Kategorie: Märchen
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"The Night Country" (The Hazel Wood #2) von Melissa Albert

April 10, 2020

(Original: "The Night Country"/ 2020) Flatiron Books, Übersetzer/in: -, ★★★(☆)☆ 3,5 Sterne
Dies ist der zweite Teil einer Reihe
Rezension zu: "The Hazel Wood" (#1)
Alice Prosperine ist entkommen. 
Mit Ellery Finchs Hilfe hat Alice es geschafft, dem "Hinterland" und dem dunklen Vermächtnis ihrer Großmutter zu entfliehen. Nun versucht sie in New York City ein neues, sorgenfreies und vor allem magiefreies Leben zu führen. Doch so einfach ist es nicht, denn die weiteren Überlebenden der Märchenwelt werden verfolgt und die begangenen Verbrechen scheinen einen Zweck erfüllen zu müssen.
Und was macht Finch in der Zwischenzeit? Auch er sucht nach einem Weg, zurück zu Alice zu gelangen...
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"'How about you?' I said instead. 'What´s your tale?'
Sophia and I had speculated on that before. I thought stepmother. Daphne thought queen.
'One day you might earn the answer to that. But not today.'" 
S.81

Den zweiten Teil der Reihe habe ich diesmal zeitgleich mit meiner Schwester gelesen, ein Buddy-Read sozusagen. Nachdem wir vom ersten Teil recht angetan waren, haben wir uns daher umso mehr auf eine Fortsetzung gefreut.
Auch im zweiten Teil begegnen wir Alice und Ellery Finch, beide aber voneinander getrennt, jeweils in einer anderen Welt. Bereits zu Beginn der Geschichte wird deutlich, dass etwas oder jemand sein Unwesen treibt und Alice dem Vorgehen ein Ende setzen möchte oder besser gesagt, sie möchte zumindest erst einmal herausfinden, was das Ganze zu bedeuten hat.
Der Anfang hat uns beide tatsächlich noch nicht so mitgerissen. Beim ersten Kapitel hatte ich sogar die Befürchtung, dass das "normale" Leben von Alice in den Vordergrund rückt und es nur um irgendwelche Teenie-Gefühls-Romanzen gehen wird. Dies war glücklicherweise nicht der Fall. Es bleibt dabei, dass man mit den Märchen konfrontiert und der Kosmos rund um Althea Propserine etwas vergrößert wird. Das war ein klarer Pluspunkt. So gibt es auch hier wieder einige Kapitel, in denen Märchen erzählt werden und die den (Märchen-)Figuren dabei helfen sollen, deren Schicksal oder deren Möglichkeiten aufzuzeigen.

"'Do you want to hear a story?'
In my family, that was a loaded question. I wasn´t so sure I did.”
S. 228

Ab der Mitte der Geschichte ging es dann spannungsmäßig noch einmal richtig nach oben. Meine Schwester und ich hatten uns bestimmte Kapitel gesetzt, wollten aber ständig immer weiterlesen, weil es genau da natürlich spannend wurde, wo wir aufhören sollten. Rückblickend muss ich sagen, dass diese Spannungselemente wohl etwas zu ausgedehnt wurden, in dem Sinne, dass so viel angedeutet wurde und man das Gefühl hatte, dass nun etwas Großes kommen wird, nur um dann irgendwie mit einem mittelmäßig beeindruckten Empfinden zurückzubleiben.
Das bedeutet, dass man eigentlich schon Lust hat die Sache aufzudecken und weiterliest, der Effekt am Ende aber leider irgendwie ausbleibt. Das Ende schien uns beiden auch sehr abrupt. Nach den ganzen anfänglichen Andeutungen schien es irgendwie zu einfach gelöst worden zu sein, auch, wenn man hier wieder die Möglichkeit verspürt, dass es einen weiteren Teil geben könnte. Nichtsdestotrotz fehlte für diesen zweiten Teil irgendwie diese besondere "Aufdeckung" eines Geheimnisses, wie wir es aus dem ersten Teil gewohnt waren.
Die Figuren haben durch dieses recht vollgepackte Vorankommen der Geschichte und dem abrupten Ende etwas weniger Spielraum sich zu entwickeln. Alice und Finch haben keine großartigen Sprünge gemacht, um neue Seiten von sich zu zeigen. Dennoch kann man ihre Motive gut nachvollziehen und das Zusammenspiel der beiden war ganz nett zu lesen.
Sollte aber tatsächlich noch ein dritter Teil folgen (zusätzlich zu dem angedeuteten "originalen" Märchenbuch von Althea Prosperine, yey!), würde ich mir wünschen, dass es inhaltlich wieder etwas stärker überrascht und mit neuen Elementen überzeugt und nicht nur gefühlt die Motive aus dem ersten Teil aufgreift.


