Men Without Women von Haruki Murakami

Januar 31, 2018







(Original: "Omna no inai Otokotachi"/ 2014) Harvill Secker, Übersetzer/in: Philip Gabriel und Ted Goosen (aus dem Japanischen), Englische Ausgabe, ★★★(☆)☆ 3 bis 4 Sterne

Durch alle sieben Erzählungen zieht sich eine Kraft der Beobachtungsgabe, die sich auf das Leben verschiedener Männer bezieht und die alle auf ihr eigene Art und Weise, alleine dastehen. Katzen verschwinden, verrauchte Bars werden besucht, es geht um einsame Herzen und mysteriöse Frauen und alles zusammen ist zu etwas verwoben, um Geschichten zu erzählen, die zu uns allen sprechen.

MEINE MEINUNG / FAZIT

"'Words, they felt, could only cheapen the emotions they were feeling.” S.19
Mit diesen sieben Erzählungen wagte ich mich in die Welt des Herrn Murakami. Zugegeben, er wird eher für seine Romane gelobt, als für seine Erzählungen - zumindest fühlt es sich so an -, aber ich wollte mich mit kleinen Schritten an seine Bücher, Ideen und Geschichten annähern.
'Men Without Women' versammelt hier Erzählungen, die tatsächlich auch in eine ähnliche Richtung gelenkt werden, nämlich, dass man sich vor Protagonisten wiederfindet, welche die An- oder Abwesenheit von einer bestimmten Frau oder Frauen im Allgemeinen thematisieren. Die Beziehung zwischen Männern und Frauen steht immer im Fokus. Körperliche Begierden, aber auch die seelische Verbundenheit spielen eine entschiedene Rolle. Zudem regt der Konflikt mit dem anderen Geschlecht auch stets den eigenen seelischen Haushalt der Protagonisten an. Man findet viele psychologische Ansätze wieder, die so bitter sie sich manchmal anhören oder lesen, eine gewisse Ironie in sich tragen. Manchmal viel mir beim Lesen das Wort 'tragisch-schön' zu den Erzählungen ein, weil sie immer etwas Sensibles in sich tragen, was man auf den ersten Blick als offensichtlich und schmerzlich einstuft, was sich aber darunter auch als etwas sehr Zartes enthüllt.
Ich persönlich bin nicht mit allen Geschichten warm geworden. Oder anders gesagt, mit bestimmten Bausteinen der Geschichten.

"I left the coffee shop, and as I walked to the station I wondered what the hell I was doing. Brooding over how things had turned out - after everything had already been decided - was another of my chronic problems.” S.58

Das 'Problem', welches ich mit einigen Stellen hatte, war, dass ich mich mit vielem noch gar nicht identifizieren konnte. Ich hatte das Gefühl, dass auch wenn Jugendlieben thematisiert werden, es immer diesen Anschein von bereits gelebten Wegen gab, Erfahrungen, die mich in meiner jetzigen Lebenssituation auch noch gar nicht beeinflusst haben.
Besonders stark trat das bei den Erzählungen rund um gescheiterte Ehen oder Ähnlichem auf. Grundsätzlich fand ich auch diese Lebenswege sehr interessant beschrieben und auch viele allgemein gültige Aussagen über das Leben wurden in diesen Kapiteln sehr schön ausgelegt, aber ich konnte irgendwann auch nichts mit den vielen sexuellen Anspielungen anfangen. 
Es hatte manchmal den Eindruck von einem männlichen Erzähler, der diese Sache so in den Vordergrund stellt, dass ich manchmal mit den Augen rollen musste. Selbst die letzte Erzählung "Samsa in love", die ich eigentlich grandios fand, hat sich irgendwann in diese Richtung gelenkt und mit Formulierungen gespielt, die mir einfach zu viel waren. Das ist eine sehr persönliche Sichtweise, aber ich muss sowas einfach nicht ständig und in jeder Geschichte haben, wenn es Billionen von anderen interessanten und erzählenswerten Dingen gibt, die mit der Liebe und dem Leben zusammenhängen.
Dennoch muss ich sagen, dass ich von den Ideen Murakamis sehr angetan bin. Darunter fällt auch die eben erwähnte Geschichte rund um Gregor Samsa, der sich über seine menschliche Gestalt wundert. Ebenso gefielen mir auch generell die vielen Auslegungen der Gefühle, die Menschen haben, wenn ihnen etwas / jemand fehlt oder 'genommen wird'. Wie reagieren Menschen auf so etwas und wie zerstörerisch kann ein seelischer Betrug sein?

