Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Diary of a Bookseller"/ 2014) btb Verlag, Übersetzer/in: Eric Selland, ★★★★☆ 4 Sterne
"Wigtown, Schottland. The Bookshop, die größte Second-Hand-Buchhandlung des Landes, ist ein Paradies für Buchliebhaber. Die Bücherregale reichen bis zur Decke, die Regalböden hängen durch ob ihrer verführerischen Last. Es gibt alles, was das Herz begehrt. Was Sie als Kunde nicht sehen, sind die Probleme im Hintergrund, mit denen sich der Besitzer Shaun Bythell herumschlagen muss. In seinem »Tagebuch eines Buchhändlers« finden Sie alles: exzentrische Kunden, unhöfliche Angestellte und eine ständig leere Kasse, aber auch den Nervenkitzel eines unerwarteten antiquarischen Fundes und den Charme der Küstenkleinstadt Wigtown. Tauchen Sie ein in die Welt des Buchhandels und lassen Sie sich verzaubern!"
Video (Youtube): Vorstellung des "The Bookshop" in Wigtown
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"[Ein Kunde] wollte wissen, wie viel es kostet, und da ich mich gerade in großzügiger Laune befand, erwiderte ich: 'Sie können es für 2,50 Pfund haben.' Daraufhin ging er, wobei er vor sich hin murmelte: 'Das krieg ich auf Amazon billiger.' " S. 122
"Höhepunkt des Tages war der Verkauf eines Buches mit dem Titel Donald McLeods Gloomy Memories aus dem Jahr 1892, das der Kunde bereits seit sechs Jahren gesucht hat." S. 381
Auf dem Buchcover sehen wir eine regnerische Szenerie vor einem Buchladen. Einem Buchladen, der gut besucht ist, der durchaus gefüllt scheint, der aber auch schon einige Spinnweben aufweisen kann. Vor dem Buchladen sehen wir, stehend zwischen zwei aus Stein gemeißelten Büchersäulen, den vermeintlichen Besitzer des Ladens.
Wir springen zum Ende der broschierten Ausgabe und blicken auf eben diesen Mann, nun als Farbfotografie erkennbar und er kommt mit einer klaren Botschaft.
Mit einem doch nüchternen, aber nicht unfreundlichen Blick steht er auch hier vor dem Buchladen. Er trägt eine Brille, ein weißes Shirt und ein kariertes Hemd. Doch das wohl prägnanteste: Seine weiße Tasse mit der Aufschrift: "Death to the Kindle" und damit meint er es ziemlich ernst. Darf ich vorstellen: Shaun Bythell, der Besitzer, des in Schottland größten Secondhand Buchladens "The Bookshop", vielen vielleicht bereits bekannt aus Jen Campbells "The Bookshop Book" oder aus eigenen Reisen in die Stadt Wigtown.
Dies sind seine persönlichen Aufzeichnungen aus dem Alltag eines Buchhändlers.
"Wenn jemand seinen Satz mit 'Ich will nicht unhöflich erscheinen, aber...' beginnt, gehen bei mir genauso die Alarmglocken an wie bei dem Satz 'Ich bin kein Rassist, aber...' Dabei ist es doch ganz einfach: Wenn man nicht unhöflich erscheinen will, sollte man auch nicht unhöflich sein. Und wenn man kein Rassist ist, sollte man sich auch nicht wie ein Rassist benehmen." S. 326
Eines sollte man vielleicht vorweg sagen. Vorsicht! Dieses Buch sprüht nur so vor Ironie und Sarkasmus und sehr häufig hat man das Gefühl, dass er den Kunden mit den Aussagen auf den Schlips tritt (oder sogar treten möchte). Manchmal war ich mir nicht ganz sicher, ob Bythell nicht zu sehr versucht scharfe Kommentare als witzigen Gag zu verkaufen. Das hat mir nicht so gut gefallen (zusammen mit seiner Liebe für das Angeln, da ich absolut kein Freund davon bin Fische aus Spaß zu fangen und zu essen). Liest man das Buch aber komplett und beachtet die Aussagen über die Kunden wirklich genau, so merkt man, dass Bythell damit auch oftmals ironisch auf sich selbst Bezug nimmt und sich dadurch auch selbst ein wenig auf die Schippe nimmt. Vor allem wenn es darum geht zu zeigen, wie verbittert, pessimistisch oder sarkastisch er durch seine Arbeit geworden ist. Auf vielen Ebenen entdeckt man hier also durchaus viele Verweise, die beiden Seiten den Spiegel vorhält, um die eigene Verhaltensweise zu hinterfragen - dies gilt auch für die schönen Seiten des Betriebs.
