Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Mangle Street Murders"/ 2013) Atlantik Verlag, Übersetzer/in: Johannes Sabinski und Alexander Weber , ★★★★(☆) 4 bis 5 Sterne
"London 1882. Nach dem Tod ihres Vaters begibt sich die junge March Middleton in die Obhut ihres Patenonkels: Sidney Grice, Englands berühmtester Detektiv, der vor einem neuen Rätsel steht. Eine Frau ist brutal ermordet worden, der einzige Verdächtige ist ihr Ehemann. Mit jeder neuen Wendung des Falls ist Sidney stärker von der Schuld des Ehemanns überzeugt und March von seiner Unschuld. In die dunkelsten Ecken des East End führen die Ermittlungen die junge Frau mit dem Faible für Gin und den bärbeißigen Spötter mit dem Glasauge. Wer von ihnen wird wohl recht behalten? "
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"´Sie müssen mir helfen, Mr. Grice´ Sidney Grice seufzte. ´Ich bin keinesfalls dazu verpflichtet, Madam. Aber da Sie schon mal da sind und ich mich langweile: Wie heißen Sie, und wie lauten die Namen der anderen Beteiligten?´“ S.32
Detektivgeschichten gibt es wie Sand am Meer. Vorbild dafür ist meist der bekannteste aller Detektive: Mr. Sherlock Holmes. Mit "Sindey Grice" geht hier aber kein Detektiv auf Verbrecherjagd, sondern ein selbsternannter "Persönlicher Ermittler". Und genau solche kleinkarierten Unterschiede machen den Protagonisten zu etwas ganz Besonderem. Auch hier gibt es sicherlich einige Bezüge und ähnliche Stilarten zu Arthur Conan Doyles Erzählungen, diese waren für mich aber nicht plakativ und so offensichtlich, wie in anderen Detektivgeschichten. Erzählt wir die Geschichte von March Middleton, Grices Patenkind. Auf den ersten Blick sehr "gewöhnlich" für eine Detektivgeschichte, in der nicht der Ermittler selbst seine Gedanken offenlegt. Allerdings wurde hier sehr schön der gesellschaftliche Unterschied zwischen Männern und Frauen zur damaligen Zeit in den 1880er Jahren herausgearbeitet. March Middleton nimmt hier also nicht nur die Funktion der typischen Hilfserzählerin ein, sondern skizziert gleichzeitig auch die schwierigen Verhältnisse, die sich rund um London erkenntlich zeigen. Mit schwierigen Verhältnissen assoziiere ich auch direkt den Ermittler selbst Sidney Grice. Als Leser war ich zuerst etwas erschrocken über seine Art. Man erwartet etwas ganz anderes und genau das macht die Neugier auf die Geschichte aus. Gekennzeichnet durch bitterböse Kommentare und eine scheinbar ständige egomanische Ader, interessiert sich Sidney Grice nur für sich selbst. Seine Arbeit sieht er nur zum Mittel zum Zweck und seine Welt dreht sich nur um den Gedanken rund um seinen Tee. Der Leser erschließt sich sehr schnell ein bestimmtes Bild von ihm, welches sich aber nach und nach etwas aufzulockern, dann wieder zu festigen scheint. Da es sich hierbei um den "Fall Eins" dieser Reihe handelt, fand ich dies ganz sinnvoll eingebunden. So gibt es keine vorhersehbaren Charakterwechsel, die das Ganze langweilig scheinen lassen.