Eine zwar irgendwie unterhaltsame und teilweise gelungene Fortsetzung, die aber an den ersten Teil nicht ganz herankommt. Ab der Mitte wird es definitiv spannungsgeladen, der Rest flacht aber etwas unspektakulär ab, sodass man das Gefühl hat, dass das Potential nicht ganz ausgeschöpft wurde. Zwar hat es ganz gute Ansätze, aber es fehlt dieses "Besondere, Magische", das die Reihe größer gemacht hätte, statt sie auf dem gleichen Level zu halten. Nichtsdestotrotz war es schön wieder von Alice und Ellery Finch zu lesen. Im Falle eines dritten Bandes würde ich mir aber wünschen, dass die "Schockmomente /Enthüllungsmomente" wie in Teil eins dafür sorgen, dass der Hinterland-Kosmos die Figuren auf einer anderen Ebene wachsen lässt.

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The Girl Who Fell Beneath Fairyland and Led The Revels There (Fairyland #2) von Catherynne M. Valente

Februar 17, 2020

(Original: "The Girl Who Fell Beneath Fairyland and Led The Revels There"/ 2012) Feiwel and Friends, Übersetzer/in: -, mit Illustrationen von Ana Juan, ★★★★☆ 4 Sterne
Dies ist der zweite Teil der Fairyland-Reihe
September sehnt sich danach, nach ihrem ersten Aufenthalt, nach „Fairyland“ zurückzukehren. Als es ihr schließlich gelingt, erfährt sie, dass die Bewohner scheinbar ihre Schatten – und gleichsam auch die Magie – an „Fairyland Below“ zu verlieren scheinen. Diese Welt hat eine neue Herrscherin: Halloween, die sich als Septembers Schatten herausstellt. Und Halloween hat nicht die Absicht die Schatten an Fairyland zurückzugeben...
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"But some Rules are immutable. That is an old word, and it means this cannot be changed."  S.62

Ich habe mich mit September wieder auf Reisen begeben. Und obwohl diese Abenteuer auch im Februar wunderbar erlebt werden können, habe ich doch das Gefühl, dass diese Bücher und vor allem dieser Teil perfekt in die Halloweenzeit passen!
Es gibt viele, sehr viele kreative Einfälle, die sich auf Lebewesen beziehen oder aber auch auf die uns bekannten Wissenschaften beziehungsweise "Regeln" der Welt. Valente schafft es wieder einmal, die Leserin / den Leser mit ganz neuen Sichtweisen zu überraschen und allen, uns erdenklich langweiligen, Dingen  neues Leben einzuhauchen. Was machen Namen mit uns, wenn wir uns doch eigentlich so nennen und das sein können, was wir selbst sein wollen? Wie kann man Märchenhandlungen umschreiben, ohne (erneut9 die Regeln des Märchens zu brechen? Und sind Schatten wirklich nur der düstere Teil von uns?

