Werbung - Rezensionsexemplar (Original: "The Power"/ 2016) Heyne, Übersetzer/in: Sabine Thiele (aus dem Englischen), ★★★★(★) 4 bis 5 Sterne
"Es sind scheinbar gewöhnliche Alltagsszenen: ein nigerianisches Mädchen am Pool. Die Tochter einer Londoner Gangsterfamilie. Eine US-amerikanische Politikerin. Doch sie alle verbindet ein Geheimnis: Von heute auf morgen haben Frauen weltweit die Gabe – sie können mit ihren Händen starke elektrische Stromstöße aussenden. Ein Ereignis, das die Machtverhältnisse und das Zusammenleben aller Menschen unaufhaltsam, unwiederbringlich und auf schmerzvolle Weise verändern wird.“
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"Fernsehexperten sagen: 'Sperrt sie alle in Hochsicherheitsgefängnisse.' Soweit man das bisher sagen kann, sind alle Mädchen im Alter von etwa fünfzehn Jahren betroffen. Man kann sie nicht alle einsperren, das ist sinnlos. Dennoch fordert es die Öffentlichkeit“ S.29
Margaret Atwoods Lobeshymne auf den Roman prangt vorne auf dem Cover und auch im Nachwort wird ihr von der Autorin für ihre Hilfe gedankt. Es schien mir also kaum verwunderlich, dass man gewisse Bezüge zwischen Naomi Aldermans Roman und Margaret Atwoods Stil ziehen konnte.
Bereits beim Anfang, an dem sich herauskristallisiert auf welch spezielle Art und Weise der Roman aufgebaut ist, kam mir Der Report der Magd in den Sinn. Auch dort werden zu dem Erzählbericht, der die Handlung aufgreift, weitere Zusätze in Form von geschichtlich recherchierten Unterlagen beigefügt, die das Ganze eben wissenschaftlich wirken lassen sollen. Ich persönlich fand es schon in Atwoods Roman wahnsinnig spannend, sodass mich auch der Ansatz in Die Gabe sofort begeistern konnte.
Obwohl mich dieses Konstrukt oder diese Rekonstruktion vorrangig überzeugen konnte, empfand ich auch den Inhalt und die ganze Metaphorik sehr stark.
Denn seien wir mal ehrlich. Wie oft hat man sich (heimlich) gedacht, sobald sich politisch oder grundsätzlich zwischenmenschlich Barrikaden aufgetan haben, dass Frauen in einer Machtposition ganz anders gehandelt hätten? Dass Frauen viel weniger zu Brutalität und Kampfgeist neigen und alles diplomatischer lösen würden?
Diesen Aspekt greift der Roman zunächst scheinbar vorrangig auf, denn Die Gabe ist nur den Frauen vorbehalten. Dadurch können sie sich in der männerdominierten Welt endlich etwas Kraft verleihen, sich wehren und auch Machtworte sprechen. Schnell wird aber deutlich, dass der Roman nicht darauf abzielt, das Bild der 'guten', 'netten' Frau darzustellen, die sich für das Wohlbefinden der ganzen Welt einsetzt. Man wird nicht mit den typischen Bildern konfrontiert, die man sich ausmalt, wenn man davon ausgeht, dass Frauen regieren würden und es wird meiner Meinung nach hervorragend mit den Geschlechterrollen und auch Geschlechterpositionen gespielt.
Bereits beim Anfang, an dem sich herauskristallisiert auf welch spezielle Art und Weise der Roman aufgebaut ist, kam mir Der Report der Magd in den Sinn. Auch dort werden zu dem Erzählbericht, der die Handlung aufgreift, weitere Zusätze in Form von geschichtlich recherchierten Unterlagen beigefügt, die das Ganze eben wissenschaftlich wirken lassen sollen. Ich persönlich fand es schon in Atwoods Roman wahnsinnig spannend, sodass mich auch der Ansatz in Die Gabe sofort begeistern konnte.
Obwohl mich dieses Konstrukt oder diese Rekonstruktion vorrangig überzeugen konnte, empfand ich auch den Inhalt und die ganze Metaphorik sehr stark.
Denn seien wir mal ehrlich. Wie oft hat man sich (heimlich) gedacht, sobald sich politisch oder grundsätzlich zwischenmenschlich Barrikaden aufgetan haben, dass Frauen in einer Machtposition ganz anders gehandelt hätten? Dass Frauen viel weniger zu Brutalität und Kampfgeist neigen und alles diplomatischer lösen würden?
