Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Folk"/ 2018) Wunderraum (2019), Übersetzer/in: Regina Rawlinson (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Das Porträt einer archaischen Inselgemeinschaft, erzählt in betörenden Märchen Die salzige Luft ist schwer vom Duft der Ginsterbüsche, und etwas Mystisches liegt über der Insel. Wundersame Geschichten erzählen von diesem Ort, an dem das Leben geprägt ist von der rauen Natur, alten Bräuchen und dunklen Mythen, die in den Alltag der Menschen eindringen. Da ist beispielsweise Verlyn, der mit einem Flügel statt eines zweiten Arms geboren wurde. Oder Plum, die von einem Mann entführt wird, aus dessen feuchten Locken sie winzige Muscheln kämmt … Mit jeder Erzählung taucht man tiefer ein in die Schicksale der Bewohner von Neverness und verfällt ihrer eigentümlichen Heimat."
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"Hinter Gullers kindlichen Zügen verbirgt sich etwas Dunkles, das ihm zuwider ist." S.40
Nach dem ersten Kapitel, hatte ich das Gefühl, dass es eine Art "Herr der Fliegen" á la Golding werden könnte, mit zunehmenden Geschichten der Stadt Neverness hingegen verstärkte sich ein Empfinden, als würde ich moderne Erzählungen der Gebrüder Grimm lesen. Letztlich war es beides und keines von beidem, denn Zoe Gilberts erschaffene Welt hebt sich noch einmal davon ab.
Anfangs war ich etwas zwiegespalten. Der Einstieg ist sehr skurril und ungewöhnlich. Man muss sich auf Rituale und ein Denken von einer Gemeinschaft einlassen, die sehr fremd und manchmal auch brutal wirken. Als Leser schlendert man als Beobachter durch die Häuser der Erzähler, erfährt von ihren Schicksalen und entdeckt dabei Inhalte, die an zurückliegende Sagen erinnern.
Einige davon konnte ich beim ersten Lesedurchgang noch nicht ganz entziffern oder wollte es vielleicht zu dem Zeitpunkt gar nicht. Besonders die Beziehung zwischen Jungen und Mädchen / Männern und Frauen ist hier sehr an die Grenzen getrieben worden. Alte Muster werden noch nicht ganz durchbrochen, denn bereits zu Beginn wird klar, alles zielt darauf ab, einen Partner fürs Leben zu finden. An einigen Stellen erspürt man eine kleine Wende, als wolle der Erzähler sagen, so WAR es, so muss es aber nicht bleiben, nur um kurz darauf wieder von dem alt bekannten Dorfleben verschluckt zu werden.
Anfangs war ich etwas zwiegespalten. Der Einstieg ist sehr skurril und ungewöhnlich. Man muss sich auf Rituale und ein Denken von einer Gemeinschaft einlassen, die sehr fremd und manchmal auch brutal wirken. Als Leser schlendert man als Beobachter durch die Häuser der Erzähler, erfährt von ihren Schicksalen und entdeckt dabei Inhalte, die an zurückliegende Sagen erinnern.
Einige davon konnte ich beim ersten Lesedurchgang noch nicht ganz entziffern oder wollte es vielleicht zu dem Zeitpunkt gar nicht. Besonders die Beziehung zwischen Jungen und Mädchen / Männern und Frauen ist hier sehr an die Grenzen getrieben worden. Alte Muster werden noch nicht ganz durchbrochen, denn bereits zu Beginn wird klar, alles zielt darauf ab, einen Partner fürs Leben zu finden. An einigen Stellen erspürt man eine kleine Wende, als wolle der Erzähler sagen, so WAR es, so muss es aber nicht bleiben, nur um kurz darauf wieder von dem alt bekannten Dorfleben verschluckt zu werden.
"'Wasserbulle', sagte sie.