Fragen über Fragen und Antworten über Antworten. Wir kehren zu bekannten Figuren aus dem ersten Teil zurück, lernen sie aber neu kennen. Gemeinsam mit September erkunden wir aber dennoch neue Orte von Fairyland und sehen uns oftmals mit Fragen konfrontiert, die auch in unserer nicht märchenhaften Welt eine zentrale Rolle spielen. Was, seien wir mal ehrlich, ja gar nicht so verwunderlich ist. So bildet vor allem die Frage nach dem "Anderen", von denen böse Geschichten erzählt werden, eine zentrale Rolle. Und genau gerade ist es ja aktueller denn je. Gepaart mit den Einschüben von Septembers Erinnerungen an ihren Vater, der im Krieg schreckliches erlebt, ist die Geschichte zwar durch die Märchenelemente geeignet für Kinder / Jugendliche, spricht aber auch wichtige und erwachsene Themen an. 
Grundsätzlich steht aber auch in diesem Teil das fortwährende Erwachsenwerden der Figuren eine Rolle.

"You know, in Fairyland-Above they said that the underworld was full of devils and dragons. But it isn´t so at all! Folk are just folk, wherever you go, and it´s only a nasty sort of people who thinks a body´s a devil just because they come from another country and have different notions.” S. 177

Der zweite Teil der Fairyland-Reihe konnte mich daher wieder gut unterhalten, überzeugt aber eben auch mit der Vermischung der "angenehmen", spielerischen und unterhaltsamen Inhalte und der ernsten Themen. Ich liebe einfach die gesamte Umgebung und Amtosphäre, die von der Autorin geschaffen wird.
Obwohl die Seitenzahl recht überschaubar ist, passiert sehr viel und in einem angenehmen Tempo. Ab und an hatte ich ein wenig das Gefühl, als würde die Geschichte zu viele Abzweigungen aufschlagen, jedoch legt sich der Eindruck, je mehr man vorankommt.
Gelungen finde ich zudem, dass dieser Teil in sich geschlossen ist, aber bereits andeutet, dass die Figuren eigentlich noch einige Abenteuer erleben könnten. Es gibt also ein passendes Ende, das gleichzeitig Raum für neue Überlegungen bietet.. Daher werde ich sicherlich noch zu den nächsten Bänden greifen!


Eine Rückkehr zu alten Bekannten und liebgewonnenen Freunden, wenn auch in einer etwas anderen Form, denn diesmal lernt man die Figuren  noch von einer anderen Seite kennen. Nichtsdestotrotz gibt es wieder zahlreiche kreative und unterhaltsame Einfälle, die uns die Welt als spielerisch und bunt präsentieren. Zusätzlich beinhaltet die Geschichte rund um September und ihre Freunde aber auch wichtige Themen, die sich mit der Frage nach unserer eigenen Identität, der Vorstellung anderer und gebrochener Klischees / Gewohnheiten auseinandersetzen. Wichtig hierbei ist immer der Verweis darauf, dass besonders Vorurteile ein großes Unheil anrichten können. Gelungen finde ich, dass es ein, in sich geschlossenes Abenteuer ist, welches aber Lust auf die nächsten Bände macht.

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"The Hazel Wood" (The Hazel Wood #1) von Melissa Albert

Dezember 19, 2019

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Offenes-Buch-Innenseite
Buch-im-Wald-The-Hazel-Wood
(Original: "The Hazel Wood"/ 2018) Flatiron Books, Übersetzer/in: -, ★★★★☆ 4 Sterne
Die siebzehnjährige Alice Proserpine und ihre Mutter haben die meiste Zeit ihres Lebens unterwegs verbracht, immer auf der Flucht vor dem Unglück, von dem sie sich verfolgt fühlen. Doch als die Großmutter von Alice, eine bekannte Autorin des düsteren und dunklen Märchenbuchs, alleine auf ihrem Grundstück, dem Hazel Wood, stirbt, lernt Alice erst richtig, was es bedeutet Pech zu haben. Ihre Mutter ist verschwunden - verschleppt von jemandem, der behauptet von einem übernatürlichen Ort zu stammen, einem Ort wo die Geschichten ihrer Großmutter stattfinden. Das einzige, das Alice als Hinweis dient, ist die letzte Nachricht ihrer Mutter: "Halte dich fern von Hazel Wood".
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"'You know what I mean. It´s the eyes, I think. You look like you´ve got a million things going through your mind, but you´re not saying them.'"  S.74

