"Ariadne" von Jennifer Saint

August 18, 2021

(Original: "Ariadne" / 2021) Flatiron Books , Übersetzer/in: -, ★★★(★)☆ 3,5 Sterne
Ariadne, Prinzessin von Kreta, wächst damit auf, auf den königlichen Böden zu tanzen und ihren Kindermädchen zuzuhören, wenn sie von Göttern und Helden erzählen. Doch unter dem goldenen Palast hallen die Hufschläge ihres Bruders, dem Minotaur, einem Monster, dem es nach Blutopfern dürstet, wider.
Wenn Theseus, der Prinz von Athen, anreist, um das Monster zu töten, sieht Ariadne in seinen Augen keine Gefahr, sondern einen Ausweg. Doch was wird aus ihrer Schwester Phaedra und kann sie auf ein Happy End hoffen?
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"It seemed the night skies were littered with mortals who had encountered the gods and now stood as blazing examples to the world below of what the immortals could do."  S.10
Nach Madeline Millers "Achilles" & "Circe" kommt jetzt also Ariadne. Vorhang auf für die Prinzessin von Kreta und Schwester des Minotaurs.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin froh, dass ich das Buch gelesen habe. Auch wenn es mich nicht ganz so überzeugen konnte wie anfangs gehofft, hat es wirklich starke Abschnitte und Aussagen.

Doch erstmal zu dem aber. Ich wollte Ariadne lieben, hatte aber nach und nach ein wenig das gleiche Problem wie schon bei "Circe", nämlich, dass sich das Buch für mich ein wenig in die Länge gezogen hat und dadurch langatmig wirkte. Ich wollte zwar erfahren, was noch passieren wird und war jedes Mal aufs Neue gespannt, wenn ich es zur Hand nahm, aber nach nur wenigen Seiten merkte ich, dass ich den Erzählstil einfach nicht gänzlich genieße.
Mir kam es oftmals zu monoton und beinahe gefühlskalt vor. Ariadne als Protagonistin voller Sehnsüchte und Wünsche, aber innerlich irgendwie stumpf, was sich leider auch auf ihren Ton niedergeschlagen hat. So wirkten einige Passagen etwas schwerfällig. 
Vieles hat sich für mich zudem wiederholt. Damit meine ich Wiederholungen, die nur dazu eingesetzt werden, um die Leser*innen mit kleinen Cliffhangern zu ködern. Doch wenn die Cliffhanger aus den gleichen Aussagen bestehen, verfliegt der Reiz irgendwann. Dabei ist die Auflösung der Cliffhanger zwar durchaus interessant, aber eben durch das große Aufbauschen auch etwas "enttäuschend".
"What I did not know was that I had hit upon a truth of womanhood: however blameless a life we led, the passions and the greed of men could bring us to ruin, and there was nothing we could do." S.12
Nichtsdestotrotz gab und gibt es auch weiterhin viele Aspekte, die ich an der mythologischen Neuerzählung rund um Ariadne und ihre Familie mehr als geglückt und interessant fand. 

Ich mochte das Thema der "typischen" mythologischen Familie. Der Vater giert nach Macht, die Mutter unter Qualen (hauptsächlich durch die Taten des Ehemanns verursacht) und die Kinder beziehungsweise Geschwister, die sich versuchen ein glücklicheres Leben aufzubauen, aber nicht ganz von den Bräuchen und Anforderungen loskommen - inklusive dem Monster, welches der eigene Bruder ist. Durch neue Facetten wird dieses Bild jedoch gut weitergesponnen.
Genossen habe ich zudem die Entwicklung zwischen Ariadne und Phaedra. Die gegenseitigen Beschreibungen der jeweils anderen Schwester waren etwas Besonderes und das Spiel mit dem letztlichen Ausgang war meiner Meinung nach sehr spannend und clever gelöst. Als Leser*in fragen wir uns dadurch ständig: Was bedeutet Familie für alle Figuren eigentlich wirklich? Sehen sie sich nach Gemeinsamkeiten und Liebe? Oder ist es doch nur ein Vorwand für ganz andere Intentionen?
Und natürlich thematisiert die Geschichte auch die Frau als Besitz und Spielzeug inmitten der männerdominierten Welt. Durch mehrere Perspektiven der Figuren wird der gewollte Ausbruch daraus thematisiert. Kritik daran wird lautstark geäußert, doch schaffen es die Frauen sich von diesem Schicksal zu lösen? Und lassen es die Männer - und vor allem Götter - zu?

