The View from the Cheap Seats von Neil Gaiman

März 07, 2019

(Original: „The View from the Cheap Seats“/ 2016) Headline, Übersetzer/in: -, ★★★★(☆) 4,5 Sterne
Das Buch beinhaltet Essays, Vorworte, Reden und Gedanken von Neil Gaiman, dem Autor bekannter Geschichten und Comics wie "Sandman", "Stardust", "The Ocean at the End of the Lane" oder "American Gods".

MEINE MEINUNG / FAZIT 

"But hell, no one reads introductions, anyway. (Admit it. You´re not reading this, are you?)" S. 128

Diese Sammlung an diversen Texten oder Reden von Neil Gaiman (welche größtenteils bereits anderweitig veröffentlicht wurden) ist umfangreich, aber unbedingt lesenswert, denn der Autor hat nicht nur in seinen fiktiven Geschichten wichtige und interessante Dinge zu sagen.
Hauptsächlich spricht er über seine Inspirationen, seine Vorbilder, seine künstlerischen Quellen, die ihn zu dem gemacht haben, was er heute ist. Er spricht aber auch über schwierige Zeiten im Leben und die Erlaubnis, sich Zeit für diese Phasen zu nehmen. 
In jedem Kapitel merkt man, dass er dem Leser etwas auf den Weg mitgeben möchte, er dabei aber vorsichtig ist. Vorsichtig in dem Sinne, dass er nicht versucht jemandem etwas aufzuschwatzen. Er möchte niemanden dazu zwingen, etwas gut zu finden, das er gut findet. Er möchte, dass man durch die Begeisterung anderer auf eigene Projekte blickt.
Was ich hierbei aber auch schön finde ist, dass er nichts beschönigt. Er erzählt von seinen Schwierigkeiten, seinen holprigen Anfängen, aber auch von seinen Erfolgen und glücklichen Fügungen. Es ist eine gute Mischung aus motivierenden Texten und Texten, die einen einfach mal grübeln lassen - über das Leben, über die Gesellschaft, über Trauer, aber auch über Dinge, die uns einfach glücklich machen, die uns den Anreiz geben etwas Neues zu schaffen und uns weiterzuentwickeln.
Im Fokus steht hier also natürlich auch die Liebe zur Literatur, den Büchern, dem Schreiben und der Unterstützung, die wir Bibliotheken und anderen Einrichtungen entgegenbringen sollten, weil sie eine wertvolle Institution sind, die es zu erhalten gilt.

"'What´s it for?' he had asked, which is not a question you expect to be asked when you write fiction for a living.        
      'It´s a fairy tale, ' I told him. 'It´s like an ice cream. It´s to make you feel happy when you finish it.'" S. 436


Die Reden und Vorworte sind durchaus in sinnvolle Kapitel eingeteilt und man schlängelt sich quasi von einem Lebensabschnitt zum nächsten. Wir werden zu Begegnungen mit großen Persönlichkeiten mitgenommen, wie Terry Pratchett, Susanna Clarke oder Dave McKean (der viele seiner Bücher illustriert hat) und wir werden auf die verschiedensten Veranstaltungen eingeladen und lauschen, was er zu Auszeichnungen, Preisen oder Vorbildern zu sagen hat.
Es ist ein sehr persönliches Buch, auch wenn es den Anschein erwecken mag, dass es eine Hommage an andere Schriftsteller und Künstler ist. Es ist (zumindest für mich) deutlich mehr als das. Besonders, wenn man seine fiktiven Geschichten mag, lernt man viel über den Autor selbst kennen und kann hier und da Verknüpfungen zwischen Fakt und Fiktion herstellen. Auch wenn uns die Lehrer damals mit großer Mühe beigebracht haben, den Autor vom Text strikt fernzuhalten, lässt uns Gaiman gerne daran teilhaben, was ihn dazu angespornt hat, Details aus seinem Leben in einem Buch zu verewigen. 
Und ich habe mich sehr gerne von Kapitel zu Kapitel geschlängelt. Man könnte eventuell anmerken, dass gewisse Vorworte erst in Angriff genommen werden sollten, wenn man das jeweilige angesprochene Buch gelesen hat. Das empfiehlt zumindest Neil Gaiman selbst an einigen Stellen. Ich bin mir sicher, dass man dies nicht unbedingt machen muss, aber um zu vermeiden, dass man sich wichtige Entwicklungen der Geschichte verrät, kann man durchaus überlegen, erst zu einigen Kapiteln zurückzukehren, wenn man die andere Lektüre kennt. Ebenso wird auch auf viele andere Werke von Autoren eingegangen, die man eventuell nicht alle kennt. Hier gibt der Autor zwar grob die Handlung an und auch den Grund für seine Begeisterung, wer aber nicht gerne Texte liest, in denen von anderen Geschichten gesprochen wird, die man absolut nicht kennt, sollte vielleicht vorab einen Blick auf das Inhaltsverzeichnis werfen und schauen, ob ihm der Inhalt grob zusagt.
Und so oft ich während des Lesens zustimmend mit dem Kopf genickt habe, zitiere ich zum Schluss Gaiman, mit dem, was er über das Lesen von Diana Wyne Jones' Bücher sagt, denn genau so ist es, wenn ich seine Bücher lese:

"Instead, reading her, it felt familiar, and, when in my twenties, I read all of Diana´s books that I could find, it felt like I was coming home." S.105.