Ich weiß zwar nicht, ob Melissa Albert von Anfang an geplant hatte eine Fortsetzung zu schreiben, aber an manchen Stellen schlich sich das Gefühl ein, dass sie die richtigen "Highlights" noch zurückhält. Das Buch hat mich daher immer mal wieder in den Bann gezogen und dann soweit losgelassen, dass ich nicht fortwährend mitgefiebert habe.
Mir kam es zu Beginn etwas chaotisch und aufgeregt vor, als sei ich plötzlich in eine Situation hinein katapultiert worden, die ich noch nicht überschauen konnte. Nach und nach findet man sich zurecht und begibt sich mit der Protagonistin sozusagen auf Spurensuche - nach ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Ehrlich gesagt hatte ich bis zum Schluss immer mal wieder Probleme damit, herauszufinden, wie die Figuren wirklich funktionieren und was sie im Schilde führen. Vieles scheint mir (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) verschwiegen oder eben sogar für den zweiten Teil aufgehoben worden zu sein. Ellery Finch, einem Freund von Alice, fehlt es meiner Meinung nach noch stärker an einer richtigen Identität durch Rückbezüge zur Vergangenheit. Er wirkt dadurch leider eher wie ein Mittel zum Zweck und nicht wie ein vollständiger Charakter, der "lebendig" wird.
Alice selbst wirkt eher distanziert, verhält sich ihren Mitmenschen gegenüber auch manchmal unpassend und reserviert. Was mich anfangs etwas fragend zurückgelassen hat, hat sich ab der zweiten Hälfte zu einem schlüssigen Ende entwickelt. Ihre Figur wird aus einem speziellen Grund so aufgebaut und mir persönlich hat dadurch auch der zweite Teil besser gefallen. Die merkwürdige Begegnung und Anziehungskraft zu einem jungen Mann zum Beispiel wirkt anfangs eher bizarr und seltsam (deutet eine Entführung an). Weiß man aber, was genau die Vergangenheit von Alice ausmacht, fallen die uns merkwürdig anmutenden Situationen eher weg. Hier muss man wirklich festhalten, dass der Fokus auf Märchen und den möglichen Kräften von verschiedenen Welten liegt und unsere "typischen" gesellschaftlich geprägten Ängste weniger Raum finden (sollten).

"I remembered less from my own life than I did from the books I read.” S. 127

Der Gesamteindruck des Jugendromans wurde demnach zum Ende hin deutlich interessanter und besser, konnte einige grundsätzliche Schwächen (auch der ersten Hälfte) nicht ganz wegretuschieren.
Dennoch gab es aber auch viele Elemente, die ich in und an dem Buch sehr gemocht habe und über die ich gerne mehr gelesen hätte. Dies beinhaltet den gesamten Aspekt des Märchens, der Märchenbücher und der Verbindung zwischen unserer Welt und der mystisch, düsteren Erzählerwelt. Der Roman spielt damit, dass er ein Märchen im Märchen sein könnte und auch noch einmal separat einzelne Märchen hinzuzieht, die von der Großmutter der Protagonistin aufgeschrieben wurden. Wer sich also generell gerne an solchen fiktiven Orten aufhält wird hier auf seine Kosten kommen.
Da mich das Ende am ehesten mitreißen konnte und ich hoffe, noch einige offene Fragen beantwortet zu bekommen, verspüre ich schon einen gewissen Reiz, den zweiten Teil ebenfalls zu lesen. Vielleicht auch zusätzlich deshalb, um zu sehen, ob die "Schwächen" der Figuren aus dem ersten Teil, im zweiten aufgelöst und in eine neue Richtung gelenkt werden.