"´Speisen Sie für gewöhnlich allein?´ fragte ich. ´Nein´, sagte er. ´Ich speise stets mit einem Buch. Dieses hier ist eines meiner liebsten - Eine kurze Studie über die parasitären Würmer Afrikas -, wundervoll illustriert mit farbigen Zeichnungen.´“ S. 63
Obwohl man sich als Leser natürlich auf den Fall an sich konzentriert, und wie immer versucht, selbst etwas zu "ermitteln", sieht man sich hier an einigen Stellen gezwungen zu kapitulieren und sich dem detektivischen Gespür der beiden Protagonisten hinzugeben. Ich persönlich finde auch hier, dass einige Verwirrungen gut eingesetzt wurden, damit sich der Leser auch etwas in die Atmosphäre rein denken kann. Hier sei aber gesagt, dass sehr viele kritische Dinge angesprochen werden, was die finanziellen Verhältnisse der Stadt oder auch Krankheiten der Menschen anbelangt. Man sollte sich also tatsächlich nicht auf eine "romantisch, verspielte" Geschichte im London der 1880er Jahre einlassen, sondern auf eine spannende, wenn auch eben manchmal mit bösen Kommentaren versehene Erzählung. Ich kann aber garantieren, dass man über sehr viele Passagen schmunzeln muss und sich gut unterhalten fühlt. Unterbrochen wird die eigentliche "Detektivarbeit" mit Einschüben, privater Niederschriften von March Middleton, die dadurch ihre Vergangenheit, zumindest zum Teil, offenlegt. Es wird also zunehmend eine persönliche Ebene zu den Figuren aufgebaut, die sich sicherlich in den folgenden Bänden noch steigern wird. Die Länge und die Wendungen der Geschichte fand ich alle passend und nicht zu überladen. Es gab für mich keine unnötigen, in die Länge gezogenen "Lückenfüller", sodass ich die Geschichte wohl jedem empfehlen würde, der nach einer Detektiverzählung sucht, die durch einen sehr speziellen Ermittler besticht.
"´Eine abscheuliche Nacht´, sagte mein Vormund und schüttelte ihm die Hand. ´Darf ich Ihnen einen Tee anbieten, Inspektor?´ ´Trinken Sie denn nie etwas Stärkeres?´ ´Nur zu außergewöhnlichen Anlässen´, antwortete Sidney Grice. ´Dann gönne ich mir ein Tasse Kaffee.´" S.255
Unterhaltsam, spannend, strategisch und durch den scharfzüngigen Sidney Grice auch manchmal bitterböse. Unterstreicht gekonnt die Zustände in London zur damaligen Zeit und verbindet dies auf interessante Weise mit einem sehr verworrenen Kriminalfall. Gutes Zusammenspiel der Figuren und bietet noch genug Freiräume für folgende Entwicklungen in den nächsten Bänden.
Huhu,
AntwortenLöschenhab eben zufällig deine Rezension zu diesem Buch gefunden, mich hat es auch sehr neugierig gemacht. Nach deiner Rezension hab ich mir dann auch eines schicken lassen und freue mich schon, wenn es da ist :) Ganz liebe Grüße Tinka vom Blog literaturaustausch.blogspot.co.at
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar! Ich hoffe, du wirst dich auch gut, von Mr. Grice unterhalten fühlen. :)
LöschenLiebe Grüße
Karin
Dankeschön! Der Verlag hat auf Facebook auf deine Rezi aufmerksam gemacht. Hat mir sehr gefallen <3
AntwortenLöschenDanke dir! : )
LöschenLiebe Grüße
Karin
Das Buch habe ich mir nach kurzem Anlesen in der Buchhandlung auch bereits gekauft. Möchte doch wissen, wer da meinem Lieblingsermittler Sherlock Holmes literarische Konkurrenz bieten möchte. Freue mich schon aufs Lesen!
AntwortenLöschenIch wünsche dir viel Spaß dabei und hoffe, dass es dir auch so gut gefallen wird! :)
LöschenLiebe Grüße
Karin
Ich bin eigentlich gar kein Krimifan, aber das Buch hört sich wirklich spannend an :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Cora
Ich bin eigentlich auch kein Krimifan, aber diese speziellen Detektivgeschichten fühlen sich für mich auch gar nicht nach echtem "Krimi" an... : D
LöschenLiebe Grüße
Karin
Hallo Karin,
AntwortenLöscheneine tolle Rezension, die mich bestimmt auf das Buch neugierig gemacht hätte, hätte ich es nicht schon gelesen. :-D Genau wie du, hatte ich eine Menge Spaß mit den Figuren und der Geschichte. Sidney und March sind echt ein komisches Duo, aber ergänzen sich trotzdem vortrefflich.
Ich hoffe, ich darf deine Rezension verlinken.
Liebe Grüße, Anja
Natürlich darfst du die Rezension gerne verlinken. : )
LöschenIch freue mich schon im Herbst auf den drittel Teil der Reihe und hoffe, dass einen die Stimmung und die Geschichte wieder mitreißt. Die Bücher passen aber auch perfekt in diese herbstliche Stimmung!
Hast du den zweiten Teil auch schon gelesen? : )
Liebe Grüße
Karin