"Dinge, an die wir nicht glauben" von Bryan Washington

August 29, 2021

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Memorial"/ 2020) Kein & Aber (2021), Übersetzer/in: Werner Löcher-Lawrence (aus dem Englischen), ★★★☆☆ 3 Sterne
"In Bens und Mikes hitzigen Streitereien fliegen schon mal Handys durch die Gegend. Ihre Konflikte löst das junge Paar mit Sex. Ben, ein schwarzer Kindergärtner, und Mike, ein Koch mit japanischen Wurzeln, leben seit vier Jahren zusammen in Houston. So richtig glauben beide nicht mehr an ihre Liebe. Als Mikes schroffe Mutter Mitsuko aus Japan zu Besuch kommt, reist Mike überstürzt ab, um seinen todkranken Vater zu pflegen, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Ben bleibt zurück mit einer fremden Frau, die auf Distanz geht und erst mal wortlos die ganze Küche umräumt. Aber mit der Zeit merken Ben und Mitsuko, dass sie Mike durch den jeweils anderen neu kennenlernen. Seine Abwesenheit wird zum verbindenden Glied. Doch dann kehrt Mike zurück, und das fragile Gebilde gerät ins Wanken. "
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"Es ist, als befänden wir uns in einer verschissenen romantischen Komödie, sagte ich. Als wären wir beide verschissene Rom-Com-Bösewichte."  S.43

"Was verbindet uns wirklich, wenn wir uns zu verlieren drohen?" Diese Frage, als Aufhänger für den Roman, hat mich sofort angesprochen. Ich wollte herausfinden, wie die beiden Protagonisten mit der ungewöhnlichen Situation umgehen, in der sie sich befinden und wie sich die Persönlichkeit und Gefühlswelt offenbart.
Leider habe ich aber schnell festgestellt, dass die Wortwahl der Figuren nicht ganz meinem persönlichen Lesegeschmack entspricht. Es geht recht vulgär zu und wir werden ständig mit Fixierungen auf beiläufige Sexszenen konfrontiert. Dass sich beide mit Intimitäten von ihren Problemen hinwegtrösten möchten, finde ich ja sogar durchaus nachvollziehbar, aber die Art und Weise wie die Dinge beschrieben werden, wirkten nicht authentisch beziehungsweise haben viele anderen wichtigen Aspekte zur Seite gedrängt, von denen ich gerne mehr erfahren hätte.

Die beiden Sichtweisen, die in verschiedenen Kapiteln als "Benson" und "Mike" unterteilt werden, haben sich kaum unterschieden, das bedeutet, man hat das Gefühl, dass es auch die gleiche Person sein könnte, die alles erlebt. Hier fehlten mir tatsächlich die Feinheiten der einzelnen Charaktere, um zu sehen, welche Gemeinsamkeiten es zwar gibt, aber eben auch wo die Unterschiede in der Auffassung liegen.

Viele Aspekte wirkten über Teile hinweg ziemlich lose. Szenen beginnen und hören plötzlich auf, erschaffen also das Bild kurzer Schnipsel an Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen und Erlebnissen. Das hätte durchaus funktionieren können und ist auch nicht unbedingt schlecht, sodass es gut zur aufgewühlten Stimmung und Unentschlossenheit der Charaktere hätte passen können. Leider gelang es mir aber nicht, eine allzu große Bindung zu den Figuren aufzubauen.

"Du siehst gar nicht aus, als wärst du religiös.
Ich wusste nicht, dass man religiös aussehen kann.
Ich wei0, sagt Omar mit einem Lächeln. Sind die Menschen nicht ein Rätsel?
" S.79
Schön zu lesen fand ich, dass hier verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Wir erfahren sogar einiges über die Bräuche und Traditionen aus der japanischen Kultur. Jedoch irritierte mich zunehmend ein wenig, dass das komplette Umfeld nur anhand der Herkunft und des Aussehens wahrgenommen wurde. Bezeichnungen wie "Whitelady" fallen ständig sowie auch, wenn Menschen schwarz sind. Ich war mir unsicher, ob das verdeutlichen sollte, dass die Gegend aus vielen verschiedenen kulturellen Einflüssen besteht oder, um zu signalisieren, dass der Protagonist dies nicht aus seiner Perspektive ausblenden kann. Es blieb nicht negativ haften, aber mir hat da aus meiner persönlichen Sicht die Urteilskraft gefehlt, dies einordnen zu können.
 
Ich mochte den Fokus auf (schwierige) Familien(-verhältnisse) sehr, in denen nichts perfekt läuft. Die eine Familie hat Privilegien (Geld), ist aber dennoch zerrüttet und keineswegs eine Vorzeigefamilie.  Beide kämpfen mit den Tücken des Daseins, der Herausforderung ein gutes Elternteil / Ehepartner zu sein und versuchen irgendwie für die nächste Generation eine gute Zukunft zu ermöglichen. Genau darin sah ich durchaus die Stärken des Romans. Die Thematik rund um das Familienleben, die durch einige sehr gute und starke Überlegungen wie auch Zitate gestärkt wurde.
Die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Söhnen und den Eltern gefiel mir persönlich mit Voranschreiten ebenfalls sehr. Doch auch hier wurde der Inhalt durch diese vulgären Szenen leider immer wieder unnötig auf dieses Effekt-Niveau gezogen.
"Aber ich denke, genau so läuft es: Wir nehmen unsere Erinnerungen überallhin mit, egal, wohin wir gehen, und am Ende sind nur noch einige da, und mit denen richten wir unser Leben ein." S.316
 

Ein Roman, in dem ich durchaus einiges an Potential entdeckt habe, der mir aber, durch die vulgären Ausdrücke und auch die für mich unnötig eingeworfenen Sexszenen, etwas an Wirkung und Tiefe verloren hat. Einige kurze Passagen und Stellen hatten aber durchaus schöne Aussagen und haben die (schwierige) Beziehung zwischen Eltern und Kindern gut dargestellt. Letztlich hat es mir etwas an Charakter gefehlt. Im Roman selbst und auch bei den beiden Protagonisten.



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