"Zeit muss enden" von Aldous Huxley

Januar 22, 2018

Werbung Rezensionsexemplar (Original: "Time must have a stop."/ 1945) Piper, Übersetzer/in: Herberth E. Herlitschka (aus dem Englischen), ★★(☆) 3 bis 4 Sterne
"Als Sebastian Barnack zu einer festlichen Party eingeladen wird, gerät er in Verlegenheit, denn er besitzt keinen Abendanzug. Sein Vater, überzeugter Sozialist, weigert sich ihm dieses bürgerliche Klassen- und Statussymbol zu kaufen. An Sebastians Versuchen, dieses Kleidungsstückes habhaft zu werden, knüpfen sich Schuld und Verbrechen, die ihn schließlich erkennen lassen, dass nichts, was man tut ohne Konsequenzen bleibt ...“


MEINE MEINUNG / FAZIT

"'Kein Anlass zur Dankbarkeit', sagte er. 'Wenn ich im Who´s Who? stünde, wo ich aber nicht stehe, würdest du sehen, dass meine liebste Erholung >meinen Bruder ärgern< ist.' Sie lachten miteinander - zwei zum Boshaftsein Verschworene.“  S.125

Sich eine Meinung über ein Buch zu bilden, von dem man vor Beginn angenommen hat, dass man es sicherlich sehr mögen wird und sich das Gefühl dann etwas abmildert, fällt mir manchmal noch recht schwer. 
Nach Beenden von "Zeit muss enden" hielt sich dieses Empfinden an mir fest, denn einerseits mochte ich viele Stellen daraus sehr, andererseits musste ich bei einigen Passagen wirklich überlegen, was ich mit ihnen anfangen soll und ob ich sie überhaupt ernstnehmen soll.
Letzteres hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich mir oftmals gar nicht sicher war, ob der Erzähler vieles selbst ernstnimmt. 
Der Roman beginnt sehr poetisch, sehr überlegt, ja sogar auch idyllisch. Ein junger Protagonist wird uns vorgestellt, der eine Liebe zu Gedichten und zum Gedichteschreiben hegt. Und dennoch konnte ich das Gefühl nicht loswerden, dass diese Gedichtpassagen reine Illusion waren, reine Heuchelei und Spielerei, wenn nicht sogar unnötiges Geschwafel, welches sich auch die Charaktere immer wieder schön geredet haben. Vieles erschien mir in dem Zusammenhang auch so, dass die Charaktere sich alle selbst nur reden hören wollen und keine Bezüge untereinander herstellen möchten. Jeder hat seine Ansichten und möchte sein Gegenüber danach formen.
Sicherlich beabsichtigte der Erzähler eine gewisse provokante Darstellung der Lebensweisen, da der Roman den jungen Sebastian damit in Verbindung setzt, dass er nur nach einem Anzug für eine Party strebe und dafür anscheinend am liebsten über Leichen gehen würde.
Daraus entspinnt sich eine wirklich wirkungsvolle Kette von Ereignissen, die sich spannend liest, bei der man aber auch die Figur Sebastians stark und kritisch hinterfragt.

"Geschwätz, Tagträumen, Beschäftigung mit den eigenen Stimmungen und Gefühlen - sie sind alle verhängnisvoll für das Leben im Geiste. Unter anderem aber ist sogar das beste Theaterstück oder der beste Roman nur verherrlichtes Geschwätz und künstlerisch gebändigtes Tagträumen."  S.316

Anfangs und sogar auch zum Schluss bildet diese Absicht einen gelungenen Rahmen, welcher für manchmal wirre Dialoge und Verhaltensweisen sorgt, sodass auch die Begegnungen mit Sebastians Familie und insbesondere seinem Onkel gewisse Reize bekommen.
Der Roman thematisiert die Lebensweise der Reichen und dem Streben der jungen Menschen nach diesen angeblichen 'Schätzen', die es zu besitzen gibt, wie eben in diesem Fall den Anzug, der dem Protagonisten alle Türen zu den gesellschaftlichen Erfolgen eröffnen würde. 
Allerdings gab es immer mal wieder einige Kapitel, die für mich so aus dem Rahmen fielen und die sich so stark wiederholten, dass sich mir der Spaß und auch das Interesse an den ernst gemeinten Ansätzen entzogen haben. Dies trat vor allem in den Kapitel auf, die sich mit der 'Gefühlsansicht' des Onkels befassen. Sie treten zwar nicht unverhältnismäßig häufig auch und auch die Intention dahinter ist sicherlich auf eine bestimmte Art und Weise lesenswert, aber der Effekt, dass der Leser 'am Ball bleibt' wurde bei mir zumindest verfehlt.
Ebenso bildete zum Schluss eine Folge von plötzlichen Geschehnissen ein so merkwürdiges Ende, mit eingeschlossen den irgendwie eingeschobenen Epilog, der sich plötzlich mit der Beziehung von Sebastian und seinem Vater befasst, dass ich das Gefühl hatte, dass es wiederum an einigen Kapiteln gefehlt hat, die diese Entwicklung gezielter aufgreifen. Nichtsdestotrotz enthält der Roman viele Überlegungen, die wirklich Potential haben und die auch im Großen und Ganzen als Geschichte gut funktionieren.


Hat durchaus seine Stärken, wenn es darum geht Überlegungen des Alltags und des Lebens an sich aufzugreifen. Die Frage nach der Wichtigkeit materieller Besitztümer wird in den Fokus gerückt und sorgt auch an der einen oder anderen Stelle für humorvolle Stellen, die einen aber auch den Kopf schütteln lassen. Der junge Protagonist ist sicherlich ein gelungener Anhaltspunkt um die positiven und negativen Seiten des Strebens nach Geld und Ansehen aufzuzeigen, dennoch gab es einige Kapitel und Passagen, die mich den Roman nicht so haben genießen lassen, wie ich es mir anfangs erhofft hatte.




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