Der Fluch des Hauses Foskett (Gower Street Detective #2) von M.R.C. Kasasian

September 04, 2017

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Curse of the House of Foskett"/ 2014) Atlantik Verlag, Übersetzer/in: Johannes Sabinski und Alexander Weber (aus dem Englischen), 496 Seiten, gebunden★★(☆) 4 bis 5 Sterne
 Dies ist der zweite Teil einer Buchreihe
"Sidney Grice ist zurück, und seine Laune ist nicht besser geworden. Die Stimmung in der Gower Street 125 ist mies. Seit Sidney Grice durch seine Ermittlungen einen unschuldigen Mann an den Galgen gebracht hat, laufen die Geschäfte schlecht. Der scharfsinnigste Detektiv des viktorianischen England liegt stundenlang apathisch in der Badewanne. Selbst zum Einsetzen seines Glasauges fehlt ihm die Kraft. March Middleton, Sidneys Patentochter, langweilt sich zu Tode … Bis zu dem Tag, an dem ein Mitglied des bizarren Clubs »Finaler Sterbefallverein« sein Leben aushaucht – mitten in Sidneys Wohnzimmer. Immerhin haben Sidney und March endlich wieder etwas zu tun. Und das nicht zu knapp, denn es bleibt nicht bei dieser einen Leiche. Die Ermittlungen führen das ungleiche Paar von London bis nach Kew in ein unheimliches Herrenhaus, dessen Eigentümerin, die enigmatische Baroness Foskett, eine alte Bekannte Sidneys ist."

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"'Haben Sie denn kein Herz?' , fragte sie.

        'Aber gewiss doch.' Er stieß sich mit der Zange gegen die Brust. 'Es pumpt Blut zu meinem einzigartigen Gehirn, aber es beherrscht mich nicht.' “  S.66
  

Ja, der Detektiv der Gower Street 125 ist wieder da und auch March Middleton, dessen Vormund Sidney Grice ist, muss sich wieder mit ungeheuren Morden auseinandersetzen.
Die Fortsetzung des Bandes "Mord in der Mangle Street" (Rezension hier zu finden), kann meiner Meinung aber voll und ganz mithalten. Der Stil ist natürlich gleich geblieben. Sidney Grice versprüht einen sehr eigensinnigen Charme, wenn man dies überhaupt so nennen kann. Er lässt kaum ein gutes Haar an einer Person, beschäftigt sich ausschließlich mit seinen Teestunden und kämpft zusätzlich noch mit seinem schlechten Ruf, der sich seit seinem ersten Fall, bei den Mitmenschen, verfestigt hat. Und dennoch kann man ihn als Leser nicht gänzlich unsympathisch finden. Sein Scharfsinn in Hinblick auf die Verbrechen, die er zu lösen hat, scheint sicherlich oftmals verletzend, denn er ist keine Person, der freundlichen und höflichen Umschreibungen. Dennoch hat er kein schlechtes Herz, was diese scheinbare "Oberflächlichkeit" erträglich macht und man ihm trotzdem gerne zur Seite steht.
Den zweiten Band kann man sicherlich auch dann lesen, wenn man den ersten nicht partout in voller Gänze abrufbereit hat, dadurch muss man aber an der einen oder anderen Stelle noch einmal überlegen, in welchem Zusammenhang gewisse Anspielungen fallen. Die Einschübe aus March Middletons Tagebüchern gibt es nämlich weiterhin und als die erste Stelle kam, wo diese eben aufgegriffen werden, fiel es mir erst einmal schwer, sich die Zusammenhänge zu erschließen. Nach und nach ist man aber tatsächlich wieder gänzlich im Bilde, da vieles, zumindest kurz, noch einmal aufgegriffen wird.
Der Fall an sich hat mich auch in diesem zweiten Teil gut unterhalten, wenn ich auch der Meinung bin, dass es etwas brutaler und blutiger zuging. Ich finde aber, dass diese beschriebenen Passagen, in denen die verunglückten Personen beschrieben werden, noch akzeptabel sind und man sich durch den Stil des restlichen Buches nicht zu sehr in eine "eklige" Richtung bewegt.
Als wirklicher Tierfreund (und obwohl Sidney Grice laut eigener Aussage auch Vegetarier ist) sind manche Stellen diesbezüglich aber wirklich sehr makaber, auch wenn das Buch dadurch und durch gezielte Aussagen von March oder anderen betroffenen Personen darauf hinweist, dass Grausamkeiten in dieser Form tatsächlich passieren. Im weitesten Sinn erfüllt es also wirklich ein wenig den Zweck, dass der Leser dadurch sehr sensibilisiert wird.
Dies fiel mir auch deutlich bei den Passagen auf, in denen March ebenso als "Sprachrohr" für die starken Frauen einsteht. Der Roman scheint dies sehr sarkastisch umzusetzen, aber die Andeutungen darauf, dass Frauen in der damaligen Gesellschaft keine wirklichen Qualitäten zugesprochen wurden, außer schön zu sein, wird meiner Meinung nach ebenso gut angesprochen und auf zwar sehr eigene, aber angemessene Weise umgesetzt.