„Why hadn´t he been turned into a fish? Or a sunflower? A fish or a sunflower made sense. More sense, anyway, than this creature, Gregor Samsa. There was no other way to look at it.” S.189


Sieben sehr interessante und kreative Erzählungen, die sich alle mit den menschlichen Beziehungen beschäftigen. Mal etwas skurriler, mal etwas leiser, aber immer irgendwie mitreißend. Auch wenn mir die vielen, auf die sexuelle Ebene gelenkten Passagen nicht gefallen haben, weil es mir 'zu viel' und sogar manchmal zu unnötig und dadurch zu banal erschien, enthält jede Geschichte wunderbare Zitate, die sich auf das Leben und die Liebe beziehen und die man sich gerne mal zu Herzen nehmen kann.

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Neu eingezogen: Sammlerstücke, etwas fürs Herz und Erzählungen

Januar 27, 2018









Nach einigen Jahren der Bücherleidenschaft entwickelt man ebenfalls eine Liebe zu bestimmten Ausgaben, bestimmten Verlagen oder generell Autoren. Bei mir war es anfangs so, dass ich eigentlich wahllos alles lesen wollte, was ich kriegen konnte. Ausgaben waren mir erst mal völlig egal. 
Mittlerweile muss ich mich aber manchmal etwas zurückhalten, wenn es darum geht, bestimmte Sammlungen vervollständigen zu wollen, denn es gibt tatsächlich viel zu viele. Viele kennen sicherlich auch die zahlreichen Reihen des Penguin Verlag, da kann man sich meist kaum für eine Umsetzung der Klassiker entscheiden. Daher sind auch dieses Mal zwei Bücher aus den Penguin Classics Reihen hinzugekommen, sowie eines aus dem Folio Society Verlag. Letzterer hatte nämlich einen Wintersale, den ich mir nicht entgehen lassen konnte. Welche Bücher generell eingezogen sind und warum, erfahrt ihr im Folgenden:

  • "The Woman in White" von Wilkie Collins (Penguin Clothbound Classics): Den Grund des Kaufs habe ich euch quasi bereits in der Einleitung genannt. Die Bücher sind einfach ein Hingucker und gleichzeitig Klassiker, die es sich (fast) immer lohnt zu lesen. Da es ein eher 'düsteres' Buch sein soll, werde ich es mir vielleicht für den Herbst aufheben.
  • "The Life & Opinion of Tristam Shandy" von Laurence Sterne (Penguin English Library Classics): Auch hier gehört das Buch einer speziellen Reihe an. Gehört habe ich davon bisher recht wenig, daher bin ich sehr gespannt, wie es mir letztlich gefallen wird.
  • "The Darling Buds of May" (The Pop Larkin Chronicles #1) von H.E. Bates (The Folio Society): Da die Bücher normal eher nicht immer für Studenten erschwinglich sind, freue ich mich immer, wenn der Verlag seinen Sale beginnt. Da kann man dann durchaus das ein oder andere Buch erstehen, ohne ein allzu schlechtes Gewissen zu bekommen. Dieses Buch sprüht so voller Sommerlaune, dass ich es wahrscheinlich auch dann lesen werde. Mich hat überrascht, dass das Buch als Serie verfilmt wurde. Das ging vollkommen an mir vorbei, vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Erstveröffentlichung im Fernsehen 1991 ausgestrahlt wurde und dies gleichzeitig mein Geburtsjahr ist. Irgendwie kann ich mir das dann doch verzeihen...
  • "The Early Stories of Truman Capote" von Truman Capote (Penguin Classics): Geplant war es eigentlich nicht, dass dieses Buch bei mir einzieht, allerdings ist es derzeit beinahe auf allen Portalen sehr günstig zu erstehen. Und obwohl ich eigentlich gezielter und bewusste Bücher kaufen wollte, konnte ich hier nicht widerstehen, denn Truman Capotes Bücher haben mir bisher gut gefallen und vielleicht packt mich dann auch endlich die Motivation, sein Buch "In Cold Blood / Kaltblütig" zu lesen, das schon sehr lange auf meiner Wunschliste steht, zu lesen.
  • "Men Without Women" von Haruki Murakami (Harvell Secker / Imprint von Penguin Randomhouse): Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich die letzte Person bin, die noch nie etwas von Murakami gelesen hat. Es wurde tatsächlich mal Zeit dies zu ändern, daher durfte zu Beginn ein Erzählband von ihm bei mir einziehen. Das Buch ist mir letztens auf dem Instagramprofil des Verlags aufgefallen und was soll ich sagen, auch hier habe ich mich direkt in das Cover verliebt. Ich bin gespannt, ob der Inhalt ebenso schön zu lesen sein wird.
  • "The Secrets of Happiness" von Lucy Diamond (Macmillan): Nach etwas längerer Zeit habe ich wieder richtig Lust auf Geschichten fürs Herz. Passend erschien mir hier dieses Buch, da Lucy Diamond scheinbar bekannt dafür ist herzerwärmende Geschichten zu schreiben. Ich hoffe allerdings natürlich wie immer, dass der Kitsch nicht übergreifend vorkommen wird.
  • "The Little Paris Bookshop" von Nina George (Abacus): Gleicher Grund für den Kauf, wie bei "The Secrets of Happiness". Zudem taucht das Wort 'Bookshop' schon im Titel auf. Hört sich also vielversprechend an.