"If I pretended everything was normal, maybe it would be. Classic monster-under-the-bed logic." S.226


Ein Jugendroman, der von den Merkmalen des Märchens lebt. Märchen sind es auch, die immer wieder (auf neue Weise) in die Handlung einfließen und die Geschichte neu formen. Die zweite Hälfte hat mich mehr mitreißen und überzeugen können, sodass ich nun gespannt auf die Fortsetzung warte. Die Figuren waren für mich teilweise noch nicht klar genug ausgebaut, sodass eine gewisse Charakteristik gefehlt hat. Dies trifft aber eher auf die Protagonisten um Alice herum zu und nicht auf sie selbst. Ihre Figur erfüllt durchaus einen gezielten Zweck, sodass anfangs vielleicht merkwürdige Eigenschaften, später noch verständlich erscheinen. Hat durchaus kleine Spannungsmomente und hält Überraschungen offen. Ist zudem manchmal im Ansatz leicht schaurig.

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Nebelinsel von Zoe Gilbert

November 23, 2019

Buch-Nebelinsel-Zoe Gilbert
Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Folk"/ 2018) Wunderraum (2019), Übersetzer/in: Regina Rawlinson (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Das Porträt einer archaischen Inselgemeinschaft, erzählt in betörenden Märchen Die salzige Luft ist schwer vom Duft der Ginsterbüsche, und etwas Mystisches liegt über der Insel. Wundersame Geschichten erzählen von diesem Ort, an dem das Leben geprägt ist von der rauen Natur, alten Bräuchen und dunklen Mythen, die in den Alltag der Menschen eindringen. Da ist beispielsweise Verlyn, der mit einem Flügel statt eines zweiten Arms geboren wurde. Oder Plum, die von einem Mann entführt wird, aus dessen feuchten Locken sie winzige Muscheln kämmt … Mit jeder Erzählung taucht man tiefer ein in die Schicksale der Bewohner von Neverness und verfällt ihrer eigentümlichen Heimat."
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"Hinter Gullers kindlichen Zügen verbirgt sich etwas Dunkles, das ihm zuwider ist."  S.40

Nach dem ersten Kapitel, hatte ich das Gefühl, dass es eine Art "Herr der Fliegen" á la Golding werden könnte, mit zunehmenden Geschichten der Stadt Neverness hingegen verstärkte sich ein Empfinden, als würde ich moderne Erzählungen der Gebrüder Grimm lesen. Letztlich war es beides und keines von beidem, denn Zoe Gilberts erschaffene Welt hebt sich noch einmal davon ab.
Anfangs war ich etwas zwiegespalten. Der Einstieg ist sehr skurril und ungewöhnlich. Man muss sich auf Rituale und ein Denken von einer Gemeinschaft einlassen, die sehr fremd und manchmal auch brutal wirken. Als Leser schlendert man als Beobachter durch die Häuser der Erzähler, erfährt von ihren Schicksalen und entdeckt dabei Inhalte, die an zurückliegende Sagen erinnern.
Einige davon konnte ich beim ersten Lesedurchgang noch nicht ganz entziffern oder wollte es vielleicht zu dem Zeitpunkt gar nicht. Besonders die Beziehung zwischen Jungen und Mädchen / Männern und Frauen ist hier sehr an die Grenzen getrieben worden. Alte Muster werden noch nicht ganz durchbrochen, denn bereits zu Beginn wird klar, alles zielt darauf ab, einen Partner fürs Leben zu finden. An einigen Stellen erspürt man eine kleine Wende, als wolle der Erzähler sagen, so WAR es, so muss es aber nicht bleiben, nur um kurz darauf wieder von dem alt bekannten Dorfleben verschluckt zu werden.