"'Mr. Grice', sagte sie, als wäre ich nicht anwesend. 'Ich dachte schon, Sie würden gar nicht mehr kommen.'

         'Wir haben uns um fünf Minuten verspätet', gab ich zurück, während wir durch die Stuhlreihen
          auf sie zugingen.


Sie hieb dreimal auf das eingestrichene C ein. 'Versuchen Sie Mal, fünf Minuten die Luft anzuhalten, und dann sagen Sie mir, ob das keine lange Zeit ist.'

       'Warten Sie, bis man Ihnen sagt, Sie hätte nur noch fünf Minuten zu leben, und dann sagen Sie
        mir, ob das eine lange Zeit ist' , entgegnete ich, und aus ihrem Auge traf mich ein offen
        feindseliger Blick.“ 
S.162f.


Tatsächlich dominiert hier das Gefühl des typisch alten Englands. Wie schon in der ersten Rezension angekündigt, liegt der Vergleich zu Sherlock Holmes nicht weit, dennoch grenzt sich Sidney Grice durch seine eigene Art noch einmal etwas ab.
Die Atmosphäre des Buches ist aber durch die häufige Erwähnung der wirklich armen Bevölkerungsschicht und der oft auftretenden Bettler eher noch glaubwürdiger, als nur die Erwähnung gewisser Tee-Exzesse seitens des Detektives (welche aber auch ihren Reiz haben).
Besonders gut, gefallen mir aber weiterhin die vielen Dialoge, die einerseits manchmal tatsächlich grausam erscheinen, wenn Sidney Grice seine emotionslosen Kommentare loslässt, die aber andererseits durch einen sehr angenehmen Wortwitz und eine allgemeine Komik überzeugen. Besonders die Kombination aus Sidney Grice, March Middleton und Molly, der Bediensteten waren für mich wirklich erheiternd und machten die Geschichte wieder etwas lebendiger und tatsächlich "fröhlicher". Ich, als Leserin, konnte mich der Sogwirkung des zweiten Falls von Sidney Grice dadurch einfach nicht entziehen.
Zudem finde ich ebenfalls durchaus gelungen, dass die beiden Bände sich inhaltlich, abgesehen des Fortschreitens der beruflichen Laufbahn des Ermittlers, weiterentwickeln und auf neue, scheinbare Geheimnisse aufmerksam machen. So wird man zum Ende des zweiten Bandes mit einem Cliffhanger "belohnt", der die Hintergründe der Lebensläufe der Protagonisten in den Vordergrund rückt und die ganze Geschichte etwas persönlicher wirken lässt. Ich kann es zumindest wieder kaum erwarten, bis der nächste Teil erscheint.

"'Wir könnten übrigens noch einen anderen Ermittlungsansatz verfolgen', sagte Sidney Grice. Das wir gefiel mir, obschon ich den Verdacht hegte, er meinte damit nur sich selbst." S.194


Der zweite Band der Kriminalreihe rund um den persönlichen Ermittler Sidney Grice und seine "Assistentin" geht in die nächste Runde und ist dabei ebenso spannend, makaber, aber durch die eigenen Charaktere und die recht witzigen Dialoge sehr unterhaltsam. Es stehen zwar wieder Mordfälle im Vordergrund, die es zu lösen gilt, dennoch wird auch die persönliche Ebene der Figuren auf eine neue Ebene gehoben, was die Reihe deutlich "intimer" gestaltet.


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