Gibt es Reihen bestimmter Verlage, die ihr gerne vervollständigen wollt? Habt ihr schon etwas von Murakami gelesen und könnt weitere Bücher empfehlen, die man unbedingt lesen sollte?




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"Faery Tales" von Carol Ann Duffy

Januar 26, 2018

(Original: "Faery Tales"/ 2014 - Enthaltene Märchen allerdings auch aus früheren veröffentlichten Büchern entnommen) Faber & Faber, mit Illustrationen von Tomislav Tomic, Übersetzer/in: -,  Englische Ausgabe, ★★(★) 3 bis 4 Sterne
Entdecke weit entfernte Länder von Hexen, teuflischen Monstern und tapferen Helden in dieser Ausgabe von Carol Ann Duffy. Die Autorin stellt hier eine Sammlung an bereits bekannten Märchen zusammen, ergänzt diese aber auch durch Neuinterpretation zum Beispiel von "Hänsel und Gretel" und "Schneewittchen". Außerdem lassen sich hier einige ihrer eigenen Geschichten finden, die bereits in anderen Erzähl-/Märchenbänden veröffentlicht wurden.


MEINE MEINUNG / FAZIT

"'Take these scissors and cut the shadow from the first young person you find asleep. Then you must snip off your own shadow and throw it over the young person without waking them. Their youth will be yours at once and they will be as old as you are now.” S.97

Ich liebe Märchen, Märchenadaptionen oder alles, was damit zusammenhängt. Ja, sie sind eine Flucht in eine andere Welt und sind meist kitschig oder im Gegenteil brutal, wenn man Grimms Originalfassungen hinzuzieht. Aber in Märchen ist alles möglich, nichts scheint vor der Unmöglichkeit zurückzuschrecken. Man kann gegessen werden und trotzdem noch leben, wenn man nur den Bauch desjenigen aufschneidet, der einen verspeist hat, es gibt zauberhafte Gegenstände, die einem unendlich viel Essen auf den Tisch zaubern und es gibt Gestalten, die trotz fieser Bösewichte immer noch gutherzig sind und einem aus der Notsituation heraushelfen.
Auf diese und viele andere ähnliche Situationen und Figuren trifft man auch in Carol Ann Duffy 'Sammelalbum der Märchen'. Einige kennt man bereits, andere sind etwas umgeschrieben worden und wiederum andere sind neu, solange man sie nicht aus anderen Büchern der Autorin kennt. Das Buch vereint nämlich alle bisherigen Veröffentlichungen, die Duffy in Zusammenhang mit Märchen herausgebracht hat.
Perfekt also für Leser, die bisher noch nicht in Berührung damit gekommen sind.

"Then they were all unbelievably happy for ever, because until you´ve tasted bitterness, you do not know what sweetness is.”S.132

Was den Inhalt des Buches angeht, so bin ich letztlich etwas zwiegespalten. Die Illustrationen sind wunderbar atmosphärisch und passen sich den Geschichten sehr gut an.
Diejenigen Märchen, die man bereits kennt, sind hier in einer Kurfassung wiedergegeben. Das viel mir besonders stark bei "The Beauty and the Beast" auf. Die Originalgeschichte ist natürlich deutlich länger und würde den Rahmen sprengen, würde man sie in allen Einzelheiten wiedergeben, allerdings war mir diese Fassung hier deutlich zu kurz. Als Überblick über das Märchen ist es ganz nett, auch wenn man die Geschichte vielleicht schon in ihrer Ursprungsform kennt. Möchte man allerdings tatsächlich viel von den Originalmärchen mitnehmen, ist diese Ausgabe dafür nicht ganz geeignet.
Andere Märchen wiederum, wie zum Beispiel die Erzählung von Hans Christian Andersen, "Des Kaisers neue Kleider" (hier: "The Emperor´s New Clothes) sind perfekt für die Art, wie Duffy die Geschichten auslegt. Diese sind nämlich auch im Original nicht zu lang und so geht auch nicht allzu viel von der 'Magie' und dem Witz verloren. 
Die Auswahl der enthaltenen Märchen fand ich relativ geglückt. Sie sind unterhaltsam, sorgen oftmals trotzdem noch für Spannung und sind perfekt für eine Prise Verträumtheit vor dem Schlafengehen.
Dennoch gab es da einige Geschichten, die sich wirklich sehr stark geähnelt haben, in einigen Fällen wurden auch nur kleine Änderungen vorgenommen, sodass man manchmal das Gefühl hat, dass man dieselbe Geschichte einfach noch einmal liest. 
Trotzdem verspürt man beim Lesen ein motivierendes Gefühl, weil natürlich darauf abgezielt wird, dass schlechtes Benehmen beziehungsweise zu starker Egoismus keinen voranbringt. So sorgen die Geschichten auch dafür, dass man mit dem Gedanken hinausgeht, dass gute Taten belohnt werden und man immer an den eigenen Träumen festhalten soll, auch wenn dein Gegenüber mit schlechten Absichten versucht, dich davon abzubringen.