"'Wasserbulle', sagte sie.
Jetzt müsste mir vor Angst eiskalt, denn das ist die Geschichte, die Win am häufigsten erzählt, ob im Bardenhaus oder hier auf dem Sofa.”
S.78

Ich habe mich dennoch gerne von Geschichte zu Geschichte gelesen. Einige Erzählungen haben mich dabei tatsächlich auch komplett überzeugen können. Sie vereinen Gedanken, die man sehr gut auf das "moderne" Leben anwenden kann, spielen dabei aber mit dem Märchenhaften und weben Elemente ein, die uns in eine andere Welt entführen können. Die Idee, dass jeder Dorfbewohner sozusagen mit etwas Übernatürlichem, nicht leicht Erklärbaren in Verbindung steht, fand ich dabei ebenfalls sehr geglückt. Zwar wechseln die Erzähler immer mit jedem Kapitel, jedoch erfährt man meist noch etwas über diese in den anderen Geschichten. Ein roter Faden ist dadurch auf jeden Fall erkennbar. Gleichzeitig wird nicht alles bis auf das kleinste Detail erzählt und es bleibt genügend Spielraum für eigene Interpretationen.
Die Stimmung ist durchgehend etwas düster, als würde gleich von irgendwoher ein Nebel aufziehen (der deutsche Titel trifft es also ziemlich gut), dennoch ist es nicht zu erdrückend oder deprimierend. Besonders gut liest sich das Buch aber wirklich an regnerischen, dunklen Abenden. Dann hat man das Gefühl, als sei man selbst in dem Dorf und lausche den Erzählern im Bardenhaus.

"'Horch, wie der Rhythmus durch das Ginsterlabyrinth rollt." S.223


Eine sehr eigener, aber auch fesselnder psychologischer Erzählband, der das Alltägliche mit dem Märchenhaften geschickt verknüpft. Mir haben zum Zeitpunkt des Lesens nicht alle Geschichten zugesagt, das liegt aber wohl auch daran, dass das Buch gut dazu geeignet ist, langsam und bewusst gelesen zu werden. Andere Erzählungen hingegen haben mich direkt gepackt und überzeugt. Für jeden, der gerne von außergewöhnlichen Dorfgemeinschaften liest. 

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Once Upon a River von Diane Setterfield

November 14, 2019

Buch-Once Upon a River-Diane Setterfield
Buch-Once Upon a River-Diane Setterfield
(Original: "Once Upon a River"/ 2018) Emily Bestler Books (Simon & Schuster Imprint), Übersetzer/in: -, ★★★★(☆) 4,5 Sterne
An einem kalten Winterabend in einem antiken Gasthaus, entlang der Themse, unterhalten sich die Stammgäste, indem sie sich Geschichten erzählen. Doch plötzlich wird die Tür aufgestoßen und ein verletzter Mann tritt ein. In seinen Armen hält er den Körper eines ertrunkenen Kindes. Nur einige Stunden später beginnt das Mädchen allerdings wieder zu atmen und bewegt sich erneut unter den Lebenden.
Ist es ein Wunder? Oder doch Magie? Und zu wem gehört das Mädchen?
Die britische Online-Zeitung "Independent" sagt, das Buch vereine einen Hauch von "Jane Eyre", "Rebecca" und "The Woman in White".
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"She tried to catch the tail end of the feeling and name it. Almost too late, yet she did catch it, fleetingly, for she heard the words her tongue pronounced in the empty room:
'Something is going to happen.' " 
S.65