Jetzt müsste mir vor Angst eiskalt, denn das ist die Geschichte, die Win am häufigsten erzählt, ob im Bardenhaus oder hier auf dem Sofa.” S.78
Ich habe mich dennoch gerne von Geschichte zu Geschichte gelesen. Einige Erzählungen haben mich dabei tatsächlich auch komplett überzeugen können. Sie vereinen Gedanken, die man sehr gut auf das "moderne" Leben anwenden kann, spielen dabei aber mit dem Märchenhaften und weben Elemente ein, die uns in eine andere Welt entführen können. Die Idee, dass jeder Dorfbewohner sozusagen mit etwas Übernatürlichem, nicht leicht Erklärbaren in Verbindung steht, fand ich dabei ebenfalls sehr geglückt. Zwar wechseln die Erzähler immer mit jedem Kapitel, jedoch erfährt man meist noch etwas über diese in den anderen Geschichten. Ein roter Faden ist dadurch auf jeden Fall erkennbar. Gleichzeitig wird nicht alles bis auf das kleinste Detail erzählt und es bleibt genügend Spielraum für eigene Interpretationen.
Die Stimmung ist durchgehend etwas düster, als würde gleich von irgendwoher ein Nebel aufziehen (der deutsche Titel trifft es also ziemlich gut), dennoch ist es nicht zu erdrückend oder deprimierend. Besonders gut liest sich das Buch aber wirklich an regnerischen, dunklen Abenden. Dann hat man das Gefühl, als sei man selbst in dem Dorf und lausche den Erzählern im Bardenhaus.
"'Horch, wie der Rhythmus durch das Ginsterlabyrinth rollt." S.223
Eine sehr eigener, aber auch fesselnder psychologischer Erzählband, der das Alltägliche mit dem Märchenhaften geschickt verknüpft. Mir haben zum Zeitpunkt des Lesens nicht alle Geschichten zugesagt, das liegt aber wohl auch daran, dass das Buch gut dazu geeignet ist, langsam und bewusst gelesen zu werden. Andere Erzählungen hingegen haben mich direkt gepackt und überzeugt. Für jeden, der gerne von außergewöhnlichen Dorfgemeinschaften liest.
Oah das klingt richtig, richtig gut! Ich hatte das Original zum Erscheinen vor ein paar Jahren schon im Auge, aber dann wieder vergessen bzw. auch nicht so Gutes gehört, glaube ich. Jetzt kriege ich aber doch wieder Lust drauf. Sind es eher Kurzgeschichten oder hängt alles zusammen? Vielleicht ähnlich wie bei Kirsty Logan?
AntwortenLöschenHab auch damals immer das Original überall gesehen und einige negative Stimmen gehört. Glaube aber es liegt daran, dass es schon sehr speziell ist, tatsächlich wie bei Kirsty Logan...
LöschenMh, das sind an sich losgelöste Geschichten von den einzelnen Bewohnern, aber die kommen an einem Punkt immer mit den anderen Menschen zusammen. Man kriegt in jeder Geschichte einen Hinweis auf die Fortsetzung der vorangegangnen Erzählungen. Das fand ich super und auch clever gemacht. Vor allem Anfang und Ende bilden einen schönen Rahmen. :)
Das spricht ja dann so richtig dafür :D
LöschenUnd diese Rahmung klingt auch richtig gut, jetzt krieg ich richtig Lust drauf!
Ahoi Karin,
AntwortenLöschendie Nebelinsel ist echt was Besonderes... mich konnte die Atmosphäre total einlullen, und zugleich fand ich die Geschichten häufig aber auch verwirrend und unbefriedigend offen. Dennoch ein tolles Buch!
Hier findest du meine Rezension
Liebe Grüße
Ronja von oceanloveR
Das stimmt, einige sind recht offen, aber mir gefiel, dass dann eben in anderen Kapiteln "versteckt" nocheinmal darauf eingegangen wurde. Also teilweise erfährt man in den nächsten Kapiteln doch noch etwas Neues vom letzten. :D
LöschenIch glaube, das ist tatsächlich einfach auch die Frage nach dem persönlichen Geschmack (wie immer). Ich persönlich liebe solche Geschichten, die sich so von dem "Üblichen" abheben. :) Danke für deinen Link, werde sicherlich demnächst mal vorbeischauen!
Liebe Grüße
Karin
Absolut - einfach ein sehr durchdachtes, wunderbares und untypisches Buch! :)
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