„Suddenly the rat knew exactly what to do. He would write his own Happy Endings on the night! He wrote in the air and every word shone out in perfect golden handwriting.” S.171


Ein Buch mit märchenhaften Ausflügen zu den verschiedensten Orten, Menschen und Tieren, die alle mit den typischen magischen Handlungen spielen. Bereits bekannte Märchen werden hier kurz 'neu' aufgegriffen, manchmal gelungen, manchmal meiner Meinung nach zu oberflächlich, wenn man die Geschichte noch nicht in ihrer Originalform kennt. Die neuen und neuinterpretierten Märchen fand ich hingegen wirklich geglückt. Alles in allem ein angenehmes Sammelbuch rund um die verschiedenen Wesen der Märchenwelt und die Möglichkeiten, welche diese bereithält.


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"Zeit muss enden" von Aldous Huxley

Januar 22, 2018

Werbung Rezensionsexemplar (Original: "Time must have a stop."/ 1945) Piper, Übersetzer/in: Herberth E. Herlitschka (aus dem Englischen), ★★(☆) 3 bis 4 Sterne
"Als Sebastian Barnack zu einer festlichen Party eingeladen wird, gerät er in Verlegenheit, denn er besitzt keinen Abendanzug. Sein Vater, überzeugter Sozialist, weigert sich ihm dieses bürgerliche Klassen- und Statussymbol zu kaufen. An Sebastians Versuchen, dieses Kleidungsstückes habhaft zu werden, knüpfen sich Schuld und Verbrechen, die ihn schließlich erkennen lassen, dass nichts, was man tut ohne Konsequenzen bleibt ...“


MEINE MEINUNG / FAZIT

"'Kein Anlass zur Dankbarkeit', sagte er. 'Wenn ich im Who´s Who? stünde, wo ich aber nicht stehe, würdest du sehen, dass meine liebste Erholung >meinen Bruder ärgern< ist.' Sie lachten miteinander - zwei zum Boshaftsein Verschworene.“  S.125

Sich eine Meinung über ein Buch zu bilden, von dem man vor Beginn angenommen hat, dass man es sicherlich sehr mögen wird und sich das Gefühl dann etwas abmildert, fällt mir manchmal noch recht schwer. 
Nach Beenden von "Zeit muss enden" hielt sich dieses Empfinden an mir fest, denn einerseits mochte ich viele Stellen daraus sehr, andererseits musste ich bei einigen Passagen wirklich überlegen, was ich mit ihnen anfangen soll und ob ich sie überhaupt ernstnehmen soll.
Letzteres hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich mir oftmals gar nicht sicher war, ob der Erzähler vieles selbst ernstnimmt. 
Der Roman beginnt sehr poetisch, sehr überlegt, ja sogar auch idyllisch. Ein junger Protagonist wird uns vorgestellt, der eine Liebe zu Gedichten und zum Gedichteschreiben hegt. Und dennoch konnte ich das Gefühl nicht loswerden, dass diese Gedichtpassagen reine Illusion waren, reine Heuchelei und Spielerei, wenn nicht sogar unnötiges Geschwafel, welches sich auch die Charaktere immer wieder schön geredet haben. Vieles erschien mir in dem Zusammenhang auch so, dass die Charaktere sich alle selbst nur reden hören wollen und keine Bezüge untereinander herstellen möchten. Jeder hat seine Ansichten und möchte sein Gegenüber danach formen.
Sicherlich beabsichtigte der Erzähler eine gewisse provokante Darstellung der Lebensweisen, da der Roman den jungen Sebastian damit in Verbindung setzt, dass er nur nach einem Anzug für eine Party strebe und dafür anscheinend am liebsten über Leichen gehen würde.
Daraus entspinnt sich eine wirklich wirkungsvolle Kette von Ereignissen, die sich spannend liest, bei der man aber auch die Figur Sebastians stark und kritisch hinterfragt.

