra und Frankenstein" mit den Romanen der beliebten Autorin verglichen. Zwar gibt es durchaus Schnittstellen - Beziehungen, junge Menschen, die ihren Platz in der Welt suchen, "coole" Cliquen - aber allein durch ihre eher knappen Romane, hat Rooney vielleicht etwas die Nase vorne. Denn was mir persönlich bei Mellors nicht so gut gefallen hat, waren die meiner Meinung nach unnötig auserzählten Nebenplots.
Warum mich der Roman zum Schluss dennoch überzeugt hat? Here we go...

Das erste Kapitel habe ich sofort geliebt. Die Stimmung, das Anfangsgespräch zwischen den Protagonist*innen Cleo und Frank, die charmante Auflösung des Buchtitels direkt zu Beginn. Alles hat gepasst.
Doch dann wurde es mit den nächsten paar Kapiteln plötzlich nicht mehr so schön. Wie bereits erwähnt, haben mich die Nebenplots, bis auf Eleanor, wohl am meisten gestört. Für mich waren sie eher unnötige Lückenfüller, die den Freundeskreis einfach nur unheimlich unsympathisch haben wirken lassen. Mir persönlich hätten die Informationen auch in einigen Nebensätzen gereicht.
Zudem habe ich mich anfangs sehr an dem inflationären Konsum von Drogen und Alkohol gestört. Hier muss ich allerdings sagen, dass die Thematik zum Ende hin besser reflektiert und auch kritisiert wird. Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, aber die Suchtproblematik wird durchaus behandelt, wenn auch noch in einem light-modus.

Ab der Mitte wird der Fokus dann wieder verstärkt auf Cleo und Frank gelegt. Zwar weiterhin aus unterschiedlichen Perspektiven und Blickwinkeln, aber wir bekommen eine Ahnung, wie die Beziehung verläuft. Es wird romantisch, tragisch, lustig, traurig und herzzerreißend
Dabei geht der Roman mit allen Aspekten zunächst eher sachlich um. Die Beschreibungen wirken nüchtern. Vielleicht auch, weil beide Figuren, die Entscheidung zusammenzukommen und auch zu bleiben, ebenfalls relativ nüchtern getroffen haben. Dennoch habe ich stets mit beiden mitgefiebert, habe gehofft, dass sie das Glück, das sie suchen, finden werden.



Cleo und Frank waren über den gesamten Roman hinweg für mich wie der Prozess beim Tauziehen. Mal fühlte ich mehr mit ihr, mal mit ihm. Ich war hinundhergerissen. Und das trotz seiner Eskapaden, seiner Probleme und seines (teilweise) unmöglichen Verhaltens. Doch auch Cleo wird zunehmend komplexer als Figur, trifft Entscheidungen, die man nicht wirklich versteht und handelt, als gäbe es für niemanden Konsequenzen. 
Das Magische an dem Roman ist dabei, dass er eben so sachlich und doch ergreifend ist. Zwischen den Zeilen offenbart sich nämlich ein Abgrund, der beide zu verschlingen droht. Und so ist "Cleopatra und Frankenstein" zwar natürlich eine Art Liebesroman, aber auch eine Geschichte über das, was man sich wünscht, aber nicht haben kann. Etwas, ein Glück, das für andere Personen vorgesehen ist. 

Es geht um Beziehungen, die sich heilen, aber ebenso auch schaden können. Es geht um die Hoffnung, etwas reparieren zu können, aber auch um die Akzeptanz, dass nicht immer alles wie im Bilderbuch endet. 
Mit diesem Gefühl und dem Wissen darüber habe ich das Buch geschlossen und danach wirklich einen Seufzer rausgelassen. Denn diese Suche nach Liebe, Geborgenheit und vor allem Familie ist eine stetige, für so viele Menschen auf der Welt. Und dieser Roman bringt dies letztendlich wirklich gut rüber.



Man konnte noch so talentiert, engagiert und beharrlich sein, man konnte noch so viel Glück haben und trotzdem keinen Erfolg oder, wenn doch, nicht dauerhaft. Wie furchtbar demotivierend es war, niemals etwas zu erreichen, was deinem Talent entsprach, niemals angemessen für deine Mühen bezahlt zu werden. 
- S.490


Fazit

Anfangs noch eher durch - für mich- unnötige Nebenplots gebremst, entpuppte sich der Roman für mich zum Ende hin zu einer wirklich gefühlvollen Geschichte, die viel bereithält. Zwar werden einige schwierige Inhalte eher schwächer kritisiert, aber sie sind ein wichtiger Teil der Reflektion und Aufarbeitung problematischen Verhaltens.
Insgesamt werde ich Cleo und Frank doch vermissen. Und auch beim Tippen der Rezension, merke ich, dass sie mich zum Schluss mehr berührt haben, als ich anfangs vermutet habe. Um zum Anfang zurückzukommen: Besser als Sally Rooney? Ich würde sagen, ähnlich, aber doch eigen. Eine Serienadaption, wie von "Normal People" könnte ich mir hier aber ebenfalls gut vorstellen.




2 Kommentare:

  1. Sehr schöne Fotos und ein sehr interessantes Buch, das auf meine Wunschliste wandert.

    Zeilentänzerin

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    1. Bin gespannt, wie es dir gefallen wird, falls es bei dir einzieht! :)

      Liebe Grüße
      Karin

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