Loney von Andrew Michael Hurley

September 13, 2016

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Loney"/ 2015) Ullstein, Übersetzer/in: Yasemin Dincer, 388 Seiten, gebunden,   ★★★ 5 Sterne
"Zwei Brüder geraten an einem gottverlassenen Küstenort immer tiefer in eine rätselhafte, unheimliche Geschichte, in der sie selbst einander der einzige Halt sind. Ein berührender, packender Roman über die Suche nach Erlösung und die Abgründe, in die sie führen kann."
________________________________________________________________________________

"Man kann wohl leicht darüber spotten, aber es gab an diesem Ort so wenige Zeichen der modernen Welt, dass sich der Eindruck aufdrängte, er sei in einer Art Stillstand gefangen und - wie soll ich es ausdrücken? - irgendwie auf alles vorbereitet.
S.49
 
Kleine persönliche Vorbemerkung: Es gibt zwei Inhaltsangaben zu diesem Buch. Ich habe mich in dieser Rezension für die kürzere entschieden, da ich tatsächlich der Meinung bin, dass sich die Geschichte dem Leser viel dramatischer offenbart, wenn man die ausführliche Inhaltsangabe beiseite lässt (sie greift einfach zu viel vorweg). Nun aber zum eigentlichen, dem Buch an sich. Und ich muss sagen, das Buch hat mich auf so vielen Ebenen begeistert, dass ich gar nicht genau weiß, wo ich anfangen soll. Die Geschichte ist sehr stimmig und hat eine sehr eigene Präsenz. Es gibt einen Erzähler, einen der beiden Brüder, der von den Sachverhalten berichtet. Und dennoch ist in dem Gesagten selbst immer eine zusätzliche Stimme, die bestimmte Dinge zwischen den Zeilen andeutet. Durch die düstere Landschaft entsteht wahrlich ab und an ein Gänsehautgefühl und es entsteht eine zunehmende Spannung, die nicht abreißt. Der in der Inhaltsangegebene "gottverlassene Küstenort" bekommt zudem eine ganz neue Bedeutung, die sich nach und nach durch die Rückblenden des Erzählers erschließen. Mittelpunkt des Ganzen sind nämlich nicht nur die Brüder, sondern eine gesamte gläubige Gruppe, die diesen Ort aufsucht. So beschäftigt sich die Geschichte sehr stark mit Fragen des Glaubens, der Sünden, des Guten und Bösen und dem Willen, an etwas "Größeres" glauben zu wollen und was dieser Wille mit einem anstellen kann. Für mich war diese Verbindung zwischen der sich offenbarenden Vergangenheit des Erzählers und dem Einbezug des kirchlichen Glaubens und dessen Auswirkungen auf alle Beteiligten sehr gelungen und zudem mitreißend. Die im Fokus stehende Beziehung zwischen den Brüdern ist zudem auf bestimmte Weise komplex und dennoch sehr ergreifend. Man muss einfach sagen, dass diese Geschichte alles bereithält, was ein gutes Buch ausmacht.

"Pfarrer sind wie Ärzte. Sie wissen, dass man sie über Dinge belügt, von denen man meint, sie würden sie enttäuschen.S.87

Was sich besonders raffiniert entwickelt, ist die Steigerung des gesamten Konstrukts. Es werden bereits zu Beginn verschiedene Kleinigkeiten angedeutet, dies ich im Nachhinein zu einer erzählten Welt zusammenbauen, die einen nicht loslassen will. Es wird immer mysteriöser, das Wetter scheint unberechenbarer zu werden und merkwürdige Dinge werden entdeckt oder nehmen ihren Lauf. Allein dieser Teil des Buches sorgt dafür, dass man sich in der Geschichte verliert. Man hängt an den Worten und liest sich durch die Geheimnisse der Protagonisten, als würde einen das Meer mitreißen und zurück an die Küste werfen. Überraschenderweise haben mich aber auch die Verhaltensweisen der Mitglieder der Kirchengruppe immer stärker interessiert. Darunter befindet sich auch die Mutter (im Buch "Mummer" genannt) der beiden Brüder, die durch ihre manisch wirkende Kontrollsucht ein entscheidender Punkt der Geschichte ist. Dadurch entstehen viele Fragen und Gedankengänge, mit denen man sich heutzutage wahrlich weniger zu befassen scheint. Das Vertrauen zu Gott und die eigene Buße, die man bereit sein muss zu geben, sind hier zentrale Aspekte, die sich ebenfalls während der Geschichte "hochschaukeln". Und wahrlich, das Ende des Buches wird mich so schnell nicht wieder loslassen! An einigen Stellen hat es mich auch an einen ganz bestimmten Klassiker erinnert. Der "Showdown" ist Andrew Michael Smith definitiv geglückt.

"´Mummer meint es gut´ , sagte ich. ´Sie hat nur Angst, dass du nicht gesund wirst. Weißt du, Menschen tun seltsame Dinge aus Angst.´"S.92

 

Düstere Stimmung gepaart mit unheimlichen Charakteren, die einer kleinen Kirchengruppe den Ausflug beschweren und eine einzigartige Landschaft, die ihre vollen mystischen Eigenschaften entfaltet. Sehr spannendes und gut ausgebautes Schicksal zweier Brüder, die versuchen mit der Vergangenheit abzuschließen. Zentraler Punkt sind zudem die Verhaltensweisen von Menschen, wenn sie an etwas "Höheres" glauben wollen und sich in ihrem Glauben zu verlieren scheinen. Das Spiel von Gut und Böse wird hier auf den Höhepunkt getrieben. Eigentlich könnte man schlicht sagen: Unbedingt lesen!



5 Kommentare:

  1. Was für eine schöne Rezension <3 Das Buch klingt wirklich spannend!
    Liebe Grüße :)

    AntwortenLöschen
  2. So richtig auf dem Schirm hatte ich das Buch noch nicht, aber nachdem ich nun dein Fazit und deine Bewertung gesehen habe, werde ich es mir so schnell wie möglich zulegen. Gerade wenn es draußen wieder kälter und dunkler wird, passen solche Geschichten doch ungemein gut. Also danke für den Tipp :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das stimmt, das Buch liest sich sicherlich besonders gut, wenn es etwas herbstlicher wird! : )

      Habe gesehen, dass das Buch sehr unterschiedlich aufgefasst wird und auch sehr unterschiedlich bewertet wird. Ich würde deshalb immer empfehlen vielleicht mal in die Leseprobe reinzulesen. : )


      Liebe Grüße
      Karin

      Löschen

Mit dem Absenden Deines Kommentars bestätigst Du, dass Du meine Datenschutzerklärung, sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und akzeptierst.