"Geschwätz, Tagträumen, Beschäftigung mit den eigenen Stimmungen und Gefühlen - sie sind alle verhängnisvoll für das Leben im Geiste. Unter anderem aber ist sogar das beste Theaterstück oder der beste Roman nur verherrlichtes Geschwätz und künstlerisch gebändigtes Tagträumen."  S.316

Anfangs und sogar auch zum Schluss bildet diese Absicht einen gelungenen Rahmen, welcher für manchmal wirre Dialoge und Verhaltensweisen sorgt, sodass auch die Begegnungen mit Sebastians Familie und insbesondere seinem Onkel gewisse Reize bekommen.
Der Roman thematisiert die Lebensweise der Reichen und dem Streben der jungen Menschen nach diesen angeblichen 'Schätzen', die es zu besitzen gibt, wie eben in diesem Fall den Anzug, der dem Protagonisten alle Türen zu den gesellschaftlichen Erfolgen eröffnen würde. 
Allerdings gab es immer mal wieder einige Kapitel, die für mich so aus dem Rahmen fielen und die sich so stark wiederholten, dass sich mir der Spaß und auch das Interesse an den ernst gemeinten Ansätzen entzogen haben. Dies trat vor allem in den Kapitel auf, die sich mit der 'Gefühlsansicht' des Onkels befassen. Sie treten zwar nicht unverhältnismäßig häufig auch und auch die Intention dahinter ist sicherlich auf eine bestimmte Art und Weise lesenswert, aber der Effekt, dass der Leser 'am Ball bleibt' wurde bei mir zumindest verfehlt.
Ebenso bildete zum Schluss eine Folge von plötzlichen Geschehnissen ein so merkwürdiges Ende, mit eingeschlossen den irgendwie eingeschobenen Epilog, der sich plötzlich mit der Beziehung von Sebastian und seinem Vater befasst, dass ich das Gefühl hatte, dass es wiederum an einigen Kapiteln gefehlt hat, die diese Entwicklung gezielter aufgreifen. Nichtsdestotrotz enthält der Roman viele Überlegungen, die wirklich Potential haben und die auch im Großen und Ganzen als Geschichte gut funktionieren.


Hat durchaus seine Stärken, wenn es darum geht Überlegungen des Alltags und des Lebens an sich aufzugreifen. Die Frage nach der Wichtigkeit materieller Besitztümer wird in den Fokus gerückt und sorgt auch an der einen oder anderen Stelle für humorvolle Stellen, die einen aber auch den Kopf schütteln lassen. Der junge Protagonist ist sicherlich ein gelungener Anhaltspunkt um die positiven und negativen Seiten des Strebens nach Geld und Ansehen aufzuzeigen, dennoch gab es einige Kapitel und Passagen, die mich den Roman nicht so haben genießen lassen, wie ich es mir anfangs erhofft hatte.




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The Hundred and One Dalmatians von Dodie Smith

Januar 15, 2018










(Original: "The Hundred and One Dalmatians"/ 1956) Egmont UK, Übersetzer/in: -, Englische Ausgabe, ★★ 5 Sterne
Cruella de Vil ist der Grund warum sich die kleinen Dalmatiner mit ihren schwarzen Flecken ängstigen. Als sie diese stiehlt, um sich aus ihnen einen Pelzmantel nähen zu lassen, begeben sich die Eltern der Welpen auf eine Rettungsaktion. Werden sie die Welpen finden bevor es zu spät ist?


MEINE MEINUNG / FAZIT


"Like many other much-loved humans, they believed that they owned their dogs, instead of realizing that their dogs owned them.” S.9

Disney hat mit seinen Zeichentrickverfilmungen, gewisse Buchvorlagen deutlich geprägt. Auch die Geschichte rund um die pfiffigen ‚101 Dalmatiner‘ kennt man nur zu gut. Die Vorlage für diesen Disney-Erfolg als Zeichentrick und die folgende Real-Verfilmung, schuf die Autorin Dodie Smith.
Da diese Geschichte ein Abenteuer aufgreift, das sich mit kleinen Hundewelpen befasst, kann man davon ausgehen, dass sich viele Kinder- und Jugendbuchelemente darin wiederfinden.
Tatsächlich merkt man recht schnell, dass sich die Geschichte nicht mit vielen unnötigen Informationen beschäftigt. Alles wird recht zügig erklärt, sodass man auch sofort in die Geschichte einsteigt.
Hier und da einige Sätze zur Vorgeschichte, ansonsten reichen aber auch wenige Worte aus, um alles Restliche und Nötige zu transportieren. Das heißt aber eben auch, dass die Geschichte trotzdem wunderbar funktioniert. Sie entwickelt dadurch etwas Verspieltes, Süßes, auch manchmal Naives, aber immer auch etwas Herzliches.