Auch wenn ich die monotone Erzählweise kritisiert habe, muss ich gestehen, dass die Atmosphäre grundsätzlich sehr stimmig ist. Je nachdem, wo sich die Figuren gerade aufhalten und mit was sie zu kämpfen haben, passt sich das Gefühl (zum Beispiel Wärme, Isolation, Landschaft) wunderbar an.
"I would not let a man who knew the value of nothing make me doubt the value of myself." S.179

 

Eine geglückte, kluge, aber auch eher leise Neuinterpretation der Geschichte von Ariadne. Nach dem Lesen gibt es wenig, dass ich wirklich kritisieren möchte, da die Stimmung, die Figuren und auch die neuen Einflüsse in die Erzählung mehr als stimmig waren. Dennoch wirkte der Roman für mich manchmal zu langatmig und in der Erzählweise zu monoton, sodass während des Lesens das Gefühl der Begeisterung kleiner gewesen ist. Nichtsdestotrotz ein Buchtipp für alle, die sich für die mythologischen Sagen interessieren und nicht zwingend ein rasantes Tempo benötigen.
 

 

7 Kommentare:

  1. Mich hat Ariadne auch nicht 100% überzeugt, vor allem im Vergleich zu Millers Werken muss ich jetzt rückblickend sagen. Die sind dann doch besser geschrieben und geschickter gemacht. Unterhaltsam fand ich Ariadne aber trotzdem und wo du gerade die Familiendynamik ansprichst: ich fand es total interessant zu sehen wie unterschiedlich Pasiphae hier und in Circe dargestellt wird. In Circe noch die grausame Schwester (obwohl da auch schon durchblickt, dass sie eben auch nur auf ihre Weise versucht, sich gegen das Patriarchat durchzusetzen) und in Ariadne nun eher die tragische, abgestumpfte Mutter. Ich liebe diese Crossovers zwischen den verschieden Neuinterpretationen.

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    1. Ja, bin da ganz bei dir. Aber ich seh mich eh schon 2022 Saints neues Buch über "Elektra" kaufen. :D Es interessiert mich dann doch irgendwie immer zu sehr...

      Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass mir da der Vergleich der Figur der Pasiphae gar nicht so präsent war! Finde daher deine kurze Analyse hier schon super.

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    2. Haha, ich muss gestehen, dass ich vor ner Weile ne Hausarbeit über Circe geschrieben habe und mir da auch Pasiphae noch mal genauer angeschaut habe, deshalb hatte ich das so parat. Ansonsten wäre das auch in den Untiefen meines Gedächtnisses verloren gegangen ;D

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  2. Ahoi liebe Karin,

    danke für die Vorstellung; ich glaube, das könnte echt was für mich sein - für (griechische) Mythologie habe ich ja ein Faible :D

    Liebe Grüße
    Ronja von oceanloveR

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    1. Finde solche Bücher auch super spannend und freue mich irgendwie, dass die momentan so einen Boom erfahren. :D

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  3. Huhu,
    schöne Rezension, habe ich gerne bei meiner verlinkt =)
    Mir ging es ähnlich wie dir, ich fand das Buch ganz unterhaltsam, aber an die Komplexität, Intensität und sprachliche Rafinesse von Circe reichte es dann doch nicht ran. Ich werde aber sicherlich trotzdem noch Jennifer Saint andere Bücher zu Elektra, Hera und Atalante lesen =)

    Liebe Grüße, Sandra
    PS. Hier findest du meine Rezension zum Buch

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    1. Vielen Dank deinen Kommentar und die liebe Verlinkung! :)

      Ja, ich werde die Finger von den nächsten Büchern sicherlich auch nicht lassen können. Aber ich hoffe, dass es inhaltlich dann noch etwas stärker herausstechen wird. :)


      Liebe Grüße
      Karin

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