"Meteoriten" von Éloise Cohen de Timary

Juni 17, 2021

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Les amants météores"/ 2020) Atlantik Verlag (2021), Übersetzer/in: Maja Ueberle-Pfaff (aus dem Französischen), ★★(★)☆☆ 2,5 Sterne
"In einer abgelegenen Pariser Bar treffen Marianne, eine junge Kulturredakteurin und der Landschaftsarchitekt Virgile, der eigentlich auf Männer steht, zusammen. Es ist gegen alle Wahrscheinlichkeit Liebe auf den ersten Blick, eine jener Lieben, wie man sie wohl nur einmal im Leben erfährt. Sie fühlt sich an wie der Sand unter den Füßen am Strand der Bretagne, schmeckt wie die Zitrone eines Margheritas, klingt wie 80er-Pop, wie Patti Smith und Janis Joplin. Marianne und Virgile schmieden wilde Zukunftspläne, sogar der Wunsch nach einem Kind kommt auf. Doch dann nimmt ihr gemeinsames Leben plötzlich eine tragische Wendung."
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"Wie kam es zu einer solchen Diskrepanz zwischen dem, was sie erlebt hatte, und den Worten, mit denen sie es beschreiben wollte? Nach mehreren Versuchen markierte sie den Text, löschte ihn und behielt nur zwei Sätze, um sie nicht zu vergessen: Den innersten Kern der Liebe darzustellen ist unmöglich. Schreibe niemals einen Liebesroman! S.35
Meteoriten. Ja, wie ein Meteorit habe ich mich auch ein wenig gefühlt, als ich den Roman gelesen habe. Man rattert so schnell durch das Zusammenkommen und Leben der Protagonist*innen, dass einerseits keine Verschnaufpause bleibt und man andererseits doch das Gefühl hat, dass nichts wirklich passiert. 

Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass der Roman aus dem Französischen übersetzt wurde und mir viele Geschichten (oder zumindest die Übersetzungen) daher immer etwas kühl, unnahbar vorkommen. Als müssten sie eine coole Attitüde wahren. Dabei ging aber gerade hier für mich vieles an Wärme verloren, die diese Geschichte dringend gebraucht hätte. Marianne bleibt sympathisch, aber irgendwie nicht greifbar. Man versteht nicht genau, warum sie sich so stark von Virgile angezogen fühlt, da er an vielen Stellen einfach nur unsympathisch, selbstsüchtig und sehr Ich-bezogen rüberkommt. 
Daher fiel es mir auch schwer, mich richtig mit den Figuren warm zu laufen. Irgendwie mochte ich gewisse Teile, in denen die Liebe geschildert wird, trotz aller vermeintlichen Vorurteile, aber letztlich blieb die Geschichte für mich ein wenig konturlos. Dass vieles eher zusammengeworfen schien und der Anfang irgendwie zu gar nichts mehr passen wollte, hat dem nicht wirklich geholfen.
"Kann man auf die Sekunde genau den Moment erkennen, in dem man zu leben beginnt?"  S.79
Die Geschichte hat durchaus einige schöne Zitate, die ich mir gemerkt habe (siehe oben), grundsätzlich schien mir die Wortwahl und die Satzbildung aber sehr einfach. Das muss kein Nachteil sein, hier aber raste man dadurch nur von Station zu Station, ohne dass man das Gefühl hatte, dass man eine Nähe zu den Figuren aufbaut, geschweige denn, dass die Figuren untereinander eine "reale" Nähe aufbauen. 

Was mich zudem irritiert hat, war der wohl (absichtlich) vergessene oder weggelassene Handlungsstrang mit Virgils Eltern. (Achtung, klitzekleiner Spoiler) Beinahe zum Schluss scheint ein Treffen geplant, man wartet auf eine Art Auseinandersetzung oder Auflösung, aber die kommt letztlich nie. Da hätte dieser eine Satz, mit dem man dies angedeutet hat, auch weglassen können, um nicht noch eine unfertige Handlung reinzuschieben.

Ebenso hatte ich wirklich meine Schwierigkeiten mit der Vermittlung der Vorurteile der Eltern von Marianne, deren Ausdrucksweise und letztlichen auch der Umsetzung der "puren Liebe" und Liebeskonstellation. Der Roman deutet an, dass Virgile sich zu Männern hingezogen fühlt. Nach und nach jedoch bekommt man als Leser*in das Gefühl, dass der Roman darauf abzielt, anzuspielen, dass nur die Liebe zwischen Mann und Frau das Ultimative sein kann und dass seine vorherigen Beziehungen nur Spaß waren. Natürlich gibt es Situationen und Menschen, die sich immer wieder neu orientieren, keine Frage. Aber der Roman warf dann noch mit Wörtern wie "Schwuchtel" um sich, wo bei mir der Geduldsfaden riss. Wenn man die anfängliche Abneigung gegen die Beziehung oder die Art des Lebensstils von Virgile seitens der Eltern thematisieren möchte, geht dies sicherlich auch aussagekräftig, ohne dass man Wörter benutzt, die einfach nicht sein müssen. 

Und zu guter Letzt kam dann auch noch das eigentlich viel zu kolossale Thema des Nachwuchses auf, was auch gefühlt nur als Puffer benutzt wurde, um Gefühle zu generieren. Auch hier hat man nur einige Überlegungen reingeworfen, die aber vielleicht zu kritisch hinterfragt wurden.


Leider habe ich das Buch etwas enttäuscht zugeklappt, obwohl mir einige Zitate mehr als gut gefallen haben. Das Gesamtkonzept jedoch konnte mich leider aus mehreren Gründen nicht ganz überzeugen. Das lag an der zu schnell abgearbeiteten Beziehung (-sentwicklung) sowie zusammengewürfelten Handlungssträngen, den unnötig eingeworfenen Begriffen, die als (nette) Beleidigung dienen sollten, um gleichzeitig Vorurteile zu beseitigen und auch (der für mich) zu kühlen Attitüde. Ich hatte das Gefühl, dass es "typisch" Französisch ist und eben cool und unaufgeregt wirken möchte (was viele Leser*innen aber sicherlich mögen). Dabei gingen für mich allerdings zu viele benötigte Mechanismen verloren.


 

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