"Both brothers looked very dirty. ‘They never change their awful old clothes’, whispered Lucky, ‘and they never wash. I don´t think they are real humans, Father. Is there such a thing as a half-human?’”S.167

Auch wenn den meisten das Schicksal der Dalmatiner bereits bekannt ist, finde ich das Buch sehr lesenswert. Es ist wunderbar, um sich für einige Stunden zurückzuziehen und einfach eine unterhaltsame Geschichte zu lesen, die aber auch damit spielt, dass man sich vor Augen hält, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen an dem Menschen eher unverständlich sind. Warum sieht sich der Mensch immer als das Nonplusultra an? Wieso muss er immer alles an sich anreißen und dabei Tiere verletzen? Letztes spielt natürlich gezielt und recht deutlich auf die Figur der Cruella de Vil an, die alle möglichen Tiere umbringen möchte, um ihre Pelzmäntel tragen zu können.
Auch wenn es den Status eines Kinderbuchs hat, greift es spielerisch Dinge auf, die man manchmal zu schnell vergisst und an die man sich vielleicht öfters mal erinnern sollte. Zudem ergreift einen am Ende so ein herzliches und familiäres Gefühl, weil die Figuren untereinander, also in der Familie der Dearlys und deren Hunden, die pure Liebe eingebunden wird.
Hinzu kommen wunderbar amüsante Passagen, man denen man grinsen muss, weil zum Beispiel die Kommunikation der Tiere herrlich inszeniert wird.

„Dogs can never speak the language of humans and humans can never speak the language of dogs. But many dogs can understand almost every word humans say, while humans seldom learn to recognize more than half a dozen bark, if that.” S. 85


Wunderbar herzliche, lustige, unterhaltsame, spannende und liebevolle Geschichte rund um eine Gruppe von Dalmatinern und Menschen, die trotz ihrer Unterschiede eine geschlossene Familie bilden. Es wird wunderbar aufgezeigt, was Liebe bewirken kann und wie furchtbar falsch es ist, als Mensch anzunehmen, dass man schlauer ist als alle anderen Lebewesen. Und obwohl es ein Kinderbuch ist, welches auch auf süße Momente setzt, thematisiert es gekonnt auch die Problematik mit dem Tragen und Produzieren von Pelz und der Gier.



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Sleep No More von P.D. James

Januar 10, 2018



(Original: "Sleep No More"/ 2017 - Die einzelnen Erzählungen jeweils von 1973-1996) Faber & Faber Übersetzer/in: -, Englische Ausgabe, ★★★★★ 5 Sterne
Sechs mörderische Erzählungen, die nun erstmals alle in einem Band vorliegen. Im Herzen aller Erzählungen findet sich zudem immer wieder das Motiv der Rache, die in vielen Protagonisten schlummert.
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"Whatever you know, or think you know, of Ilsa Mancelli, you wont´t have heard about me. The publicity machine has decreed that I be nameless, faceless, unremembered, that I no longer exist." S.30

Als "Queen of Crime" war mir bisher immer nur Agatha Christie bekannt. Allerdings wird auch die Autorin P.D. James des Öfteren so betitelt. In diesem Band lassen sich sechs Erzählungen finden, die alle in diese Richtung zur Kriminalgeschichte gehen. Tatsächlich könnte man durchaus annehmen, dass beide Autorinnen einen ähnlichen Stil verkörperten, da es schließlich um ein gemeinsames Genre geht, dennoch empfand ich diese kurzen Erzählungen deutlich fokussierter und spezieller, als Christies Romane rund um Poirot und Miss Marple.
Die Erzählungen werden als perfekte Weihnachtskrimi-Lektüre deklariert, da es bereits vorher schon einen Sammelband mit dem Titel "The Mistletoe Murder" gab. Meiner Meinung nach kann man dieses Buch aber wirklich zu jeder Jahreszeit lesen, vielleicht aber doch nicht gerade im Hochsommer, sondern an wenigstens verregneten Tagen, damit sich die Stimmung 'entfalten' kann.
Schließlich spielen alle Geschichten an eher düsteren, regnerischen, windigen oder nebligen Tagen. Es geht oftmals um zwiespältige Gemüter, Figuren, die sich hin- und hergerissen fühlen. Andere wiederum verkörpern einen ausgeprägten Wunsch nach Rache und möchten diese in die Tat umsetzen. Dabei verspürt man als Leser immer eine leichte Gänsehaut, weil die Erzähler es schaffen, das Geschehene so zu erzählen, dass am Ende immer ein gewisses, prickelndes Entsetzen zurückbleibt. Man ist erschrocken und doch ziehen die Figuren einen in den Bann, vielleicht gerade weil sie so normal wirken und dennoch falsch handeln.

