Der Vergleich zwischen Buch und Film ist nicht neu, aber man kann ihn immer öfter anbringen. Wenn man mal die Liste der Filme durchgeht, stellt man fest, dass wirklich viele Filme auf Büchern basieren. Auf Geschichten, die vielleicht unsere Lieblingsautor*innen geschrieben oder die wir eventuell schon als Kinder geliebt haben. Manchmal jedoch sind wir auch ganz überrascht, wenn wir herausfinden, dass eine Verfilmung oder Serie auf einem Roman basiert (siehe zum Beispiel momentan mit "The Queen´s Gambit"). Und auch bei "The Devil All the Time" wusste ich zunächst gar nicht, dass es eine Vorlage gab. Als ich den Film oder besser gesagt den Trailer entdeckte, hat er mich überwiegend wegen der bekannten Schauspieler*innen neugierig gemacht - Mia Wasikowska, Robert Pattinson, Tom Holland und Sebastian Stan, um mal einige Beispiele zu nennen.
Mein erster Eindruck des Films: Er ist verstörend, brutal, blutig und ziemlich schräg. Aber er hat auch etwas an sich, das mir letztlich gefallen hat. Im Folgenden daher einige Aspekte, die zeigen, warum der Film in diesem Fall (vielleicht ausnahmsweise?) nicht schlechter ist als das Buch.
"The ... was better"- Was lohnt sich mehr: Buch oder Film?
Darum geht es in "The Devil All the Time":
Im ländlichen und südlichen Teil Ohios sowie West Virginia folgen wir einer bizarren Gruppe von Charakteren ab dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die 1960er. Da gibt es Willard Russel, ein geprägter Veteran, der seine wunderschöne Frau Charlotte nicht vor dem Krebs retten kann, egal wie viele Opfer er auch gedenkt zu bringen. Da sind Carl und Sandy Henderson, Eheleute, die auf Amerikas Highways nach Anhaltern Ausschau halten, um sie zu fotografieren. Da ist der Spinnen-versessene Prediger Roy Laferty und sein im Rollstuhl sitzender und Gitarre spielender Freund Theodore. Und inmitten all dessen ist da noch Arvin Eugene Russel, Willards und Charlottes Kind, der ein guter Mann sein will, aber lernt auch seinen eigenen Gesetzen zu folgen.
Wir kennen ja alle den Satz: "Das Buch was besser". Aber kann man dem immer zustimmen? Nun, in diesem Fall bin ich ehrlich gesagt eher der Meinung, dass der Film hier etwas die Nase vorne hat. Das hat mehrere Gründe.
Im Buch ist zum Beispiel die Figur des Theodore, dem ständigen Begleiter von dem Prediger Roy Laferty und auch die Beziehung der beiden etwas unnötig in die Länge gezogen worden. Theodore bekommt darin zusätzliche Hintergründe und Motive zugeschrieben, die wiederum die Figur des Roy Laferty verwässert haben. Im Film hat seine fanatische Liebe zur christlichen Religion einen Höhepunkt durch sein eigenes Handeln und seine eigenen Gedanken erreicht, was deutlich kompakter und dadurch auch packender wirkte.
Zudem kommt man einfach nicht umhin sich einzugestehen, dass die Schauspieler selbst die Figuren wirklich gut umgesetzt und zum Leben erweckt haben.
Dies geschieht auch an einer Stelle, in der ein Dialog von einer Wiese in die Kirche verlegt wurde. Auch hier wurde wieder die Wichtigkeit des Ortes bedacht, sodass man als Zuschauer*in diese ganze Thematik rund um Gott und die Religiosität, aber eben auch den Widerspruch zum Buch-/Filmtitel verdeutlicht bekommt.
Grundsätzlich schafft es der Film zudem, unsere heutigen Ansichten zu bestimmten Themen moderner und passender darzustellen. Das betrifft das Frauenbild, Selbstbestimmung, Abtreibung, aber auch grundsätzlich den Verzicht darauf, alle vorkommenden Bösewichte mit den Adjektiven "eklig" und "dicklich" zu besetzen. Der Film hat viele Stereotype, soweit das bei einem Film über Stereotype überhaupt möglich ist, fallen gelassen oder zumindest daran gearbeitet sie passender darzustellen.