Sein wohl größter Feind und Gegner ist aber (wie bereits am Anfang erwähnt) die Idee des E-Books und der Kindle. Zur visuellen Klarstellung hat er sogar eines der Kindles zerstört und sozusagen als Trophäe (mit Messingschild!) in seinen Laden gehängt. Doch auch der Großkonzern Amazon wird hier systematisch niedergemacht - wohl gemerkt, durch gute Begründungen. Was leider dennoch nicht wirklich hilft (bis jetzt), da die Kunden die Plattform als zu angenehm und einfach empfinden, als darauf zu verzichten. So sieht er sich gezwungen mit ihnen zu kooperieren.
Und doch entdeckt man aber in dem ganzen Witz und der ganzen Ironie deutlich, dass ihm doch all seine Kunden (bis auf die, die ihm selbst keinen Respekt gegenüberbringen oder eben Amazon heißen) sehr wertschätzt und auch zugibt, dass er es trotz aller Ermüdung manchmal leid tut, dass er nicht nach den Geschichten hinter den Kunden gefragt hat. Das wird vielleicht besonders bei der Figur des Mr. Deacon deutlich.
Sein wohl größter Feind und Gegner ist aber (wie bereits am Anfang erwähnt) die Idee des E-Books und der Kindle. Zur visuellen Klarstellung hat er sogar eines der Kindles zerstört und sozusagen als Trophäe (mit Messingschild!) in seinen Laden gehängt. Doch auch der Großkonzern Amazon wird hier systematisch niedergemacht - wohl gemerkt, durch gute Begründungen. Was leider dennoch nicht wirklich hilft (bis jetzt), da die Kunden die Plattform als zu angenehm und einfach empfinden, als darauf zu verzichten. So sieht er sich gezwungen mit ihnen zu kooperieren.
Und doch entdeckt man aber in dem ganzen Witz und der ganzen Ironie deutlich, dass ihm doch all seine Kunden (bis auf die, die ihm selbst keinen Respekt gegenüberbringen oder eben Amazon heißen) sehr wertschätzt und auch zugibt, dass er es trotz aller Ermüdung manchmal leid tut, dass er nicht nach den Geschichten hinter den Kunden gefragt hat. Das wird vielleicht besonders bei der Figur des Mr. Deacon deutlich.
"Ich muss wirklich aufhören, Kunden und Leute, die Bücher verkaufen, so abschätzig zu beurteilen." S. 242
"Ich vermute, man kann mir viel vorwerfen, dass ich mir keine große Mühe gebe, viel über meine Kunden zu erfahren, aber ich bin nie unhöflich zu Kellnern, Kellnerinnen, Putzleuten oder Ladenverkäufern. Außerdem hoffe ich inbrünstig, dass ich noch nie jemanden wie einen Menschen zweiter Klasse behandelt habe, sondern nur die Unhöflichkeit zurückspiegle, mit der mir manchmal begegnet wird. [...] Auch wenn ich das Erscheinungsbild meiner Kunden genau beobachte und kommentiere, so sind es immer nur Beobachtungen - keine Aburteilungen. Zumindest meistens." S. 321f.
Was man als Leser dieses Buches bekommt, ist allerdings eine ganze Menge. Man kommt nicht umhin zu sagen, dass sich natürlich sehr vieles wiederholt. Es ist nun einmal ein Tagebuch, das den Alltag eines Buchhändlers darlegt. Das bedeutet, dass viele Aufgaben auch aus monotonen Arbeitsschritten während der Woche bestehen. Wer so etwas nicht aushalten kann, weil ihm repetitive Stellen eher unnötig erscheinen, der wird hier vielleicht etwas an Lesergenügen einbüßen. Ich persönlich fand es aber durchaus gelungen, da der Alltag so nicht beschönigt wurde. Manchmal ist das Leben in einem Antiquariat eben auch etwas langweiliger.