"There is one thing I shall never forget. The blood must have been red, what other colour could it have been? But, at the time and forever afterwards, I saw it as a golden stream."  S.48

Erzählt werden die Geschichten von den jeweiligen Tätern oder Betroffenen, sodass sie etwas sehr Persönliches enthalten. Dass die Figuren Täter sind, ist hier meist kein großes Geheimnis, da diese Fakten meist direkt zu Beginn jeder Geschichte erwähnt werden. Es geht hier daher nicht überwiegend darum, den Täter zu finden, sondern darum, dass man versucht den Figuren ihre Handlungen nachzuempfinden oder zu empfinden, was sie bei beobachteten Handlungen erlebt und gefühlt haben.
Dabei wird aber trotzdem nicht an der Spannung gespart. Obwohl vieles offen gelegt wird, gibt es die eine oder andere Erzählung die sich am Ende zu einem wahren Gedankensturm entwickelt. Manchmal gibt es Wendungen, die man nicht erwartet hätte, manchmal ist man einfach nur perplex, wie gut gewisse Andeutungen in den Erzählungen funktionieren, die einen wieder zurückblättern lassen. So ist es mir zum Beispiel mit der letzten Erzählung Mr. Millcrofts Birthday ergangen.
Insgesamt gefielen mir alle Geschichten sehr gut, vier haben mich aber besonders gepackt, nämlich The Victim, The Girl Who Loved Graveyards, A Very Desirable Residence und eben Mr. Millcrofts Birthday. Bei allen gab es bestimmte Motive, die sich während der gesamten Handlung gut entfaltet haben und die einfach ein stimmiges, spannendes und interessantes Ganzes ergeben haben.
Zudem schafft P.D. James es, dass ihre Erzähler eine faszinierende Wirkung auf mich haben, da sie ihre eigenen Handlungen auf eine bestimmte Weise reflektieren, die alles noch kurioser erscheinen lässt. Dennoch gibt es immer mal wieder Passagen, die mit Ironie und einem ganz bestimmten Humor gefüllt sind, welche einen wunderbar unterhalten.


Sechs kurze, aber prägnante Erzählungen, die sich alle mit Kriminalfällen auseinandersetzen. Gelungen sind hier die Erzählperspektiven und die sehr eigenen charakteristischen Eigenschaften der Protagonisten. Insgesamt scheint jede Geschichte sehr einzigartig und setzt sich mit anderen Aspekten von Missverständnis und Rache auseinander. So düster es zuerst klingen mag, entwickeln die Erzählungen immer eine unterschwellige Ironie, die auf zwei Weisen funktioniert; man fühlt sich gut unterhalten, verspürt aber gleichzeitig das Gefühl von besonderer Raffinesse und man denkt gleichzeitig intensiver über die Absichten und Entwicklungen der Figuren nach.


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Lincoln in the Bardo von George Saunders

Januar 09, 2018









(Original: "Lincoln in the Bardo"/ 2017) Bloomsbury Publishing, Übersetzer/in: -, Englische Ausgabe, ★★ 4 Sterne
Februar 1862. Der amerikanische Bürgerkrieg tobt, als der elfjährige Sohn des Präsidenten Abraham Lincoln ein schlimmes Fieber befällt. Einige Tage später verstirbt er und wird auf einem Friedhof in Georgetown beigesetzt. Zeitungen berichten, dass der trauernde Präsident mehrere Male an das Grab seines Sohns zurückkehrt, um seinen Körper zu halten.
Willie Lincoln findet sich selbst indessen in einem Zwischenraum wieder, welcher sich in der tibetanischen Kultur - Bardo - nennt.
Angelehnt an diese historisch belegten Fakten, spinnt George Saunders eine unvergessliche Geschichte rund um die Liebe, Familie und das Gefühl des Verlusts.

MEINE MEINUNG / FAZIT

"'All were silent.      - roger bevins iii

         As the man continued to gently rock his child.        - the reverend everly thomas" S.59

George Saunders erhielt für diesen Roman bereits den Man Booker Prize 2017 und auch sonst wird überwiegend lobend über das Buch gesprochen. Es mag also vielleicht nicht gerade überraschen, dass auch ich mich nicht mehr davon losreißen konnte und es unbedingt lesen wollte.
Vielleicht hing das mit dem sehr emotionalen Thema zusammen, welches den Leitfaden bildet. Denn alles dreht sich um den Verlust des kleinen Willie Lincoln und die Trauer die Abraham Lincoln damit zuteilwurde.
Auffällig ist bereits zu Beginn der doch recht ungewöhnliche Schreibstil und die Darstellung des Gesagten. Es gibt keinen fließenden Text, wie man es sonst von Romanen gewöhnt ist, sondern die Geschichte wird durch Figuren erzählt, die sich dauernd unterbrechen oder aber auch ergänzen. Um dabei nicht komplett den Faden zu verlieren, kennzeichnet der Autor dies immer mit dem jeweiligen Namen direkt unter der Äußerung (siehe auch erstes Zitat).
Zudem war ich auch etwas verblüfft darüber, dass Willie Lincoln und Abraham Lincoln selbst gar nicht so vordergründig präsent sind, wie ich es anfangs angenommen habe, denn schließlich dreht sich laut Klappentext alles um diesen Moment des Todes und der Verarbeitung des Todes von Willie Lincoln. Dennoch halten sich diese Figuren recht zurück, was die Interaktion angeht oder generell die Äußerungen. Einerseits fand ich es etwas 'schade', weil man wissen wollte, wie George Saunders mit diesem historisch emotionalen Ereignis umgeht und es darstellt, andererseits muss man sagen, dass es dadurch respektvoll wirkte. Er hat in dem Sinne keine Grenzen überschritten, an denen man vielleicht sagen würde, dass dort die Fiktion zu stark ausgeprägt wäre und man so das Andenken an das Kind oder den Präsidenten herunterspielen würde.

