(Original: "4 3 2 1"/ 2017) Faber & Faber / Faber Books, Übersetzer/in: -, Englische Ausgabe, ★★★(★)☆ 3 bis 4 Sterne
Am 3. März 1947 wird in Newark, New Jersey ein Junge namens Archibald Isaac Ferguson geboren, der einzige Sohn von Rose und Stanley Ferguson. Von diesem einzigen Moment an wird Fergusons Leben vier fiktive, unabhängige Lebensstränge entfalten. Vier Fergusons, geschaffen aus dem selbengenetischen Material, vier Jungs, welche derselbe Junge sind, welche aber vier parallele und komplett unterschiedliche Leben führen werden.
"For the Fergusons, the weak-minded notion All-For-One-And-One-For-All did not exist. In their little world, it was All-For-All-or nothing." S.3
Paul Austers neuer Roman hat es in sich und das nicht nur hinsichtlich der doch massiven Seitenzahl. Als Leser wird man auf den knapp neunhundert Seiten von sehr vielen Informationen erschlagen, auch wenn man sich zu Beginn bereits versucht eine Taktik anzueignen, wie man die Informationen auseinanderhalten soll.
Grund dafür ist die zunächst recht gelungene Umsetzung der Idee des Romans; es werden vier Lebensstränge des Protagonisten Archibald Isaac Ferguson erzählt, die sich nacheinander abwechseln und sein Leben bis in die Mittzwanziger erzählen. Auch wenn natürlich die Familienmitglieder wiederholt auftauchen, muss man sich mit vielen anderen Figuren vertraut machen, die mal erscheinen und dann wieder verschwinden. Ebenso wechseln die Wohnsituationen oder kleine Details in seinem Leben, die jedoch weitreichende Konsequenzen haben. Was mir zunächst etwas schwierig und kompliziert wirkte, entpuppte sich mit den fortlaufenden Kapiteln als kein allzu großes Hindernis, da jedes Kapitel besondere Eigenheiten des Lebens eines der vier Ferguson Jungs, noch einmal hervorhebt und man es so auch nach einiger Zeit schafft, die verschiedenen Archibalds auseinanderzuhalten.
Ich
muss aber letztlich sagen, dass mich der Roman im Großen und Ganzen
etwas enttäuscht hat und das hat Gründe, die man meiner Meinung nach
hätte verhindern können.
Mir
gefiel die gesamte Idee des Romans, ich war begeistert vom Anfang und
auch vom Ende und war auch bis weit über der Hälfte noch am schwärmen.
Und dann plötzlich hat sich der Roman und der Inhalt für mich so
unfassbar gezogen, ausgedehnt und in irgendwelche Kleinigkeiten
verzettelt, dass ich mich in dem letzten Teil eher gelangweilt, als
spannend mitgelesen habe.
Dabei greift der Roman aber trotzdem wunderbare Ansichten auf zum Beispiel was veränderte Umstände in unserer Persönlichkeit auslösen würden, ob Geld wirklich alle Sorgen lösen würde, wie stark man auf etwas Einfluss nimmt, wenn man sich nur richtig engagiert und auch Fragen hinsichtlich der Beziehung zu verschiedenen Familienmitgliedern. Der Roman ist wirklich sehr umfangreich was seine Thematik anbelangt.
"’You don´t want to reinvent the world, Archie, you want to understand the world so you can find a way to live in it.’." S.687
Zu Beginn lernt man den sehr jungen Ferguson kennen, man liest von seinen Strapazen, lernt seine Elterngeschichte kennen, es entsteht wirklich ein festes Band, sodass dem Leser der Junge tatsächlich am Herzen liegt. Ebenso empfand ich vor allem am Anfang den Schreibstil als sehr angenehm und durchaus spannend. Man hatte nie den Eindruck, dass einem egal sei, was denn nun geschieht, dafür sorgen zudem auch schon zu Beginn gewisse Ereignisse, die den Roman 'lebhaft' gestalten, auch wenn eigentlich nur der Lebenslauf wiedergegeben wird.
Nach und nach war es bei mir dann aber so, dass ich zu einigen Lebenssträngen eher den Draht verloren habe, ab einem späteren Abschnitt wurden mir dann beinahe schon fast alle Archibald-Figuren lästig. Auch hier spricht wohl eindeutig meine sehr persönliche Einschätzung und Meinung, aber diese manchmal wahllosen und übermäßig vielen Einschübe jeglicher Beziehungen und sexuellen Annäherungen und irgendwelcher anderer ähnlicher Tagträumereien war mir dann wieder einmal zu viel. Durchaus ist mir bewusst, dass der Roman die Geschichte eines heranwachsenden Jungen erzählt, diese Dinge gehören dazu und sie sind auch nicht komplett auszuschließen, aber vor allem zum Ende hin erschienen mir manche Sachen sehr grotesk und unfassbar überspitzt zum Beispiel als auch noch in einem Lebenslauf sein Großvater mit irgendwelchen erotischen Spielchen assoziiert wird. Ich empfand diese Einschübe dann als 'Notstopfer', um noch irgendwie Spannung in das Ganze zu bringen, was für mich allerdings eher den gegenteiligen Effekt erzielte.
Für mich war der letzte Teil also eine persönliche, kleine Katastrophe, da hätte man notfalls kürzen sollen, denn das letzte Kapitel bildet einen so schönen Rahmen zum Anfang und stellt die Idee noch einmal auf eine ganz andere Stufe, dass mir die vorherigen Kapitel erschienen, als hätte sie jemand anders verfasst.
Allerdings mochte ich an dem Roman die vielen literarischen Anspielungen. Das Buch ist eine wahre Fundgrube, wenn man nach Buchtipps sucht. Zudem wird wunderbar mit dem Schreiben sich gespielt. Was bedeutet es einen Roman zu verfassen und wie würde man sein eigenes Leben niederschreiben?
Und auch wenn ich den älteren / die älteren Fergusons nicht alle mochte, werde ich den jungen Ferguson durch den Roman immer positiv in Erinnerung behalten. Es ist letztlich eine Geschichte mit so vielen Facetten, Wendungen und Ansichten, dass sie wohl nicht jedem in vollem Ausmaß gefallen kann.
“' I´m saying you´ll never know if you made the wrong choice or not. You would need to have all the facts before you knew, and the only way to get all the facts is to be in two places at the same time - which is impossible.” S.240
Sehr umfangreicher Roman, der sich mit vier Lebenssträngen eines Jungen beschäftigt. Für mich fing der Roman stark an und hört im letzten Kapitel auch sehr stark auf, aber kurz vor dem imposanten Ende verlor sich der Autor meiner Meinung nach in zahlreichen, ausgedehnten Passagen, die dem 'sehr guten Eindruck' etwas geschadet haben. Es kamen deutlich mehr Wiederholungen auf, als mir lieb war, vor allem hinsichtlich vieler sexueller Erlebnisse, die mich haben laut Aufatmen lassen, weil sie nicht die nötige Spannung, sondern eher Augenrollen hervorgebracht haben. Dennoch fand ich den Roman durchaus gelungen, wenn man die sehr eigene Art und Weise der Erzählung berücksichtigt und die liebevollen Passagen, die sich mit der Literatur befassen. Es ist eine Ode an das Leben und an die Bücher, welche uns bereichern und es erzählt davon, was uns am Ende wirklich ausmacht.
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