"Once Upon a River" ist endlich mal wieder eines dieser Bücher, das mich absolut gefesselt hat, bei dem es mir aber umso schwerer fällt, die Magie, die davon ausgeht, wirklich zu beschreiben. Vielleicht auch, weil ich vermute, dass sie nicht bei jedem gleich stark hervorgerufen werden wird.
Der Roman, die Geschichte mit märchenhaften Elementen, die Erzählung, der etwas von "magical realism" anhaftet, man könnte viele Genres und viele Beschreibungen für Setterfields Text heranziehen, aber es bleibt ein Text, den man nicht gänzlich kategorisieren kann.
Ebenso bin ich mir sicher, dass für den einen vielleicht zu wenig geschieht, für den anderen hingegen zu viel, denn das Buch beinhaltet viele - wirklich viele - Wendungen und Plottwists, die einen immer wieder nach vorne gehen oder zurücktreten lassen. Perspektiven werden gewechselt, Vergangenheiten werden hervorgeholt und Geheimnisse werden offenbart. Für mich persönlich haben die vielen Wendungen durchaus Sinn gemacht und haben nicht für eine Überfüllung der Handlung gesorgt. Die Geschichte lebt davon, dass alles möglich sein könnte, dass zu jedem Zeitpunkt, eine andere Wahrheit existieren kann und es einen Erzähler gibt, der sich und diese Wahrheit im Verborgenen hält. Die Spannung war für mich daher durchaus in beinahe jedem Kapitel gegeben.

"There are stories that may be told aloud, and stories that must be told in whispers, and there are stories that are never told at all.” S. 247

Was mich allerdings weitaus mehr beeindruckt hat als die Spannung, war die bloße Idee, die Wortwahl und diese sogenannte "Magie", die alles umschließt. Immer mal wieder kamen Sätze, wie aus dem nichts, die mich gepackt haben und mich nicht loslassen wollten, weil sie in sich vor der Grenzenlosigkeit sprühen. Ich liebe Geschichten, die dies bewirken können. Das Gefühl, dass der Text einem kleine Hinweise zuschiebt, die man entweder annehmen kann und sich in eine ganz besondere Welt entführen lässt oder aber die Hinweise so deutet, dass man sich auf einem sicheren Pfad befindet, den man jederzeit verlassen könnte, wenn man wollte. Es ist eine Geschichte, die um das Erzählen selbst kreist und den Leser / die Leserin vielleicht auch dazu ermutigt, selbst Geschichten weiterzuerzählen.
Diese ganze Stimmung wird wunderbar getragen von dem historischen Setting. Besonders gelungen fand ich die Verbindung zu der damals noch aufwendigen Produktion von Fotografien und der Tradition sich in den Gasthäuserin, wie dem "Swan" zu treffen. Ebenfalls geglückt ist das durchgängige Aufgreifen des Sees und des Wassers, was durch die Nässe und teilweise Kälte dafür sorgt, dass man das Buch wunderbar an Herbst- /Winterabenden lesen kann.
Gesagt werden muss aber auch, dass das Buch gewisse Themen anspricht, nicht zwingend explizit, aber doch gezielt auf diese verweist, die mit traumatischen Erlebnissen und der Bewältigung dieser zu tun haben. Dadurch passiert es, dass man von diesem märchenhaften Stil durchaus abrupt in eine kalte, echte, und harte Welt katapultiert wird, die sich mit dem menschlichen Abgrund beschäftigt. Psychologische Ansichten werden hiermit zwangsläufig auch bedient und greifen oft die Überlegungen der psychischen Unterdrückung oder Manipulation auf.

"The philosophers of the Swan fell to thinking and very quickly to disputing. Does the occurrence of one impossible thing increase the likelihood of a second?" S. 301


Ein Roman, den man schwer kategorisieren kann, der sich aber durchaus zwischen einer märchenhaften, magischen und einer "kalten", realen Welt bewegt. Es gibt viele Wendungen und mögliche Ansätze zur Interpretation, für mich jedoch liegt die Besonderheit darin, dass der Text zum Glauben an das Unmögliche einlädt. Trotz einiger kleiner Kritikpunkte, bisher eines meiner Highlights.

Buch-Once Upon a River-Diane Setterfield
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