"Then father touched his head to mine. Dear boy, he said, I will come again. That is a promise.        -willie lincolnS.62

Dennoch gab es, meiner Meinung nach, einige wirklich schöne Passagen, die natürlich traurig waren, die aber immer durch einen Hoffnungsschimmer begleitet wurden. Auch wenn es um den Tod geht und um die Dinge, die man falsch gemacht hat, geht es um die Chance und die Einsicht, dass man diese Dinge reflektiert, akzeptiert und dennoch versucht mit sich ins Reine zu kommen.
Zusätzlich zu der Hauptgeschichte rund um den Präsidentensohn und diesen Moment, an dem sein Vater das Grab erneut aufsucht, gibt es nämlich noch viele Figuren, welche das Buch vervollständigen und so eine weiterführende Botschaft an den Leser senden. Einige Figuren treten relativ konstant und über einen längeren Zeitraum auf, sodass man sich an sie gewöhnt und ihren Schicksalen ebenfalls lauschen kann, andere wiederum sind sehr flüchtig und hinterlassen noch einen Nebel, der ein gewisses Bündnis festigt.
An der ein oder anderen Stelle erschien mir dieses Aufeinandertreffen etwas zu losgelöst, da sie nur kurz erwähnt werden und plötzlich keine Rolle zu spielen scheinen. Vielleicht erschien es mir aber auch nur so, da mir diese Gesprächsdialoge manchmal zu chaotisch wirkten.
Was ich allerdings neben diesen Kapiteln, in denen Saunders seiner Fiktion freien Lauf lässt gut gelungen fand, waren die Kapitel, die literarische Sekundärquellen aufgreifen. Nicht alle konnte ich ganz zurückverfolgen und bestätigen, dass es sie alle wirklich gab, aber viele Bücher und Zitate die er rund um diese traurigen Tage der Familie Lincoln anbringt gibt es so zu finden. Das sorgte bei mir immer mal wieder für leichte Gänsehaut, weil die darauf folgenden fiktionalen Elemente gar nicht so weit weg erschienen.
Aber auch die Thematisierung des Krieges und die Verantwortung des Präsidenten werden in dem Buch aufgegriffen. Manchmal schien es mir auch hier etwas zu überladen, weil versucht wurde tatsächlich alles mit einzubauen, aber am Ende passt alles doch so zusammen, dass man dem Buch eine absolute Faszination zusprechen muss. Es bleibt teilweise historisch belegt, greift übernatürliche Elemente auf und verpackt dies alles so, dass man verspannt weiterblättert. Auch wenn ich mir manchmal größere Passagen rund um Willie und seine persönlichen Empfindungen gewünscht hätte, bildet dieser Teil einen wunderbaren Rahmen um auch die vielen anderen Figuren zu würdigen und das Hauptmerkmal darauf zu legen, worauf das Buch eigentlich hinaus möchte. Nämlich sich die Frage zu stellen, wie wir unsere Lieben würdigen und ob diese Liebe wirklich oder überhaupt durch den Tod begrenzt sein kann.

"Tell them we are tired of being nothing, and doing nothing, and matter not at all to anyone, and living in a state of constant fear, the Reverend said.S.260


Ein überwiegend fiktionaler Roman, der übernatürliche Elemente aufgreift, der aber auch passende und gezielte historisch belegte Zitate aufführt und so zu einem besonderen Leseereignis wird.
Gefühlvoll, emotional und gleichzeitig paradoxerweise an einigen Stellen sehr rabiat und mit Ironie unterlegt. Das liegt vor allem an einigen Charakteren, auf die der junge Willie Lincoln trifft.
Befasst sich zudem auch mit der Herausforderung des Präsidenten, das Land durch einen Krieg zu führen, während ein persönliches Leid zu überwiegen scheint. Obwohl ich im Großen und Ganzen von dem Buch positiv überrascht bin und es allein durch seine Erzählweise lesenswert finde, gab es kleine Kritikpunkte, die dazu geführt haben, dass mich der Roman nicht komplett und ausnahmslos überzeugen konnte.




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