Paradoxerweise scheint es aber eben nicht langweilig. Denn allein schon die Mitarbeiter bringen immer ordentlich Schwung in den Laden, allen voran die einzige Festangestellte (die sich Bythell finanziell leisten kann) Nicky. Durch ihre sehr freie, sehr eigene und chaotische Art, sorgt sie immer für interessante Entwicklungen. Mir gefiel vor allem, dass Bythell jeden gerne als Mitarbeiter aufnimmt, der genügend Interesse zeigt. Er gibt jedem die gleiche Chance.
Es gibt viele Kapitel, die sich mit dem Ankauf von Büchern beschäftigen und davon erzählen, welche Leute, welche Art von Büchern weggeben und aus welchen Gründen. Das hat mir persönlich sehr gut gefallen (vor allem die vielen Erwähnungen der Folio Society Bücher!). Gleichzeitig steigt die Liste der Bücher, die man lesen möchte noch einmal um ein Vielfaches, da viele Bücher namentlich erwähnt werden und auch interessante Anekdoten dazu preisgegeben werden - in diesen Ankaufsituationen, aber auch im Laden selbst.
Die Kunden sind ebenfalls Gesprächsthema Nummer eins, was irgendwie unausweichlich ist. An vielen Stellen erinnert es an Jen Campbells "Weird Things Customers say in Bookshops", da wirklich seltsame (E-Mail-) Unterhaltungen offengelegt werden, die man kaum glauben kann und auch das Literaturfestival eine relativ große Rolle spielt.
Tatsächlich hat es mich beim Lesen meist zutiefst erstaunt, verletzt und fassungslos zurückgelassen, wie sich angeblich belesene und kultivierte Menschen ihm gegenüber verhalten. Man sollte meinen, dass das Lesen einen, wie viele behaupten, empathischer, verständnisvoller und zu einem "besseren" Menschen macht. Das Gefühl hat man nach dem Lesen dieses Buches sicherlich nicht. Einige bleiben unverschämt, egal wieviel sie lesen.
"Nachdem sie wieder weg waren, trat ein Kunde mit einem Buch an die Theke, schlug es auf, deutete auf das Preisschild von 40 Pfund und fragte: 'Was soll das heißen? Doch sicher nicht 40 Pfund.' Ich versicherte ihm, dass es genau das heißt. Daraufhin hat er das Buch fallen lassen, und es landete auf dem Boden, wodurch eine der Ecken beschädigt wurde. Er ist dann ohne ein weiteres Wort gegangen." S.155f.
"Ich weiß nicht, wie oft Leute bereits Bücher auf die Ladentheke gelegt haben, die wir noch nicht ausgpreist hatten, und sagten: 'Das hier hat keinen Preis. Es muss umsonst sein.' Schon beim ersten Mal war das nicht witzig, und vierzehn Jahre später hat der Spruch das Schillern, das er sowieso nie besaß, gänzlich verloren." S. 63f.
Trotz aller negativen Perspektiven für die vermeintliche Zukunft eines Antiquariats und der teils unmöglichen Verhaltensweisen der Kunden den Angestellten gegenüber, hinterließ das Buch bei mir, als ich es zugeschlagen habe, trotz allem noch den Wunsch, Teil eines solchen Buchladens zu sein, was wirklich merkwürdig klingen muss. Aber ich bin unfassbar gerne an diesen Ort zurückgekehrt und habe davon gelesen, wie die Bücher eingeräumt werden, wann der Kamin zur kalten Jahreszeit angemacht wird, welche Buchtipps empfohlen werden und wo sich die Katze "Captain" so rumtreibt. Ebenso wie viele Bücher bestellt werden wollten, wer diese Bücher gekauft hat, wer seine Büchersammlung verkauft hat und aus welchem Grund und wie viele Bücher doch unauffindbar geblieben sind. Auch wenn Shaun Bythells Ton rau sein kann und an einigen Stellen, trotz witziger Intention, etwas übers Ziel hinauszuschießen scheint, merkt man, dass er den Beruf und die Literatur liebt und die Menschen auch zu schätzen weiß, die seinen Laden betreten. Man wird einige Male tatsächlich auch laut auflachen müssen, wenn die Situationen sehr skurril werden.
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