Darüber hinaus gibt es aber weitere Details, die im Buch etwas untergehen oder nicht so in den Vordergrund gerückt werden. Dadurch entsteht das Gefühl (vor allem, wenn man den Film zuerst gesehen hat), dass wichtige Elemente erneut verwässern und das Potential nicht genutzt wird, den Roman noch einmal mit wiederkehrenden Motiven besonders zu machen.
Da wäre zum Beispiel die Erwähnung von Arvins Hund. Im Buch wird er hier und da mal erwähnt und Arvin selbst äußert, dass er ihm viel bedeutet hat, jedoch hat man beim Lesen nicht das Gefühl, dass da eine besondere Bindung gewesen ist. In der Verfilmung jedoch wurde der Fokus ganz auf die beiden gelenkt, um die Bedeutung der folgenden Taten von Arvins Vater wirklich spüren zu können.
Was mir im Nachhinein aber besonders aufgefallen ist, dass die Waffe, die Arvin bekommt und auch schon im Trailer als signifikantes Motiv eingesetzt wird, im Buch irgendwie ebenfalls untergeht. Es fallen die gleichen Referenzen und Anlehnungen an Arvins Vater und den Krieg, aber das Bild das im Film transportiert wird ist erneut ausdrucksstärker. Dies sind nur zwei von sehr vielen kleinen Dingen, die man im Nachhinein vermisst...
5. Atmosphäre / Szenenbild: Ehrlich gesagt ist das Buch in diesem Punkt sehr ähnlich zum Film. Oder auch andersherum. Wie gesagt, der Film hält sich sehr eng an der Vorlage, allerdings gibt es auch hier einige kleine Unterschiede.
Der Film ist schon recht düster, und brutal, aber ich hatte das Gefühl, dass da Buch da noch eine Schippe draufgelegt hat. Im Roman geht es noch brutaler, skrupelloser und deutlich obszöner zu. Besonders in den vielen Kapiteln, die sich um Sandy und Carl Henderson drehen. Ich persönlich war kein Fan davon, da ich den Film schon aus ausreichend blutig empfand. Hier muss man natürlich bedenken, dass Bilder, die explizit im Film gezeigt werden noch eine deutlich andere Wirkung haben (können) als die, die man sich als Leser*in selbst herholt.
2 Bücher, die ähnlich sind wie "The Devil All the Time" von Donald Jay Pollock:
Wieso? Weil sich der Roman ebenfalls mit einer sehr ländlichen und veralteten Sichtweise beschäftigt. Die Figuren halten an alten Traditionen fest und leben nach ihren eigenen Gesetzen. Hier wird hier der Fokus zudem auch auf eine Familie und die Hierarchien gelegt und darüber hinaus ist die Atmosphäre des Buchs ebenfalls etwas düsterer.
Wieso? Ganz klar: aufgrund der Thematisierung der Religiosität und dem fanatischen Handeln. Auch hier begegnet uns wieder eine eher dunklere Stimmung und die Frage danach was Menschen bereit sind für ein Wunder oder den Willen Gottes zu tun.
Habt ihr den Roman gelesen / den Film gesehen? Was haltet ihr von ihm?
Vielen Dank für den Direktvergleich! Ich habe vor Kurzem den Film gesehen und hatte das Gefühl die eine oder andere Szene schwer einordnen zu können. Insgesamt fand ich ihn aber hart und gut. Habe mich trotzdem gefragt, ob es sich lohnt nach dem Film doch nochmal das Buch zu lesen, was ich wirklich ungern mache. Andersrum finde ich meist besser. Jetzt habe ich eine Vorstellung, was mich im Buch erwartet und denke ich belasse es bei dem, was ich in dem Film gefunden habe.
AntwortenLöschenDas stimmt, der Film ist ziemlich brutal und "hart", aber ich fand ihn ebenfalls wirklich gut gemacht.
LöschenWollte unbedingt wissen, ob man mehr von den Umständen etc. erfährt, aber ich muss ehrlich gesagt sagen, dass es nicht sonderlich ausschlaggebend ist und im Film sogar gut fand, dass einiges rausgeschrieben wurde.
Der Film lebt auf jeden Fall durch die Leistung der Schauspieler und die wirklich stimmungsvollen Szenenbilder / Kameraeinstellungen. Daher finde ich persönlich nicht, dass man etwas verpasst, wenn man das Buch nicht gelesen hat. Und das sage ich relativ selten. :)
Liebe Grüße
Karin