(Original: "H is for Hawk") von Helen Macdonald, Ullstein, Allegria [klick]| , 416 Seiten, Einzelband, ★★★★(☆) 4 bis 5 Sterne
"Schon als Kind beschloss Helen Macdonald, Falknerin zu werden. Sie eignete sich das komplizierte Fachvokabular an, mit dem sich die Falkner wie in einer Geheimsprache untereinander verständigen, und las die Klassiker der Falknereiliteratur. Ihr Vater unterstützte sie in dieser ungewöhnlichen Leidenschaft, er lehrte sie Geduld und Selbstvertrauen und blieb eine wichtige Bezugsperson in ihrem Leben.
Als ihr Vater stirbt, setzt sich ein Gedanke in Helens Kopf fest: Sie muss ihren eigenen Habicht abrichten. Sie ersteht einen der beeindruckenden Vögel, ein Habichtweibchen, das sie auf den Namen Mabel tauft, und begibt sich auf die abenteuerliche Reise, das wildeste aller wilden Tiere zu zähmen."
MEINE MEINUNG | FAZIT
"Der Habicht hatte mein Haus mit Wildnis erfüllt, ebenso wie eine Vase voller Lilien ein Haus mit Duft erfüllen kann. Es konnte beginnen." S. 94
Helen Macdonald erzählt mit "H wie Habicht" mehr als nur eine einfache Habichtgeschichte, mehr als nur schlichte Beobachtungen eines Tiers, welches ihre Aufmerksamkeit erweckt hat. Und genau das hat mich am Ende doch überrascht. Ich wusste nicht wirklich worauf ich mich einließ, als ich das Buch begonnen habe. Mit der Zeit jedoch wird man nicht nur in die Welt der Autorin in Hinblick auf das Tier, den Habicht, miteinbezogen, sondern auch in ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Leben. So kommt das Werk beinahe wie in einer Tagebuchform daher. Es ist sehr persönlich und bietet intime Einblicke in die psychischen Schwierigkeiten, mit denen die Autorin, durch Verluste, zu kämpfen hatte. Es ist eine Lebensgeschichte, die die Verarbeitung von Trauer thematisiert und gleichzeitig darlegt, wie viel Hoffnung Helen Macdonald in die Arbeit mit einem Habicht investiert. Es ist wirklich rührend zu lesen, wie ehrlich die Autorin mit sich selbst (geworden) ist. Die Verknüpfung durch die Verarbeitung des Todes ihres Vaters und die Flucht in eine Welt, in der sie sich zu ihm verbunden fühlt, weckt große Emotionen und gleichzeitig den Beschützerinstinkt in dem Leser. Ich habe zu Beginn mit einer starken Erzählerin gerechnet. Einer Person, die von einem energiegeladenen Hobby berichtet und darlegt, wieviel Kraft es kostet, solch ein Tier zähmen zu wollen. Zum Teil trifft dies auch zu, aber man bekommt auch die tiefgründigen, verletzlichen Seiten zu Gesicht. Man merkt, wie viel Kraft sie das Leben an sich manchmal kostet und wie stark die Zuflucht und die Verbundenheit zu einem Tier sein kann, um sich selbst stärker zu fühlen. Bezogen auf die Arbeit mit dem Habicht merkt der Leser auch sofort, wie fasziniert Helen Macdonald von diesen Tieren ist. Man spürt die Leidenschaft hinter dem Hobby, auch wenn es sie an ihre Grenzen bringt. Dennoch scheint es ihr lezter Anker zu sein, der ihr helfen kann, das Leben als solches sinnvoll zu gestalten.
"Du steckst dein Herz, dein Können, deine ganze Seele in eine Sache - in das Abtragen eines Greifvogels, in das Erlernen von Tricks und Kniffe beim Spielen - und gibst dann die Kontrolle darüber auf." S. 242
Die persönliche Geschichte der Autorin wird zudem mit einem interessanten Rückblick in die Vergangenheit verknüpft. Sie zieht die Erlebnisse eines anderen Falkners hinzu, die des T.H. White, welcher zu der Zähmung eines Habichts ebenfalls Werke verfasst hat. Durch diese Verknüpfung entsteht eine zeitliche Entwicklung und schließt zudem den wandelnen Prozess in den verschiedenen Jahren der Zähmung von Habichten mit ein. Seine Lebensgeschichte und seine Erfahrungen dienen zudem als Vergleichsbasis zu Helen Macdonalds Leben und Erfahrungen. Dies bietet einen guten Kontrast und stärkt die von Macdonals selbstempfundenen Unterschiede zwischen ihnen.
Zudem ist es, sobald man sich in die Geschichte hineingelesen hat und mit den Begriffen immer mehr vertraut ist, wirklich spannend zu sehen, wohin die Reise den Habicht "Mabel" und Helen Macdonald führt. Ab und an, muss ich sagen, waren mir die Beschreibungen der Attacken des Habichts etwas zuviel. Ich kann es nicht wirklich gut ertragen, wenn geschildert wird, wie Tiere von anderen Tieren getötet und auseinandergenommen werden, sodass die Stellen für jeden wohl seine persönliche Note haben. Gefallen hat mir allerdings widerum Macdonalds Schilderung der eigenen Empfindung, wenn sie sieht, wie der Habicht die Tiere fängt und ihren innerlichen Zwiespalt dieses Aktes gegenüber.
Letztenendes ist "H wie Habicht" aber nicht nur eine spannende Geschichte über die Erlebnisse der Autorin mit "Mabel", sondern es ist eine wunderschön literarisch erzählte Geschichte, in die man gerne eintaucht und sich von den Schilderungen der Autorin leiten lässt. Gleichzeitig empfand ich das Buch auch als eine Art Liebe zur Literatur.
"Ich war geflohen, um ein Habicht zu werden, hatte in meinem Unglück den Habicht aber nur in einen Spiegel meiner selbst verwandelt." S. 299
Emotional erzählt und mehr als nur eine einfache Beobachtung eines Habichts, der gezähmt werden soll. Beschäftigt sich mit dem Thema des Verlusts und der Schöpfung neuen Lebensmutes. Verknüpft zudem gekonnt durch die Einbeziehung des T.H. White die historische Geschichte des Zähmnes der Habichte. Der Schreibstil war angenehm und liest man sich in wenig in die Fachbegriffe hinein, so ist die Geschichte wirklich ein tolles Werk, welches aufzeigt, wieviel Kraft einem die Leidenschaft zu einem Hobby schenken kann.
Um das Buch schleiche ich jetzt auch schon länger rum. Vermutlich muss ich es mir endlich mal auf die Wunschliste setzen!
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