Diesen Aspekt greift der Roman zunächst scheinbar vorrangig auf, denn Die Gabe ist nur den Frauen vorbehalten. Dadurch können sie sich in der männerdominierten Welt endlich etwas Kraft verleihen, sich wehren und auch Machtworte sprechen. Schnell wird aber deutlich, dass der Roman nicht darauf abzielt, das Bild der 'guten', 'netten' Frau darzustellen, die sich für das Wohlbefinden der ganzen Welt einsetzt. Man wird nicht mit den typischen Bildern konfrontiert, die man sich ausmalt, wenn man davon ausgeht, dass Frauen regieren würden und es wird meiner Meinung nach hervorragend mit den Geschlechterrollen und auch Geschlechterpositionen gespielt.
"Männer dürfen nicht mehr wählen - die vielen Jahre voller Grausamkeit und Erniedrigung haben gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, zu regieren oder zu verwalten." S.336
Der Roman ist brutaler und deutlich kritischer, als ich ihn mir anfangs vorgestellt hatte, aber genau das ist es auch, was das Buch ausmacht. es zeigt auf, dass dieses Bild was wir von einer friedlichen Welt unter der 'Herrschaft' der Frau vorstellen, gar nicht existieren kann. Das Gefühl der Macht und das Verlangen danach ist unabhängig vom Geschlecht entweder stark oder schwach ausgeprägt.
Man kann Menschen nicht nach Wunsch in bestimmte Gruppen aufteilen und hoffen, dass sich die eine Hälfte der anderen unterordnet und wehrt.
Genauso gut wird aber auch aufgezeigt, dass es problematisch ist, wenn die 'Geschlechter' beginnen, durch neu erhoffte Chancen, neu zu positionieren um die Oberhand zu erlangen. Der Roman verdeutlicht, dass es keine Frage der Geschlechter ist, wie man handelt, sondern rein eine Frage der Absichten eines jeden Menschen. Obwohl manche Ausführungen und Handlungen sehr banal erscheinen, zum Beispiel in Bezug auf die körperliche Befriedigung oder die allgemeine körperliche Macht über einen anderen Menschen, ist immer eine deutliche Botschaft dahinter zu erkennen. Dabei fand ich es immer erschreckend zu sehen, dass man, wenn man die Stellen liest, absolut weiß, dass die Verhaltensweisen grausam und vollkommen 'unmenschlich' sind (in Bezug auf die Tatsache, was man überhaupt als menschliches Handeln ansieht) und dennoch stellt man fest, dass es einfach in unserer heutigen Gesellschaft (im übertragenen Sinne) genauso abläuft.
Frauen besitzen zwar nicht die Gabe, Elektroschocks zu verteilen, aber grundsätzlich thematisiert der Roman diese Kraft, oder auch, wie der englische Titel passend ausdrückt The Power, nach der sich die Menschen anscheinend in der Gesellschaft sehnen. Politische Machtspiele, Die ständige Diskussion darüber, ob Männer wirklich das stärkere Geschlecht sind, diese permanente Kritik an alles und jedem, der nicht der Norm entspricht.
Zudem werden diese gesellschaftlichen Fragen, die zumeist erst einmal nur in der eigenen Nationalität angesprochen werden auch noch in die weltliche Situation ausgeweitet. Religionen werden hinzugezogen, Gottesbilder werden skizziert und wieder zertrümmert. Man kann wirklich nicht sagen, dass der Roman einem wenig Gesprächsstoff bietet. Und dennoch ist der Roman am Ende so clever konstruiert, dass man sich einerseits denkt: 'Ja, jetzt müssen doch alle aufwachen und begreifen, was für ein Irrsinn diese Macht und die Vorstellung davon eigentlich ist' und kurz darauf hat man irgendwie das Gefühl, dass die Menschen manchmal einfach nicht die Kraft haben nachzugeben und sich Schwächen einzugestehen, um voranzukommen.
Ich hoffe dennoch sehr, dass dieses Buch von vielen gelesen und reflektiert wird und dass diese Visionen einer Zukunft, die man sich nicht vorstellen möchte, nicht irgendwie doch für immer unsere jetzige Situation wiederspiegeln wird.
"Die Kraft sucht ein Ventil. Diese Dinge haben sich schon zuvor ereignet, und das werden sie auch wieder. Ein endloser Kreislauf." S.401
Packende Geschichte, die sich als historischer Roman tarnt und den Leser in seinen Bann zieht. Greift sehr viele Punkte der Gesellschaft auf, die sich mit der geschlechtlichen Identität beschäftigen und auf die Frage eingehen, was uns Macht überhaupt bringen kann und bringt. Spielt mit vielen religiösen Bezügen und wird so zu einem genial konstruierten Leseerlebnis. Spannend und hoffentlich auch endlich mal 'Augen öffnend'.