In einem klugen, witzigen, unterhaltsamen und auch nachdenklichen Ton, lässt uns Neil Gaiman in verschiedenen Reden, Essays und Vorworten daran teilhaben, was ihn als Autor und Mensch geprägt hat. Welche Bücher, Comics, Filme und Musik sind seine Inspiration? Was macht Literatur mit Autor und Leser und wie können wir diese Gefühle in etwas Produktives umwandeln? Mal mehr, mal weniger ernst erzählt Gaiman auch von seinen Erfolgen und Misserfolgen und zeigt, dass man auf verschiedenen Wegen ans Ziel kommen kann. Man muss nur etwas dafür tun - seiner Leidenschaft und Inspiration folgen.

5 Kommentare:

  1. Schön, dass es dir so gut gefallen hat :) Ich fand's ja wirklich von Essay zu Essay sehr unterschiedlich. Die, wo er generell übers Schreiben und Geschichten erfinden/erzählen redet, fand ich am spannendsten. Die, wo er viel auf andere Autor.innen verweist, fand ich oft langweilig. Wie du sagst, sie geben einem nicht so viel, wenn du die Werke gar nicht kennst, aber manche Texte haben mich auch so neugierig gemacht, dass ich die Bücher auf meine Leseliste gesetzt habe :)
    Ach und hattest du wirklich Lehrer.innen, die auf die Trennung von Werk und Autor.in gepocht haben? Bei mir war das irgendwie gar nicht der Fall und das finde ich zurückblickend total fatal.

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    1. Ich bin glaub ich ziemlich "voreingenommen", was seine anderen Bücher angeht, einfach weil ich "The Ocean at the End of the Lane" so mag. Und irgendwie gefällt es mir wie er sich immer ausdrückt und über andere Sachen schwärmt. Fühle mich dann direkt immer wohl, wenn ich einige Sätze von ihm lese. :D

      Ja, da kann ich dich verstehen. Ich war bei manchen Texten auch etwas verloren (?), weil man ja nach dem Vorwort nicht das beschriebene Buch gelesen hat und nicht darauf Bezug nehmen konnte, aber wie bei dir, sind auch bei mir dadurch einige Bücher auf den Wunschzettel gelandet (z.B. "Lud-in-the-mist").

      In der Schule wurden wir schon stark darauf hingewiesen und immer wenn jemand schrieb: "Der Autor will damit sagen, dass..." wurde gesagt, dass es nicht der Autor, sondern der Erzähler sei. Im Studium wurde es uns dann extrem klar gemacht, dass man da unterscheiden sollte, vor allem wenn man bedenkt, dass ja der "Autor" als wichtige Person und Bezug zum Text eine recht Neue "Erfindung" ist...:)
      Bei euch war es nicht so? Also in der Schule war es okay, dass der Erzähler = Autor ist?

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  2. Kann ich verstehen. Du solltest mal in seine selbstgelesenen Hörbücher reinhören, er hat so eine schöne Märchenerzählerstimme, das passt perfekt zu deiner Beschreibung.

    Haha, genau Lu in the Mist ist bei mir übrigens auch hängen geblieben ;D Und The Elfking's Daughter oder sowas glaub ich.

    Total gut, dass das bei euch so war! Vielleicht erinnere ich mich irgendwie nicht mehr richtig, aber ich könnte schwören, dass es bei uns viel mehr um "was will der Autor uns damit sagen?" ging. Und dann erst im Studium wurde dieses Denken endlich auf den Kopf gestellt und ich habe mich ernsthaft gefragt, wieso das nicht schon in der Schule passiert ist.

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    1. Werd ich mal im Hinterkopf behalten! Hast du da einen ganz speziellen Tipp für ein Hörbuch (also eher die Kindererzählungen wie "Coraline") oder fandest du alles passend?

      Oh, okay. Dann wird man ja quasi komplett ins kalte Wasser geschubst, wenn man in der Schule was komplett anderes lernt. Verstehe aber auch gar nicht, warum das nicht direkt einheitlich geregelt wird...

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    2. Ich glaube, ich finde alles toll, wenn er es vorliest, aber besonders positiv habe ich diverse Kurzgeschichten von ihm in Erinnerung. Meine Lieblingssammlung ist Smoke & Mirrors.

      Einheitlichkeit ist dabei gar nicht so mein Problem, sondern eher dass ich es für total "falsch" halte nur die eine Perspektive zu lehren bzw. dabei so zu tun als gäbe es auch keine anderen gültigen. Aber das kann wirklich eine sehr subjektive Erfahrung bei mir gewesen sein. Ich hoffe es zumindest ;)

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