"Mrs. Dalloway" von Virginia Woolf

Mai 24, 2022

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Mrs Dalloway"/ 1925) Manesse Verlag - Manesse Bibliothek - Mehr Klassikerinnen (2022), Übersetzer/in: Melanie Walz (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Es ist ein besonderer Tag im Leben der zweiundfünfzigjährigen Clarissa Dalloway: Die Gattin eines Parlamentsabgeordneten will am Abend eine ihrer berühmten Upper-class-Partys geben. Der Tag vergeht mit Vorbereitungen, zufälligen Begegnungen mit Jugendfreunden, Konversation, nostalgischen Betrachtungen, Sinneseindrücken beim Flanieren ... Ein besonderer Tag soll es – aus ganz anderen Gründen freilich – auch für Septimus Smith werden. Auch ihn, den Kriegsheimkehrer, beschäftigt die Gegenwärtigkeit des Vergangenen in jedem einzelnen Augenblick."
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"Irgendjemand hatte ihn mitgebracht, und Clarissa hatte seinen Namen nicht verstanden. Sie stellte jedermann als Wickham vor. Zuletzt sagte er: 'Ich heiße Dalloway!' - das war sein erster Eindruck von Richard -, ein blonder junger Mann, eher linkisch, der auf einem Liegestuhl saß und mit den Worten herausplatzte: 'Ich heiße Dalloway!' "  S.109

Viele großen Romane tragen den Namen einer Frau als Titel. Und eigentlich geht man davon aus, dass diese dann auch den zentralen Mittelpunkt der Geschichte einnimmt. Clarissa Dalloway hingegen ist ein Verbindungsstück zwischen allen Protagonist*innen, denen wir begegnen. Und an diesem Tag der Erzählung sind es einige. 
 
Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich anfangs etwas verwirrt war. Darüber, dass die Übergänge in die wechselnde Erzählperspektive sehr lose sind. Gerade waren wir noch bei Mrs. Dalloway, schon sind wir bei Septimus Smith oder Peter Walsh, einem alten Freund von Clarissa, welcher die Beziehung zu ihr und sein Leben ebenfalls noch einmal Revue passieren lässt.
Man muss sich als Leser*in manchmal selbst kleine Anhaltspunkte suchen, um zu erkennen, wann genau wir welchem Innenleben, den Gefühlen und Gedanken der Figuren, folgen und wie diese zueinander stehen.
Das mag einige Aspekte des Romans etwas chaotisch wirken lassen, besaß aber (wie ich finde) letztlich doch einen ganz eigenen Reiz.

"Auch die Liebe war zerstörerisch. Alles Schöne, alles Wahre ging verloren." S.225f.
 
Das Tempo und damit der Ablauf des Tages ist recht zügig, wenn auch gar nicht so viel geschieht. Lässt man sich jedoch von den Figuren und dessen Schicksalen einfach treiben, bietet der (erzählte) Tag viele wichtige Botschaften und interessante Beobachtungen. Dies verlangt eventuell eine Stimmung mit etwas Geduld, da man sonst viele Aspekte. Äußerungen und Abläufe oder sogar die Erzählung für etwas nichtig halten könnte, aber es lohnt sich. 

Der Roman befasst sich mit Themen, die heute weiterhin unfassbar aktuell sind. Die Rolle der Frau in einer Ehe, die Wünsche, Träume und auch Hoffnungen, die damit verbunden sind. Die Ignoranz der Gesellschaft gegenüber depressiven Mitmenschen - ganz zu schweigen davon, wenn es sich um sogenannte "weiche" Männer handelt. Und natürlich um das gesamte soziale Getue, mit dem sich die Upper Class abzugrenzen versucht. Was bleibt ist jedoch eine Fassade, hinter die es in jedem der aufgeführten Schicksale zu blicken gilt.

"Sind wir nicht alle Gefangene? Sie hatte ein wunderbares Theaterstück über einen Mann gelesen, der an der Wand seiner Zeit kratzte, und ihr war, als ob das die Wahrheit über das Leben sei - dass man an der Wand kratzte." S.138
 

Ein Klassiker, der es sicherlich verdient geworden ist. Die Schwere der Themen und die gleichzeitige Leichtigkeit der Erzählungen machen aus "Mrs. Dalloway" eine lesenswerte Lektüre. Man muss jedoch in der Stimmung für einen Roman sein, der die Leser*innen wie eine Feder durch die Stadt treiben lässt, die Perspektiven wechselt und so bei den Übergängen für einige Verwirrrungen sorgen kann. Grundsätzlich ist das Tempo schnell, doch die Handlung ist nicht der zentrale Punkt. Der Fokus liegt auf den psychischen und gesellschaftlichen Aspekten der Figuren. Für mich wahnsinnig interessant, da ich mir auch vorstellen kann, dass jede*r Leser*in bei einem anderen Schicksal hängen bleibt und diesen im Herzen und in den Gedanken tragen wird.


 

2 Kommentare:

  1. Hey, Mrs. Dalloway habe ich bisher nie gelesen. Aber mich hat deine Rezension noch einmal sehr neugierig gemacht.

    Liebe Grüße,
    Zeilentänzerin

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    1. Hab auch lange gebraucht, bis ich mal dazu gegriffen habe. Aber ist wirklich ein schöner Klassiker, der die Gedanken schweifen lässt und trotzdem wichtige Dinge aufgreift. :)
      Hoffe (falls du es liest), dass es dir auch gefallen wird.

      Liebe Grüße
      Karin

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