(Original: "Other Voices, Other Rooms"/ 1948) Übersetzerin: Heidi Zerning, 220 Seiten, gebunden, Einzelband, ★★★★(☆) 4 bis 5 Sterne
Bibliografie auf der Verlagsseite (Kein & Aber Verlag)»
"Als die Mutter des 13-jährigen Joel Knox stirbt, soll dieser zu seinem – ihm völlig unbekannten – Vater nach Alabama ziehen. Dort angekommen, fehlt jedoch jede Spur des Vaters. Dafür trifft er auf seine spröde Stiefmutter, seinen rätselhaften Cousin und auf ein gespenstisches, ebenso rätselhaftes Haus."
MEINE
MEINUNG | FAZIT
"Radclif musterte den Jungen über den Rand seines Bierglases hinweg, und was er sah, gefiel ihm nicht. Er hatte so seine Vorstellungen, wie ein "richtiger" Junge auszusehen hatte, und dieser hier verstieß irgendwie dagegen. Er war zu hübsch, zu zart, zu hellhäutig [...]“ S.10f.
Truman Capote. Eine Legende unter den Schriftstellern, und das zu recht, wie ich finde. Besonders in diesem Werk kann man sehen, wie früh Capote schon, mit fabelhafter Erzählkunst, Welten erschaffen und auch zu Fall bringen konnte, besonders auf die Welt der Protagonisten und deren Wünsche bezogen. Als ich begonnen habe, die ersten Seiten zu lesen, stellte sich bei mir schon ein Gefühl der vollkommenen Einnahme ein. Das Buch fesselt einen von Anfang an. Capotes Schilderungen des jungen Protagonisten Joel Knox schließen sich zusammen aus der Sicht des Jungen selbst und aus der Wahrnehmung der Personen um ihn herum. Ich fand dies unfassbar geschickt umgesetzt, da man vor allem, wenn es darum geht, das Ende des Buches zu beurteilen, die Unterschiede sieht, die sich in dem Protagonisten nach und nach herauskristallisieren. Dies soll heißen, dass der Roman darauf ausgelegt ist, die eigentliche "Reise" des Jungen zu thematisieren. Im Vordergrund stehen Fragen, die mit dem Erwachsenwerden verknüpft sind, und sicherlich auch die, die sich sehr auf die Träume / Wünsche und die im Gegensatz dazu stehende Wirklichkeit auslegen. Dieser Aspekt wird aber nicht nur anhand des Joel Knox geschildert, sondern auch anhand seiner neuen Umgebung und Gesellschaft. Die Figuren, die in diesem Roman auftreten, spiegeln alle, gewisse Sehnsüchte wieder. Meiner Meinung nach, wurde diese Darstellung und die Entwicklung dessen sehr gut umgesetzt. Man kann aber oder man muss allerdings dazu sagen, dass es vor allem zum Ende hin Stellen gibt, die man als Leser etwas kurios findet. Ich persönlich wusste zeitweise nicht, ob das Niedergeschriebene nun der Wahrheit entspricht, oder sich eine traumähnliche Sequenz dahinter verbirgt. Das kann man negativ auslegen, da das Buch dadurch etwas unschlüssig wirkt, ich persönlich finde aber, dass genau das dem Buch die nötige Aussage verleiht. Was genau ist im Leben schließlich schlichtweg eine Illusion und was ist die Wirklichkeit? Dies ist sicherlich einer der zentralen Punkte des Werkes.
"´Quatsch, Junge, das Land ist voll mit Leuten, die alles wissen und nix verstehn, einfach voll davon´, sagte sie und fing an sich in den Zähnen zu stochern.“ S. 65
Der Schreibstil ist für mich einer der schönsten, die ich je gelesen habe. Ich kann mich bei Capotes Erzählungen ganz auf seine Schilderungen einlassen und verspüre dabei immer dieses Gefühl, des "wahren Schriftstellers". Er inszeniert seine Worte nie, so dass sie erzwungen klingen, oder als würde er versuchen "extra poetisch" zu wirken. Gleichzeitig stecken aber so viele wahre und auch interessante Denkansätze in seinem Werk, dass man wünschte, man würde viel mehr über die Welt der Protagonisten erfahren. "Andere Stimmen, andere Räume" skizziert durch die 13 jährige Hauptfigur eine Stadt und eine Umgebung, die beide Stadien aufzeigt. Zum einen, die etwas naive und etwas ungewisse Zukunftsperspektive, des gerade in Landing angekommenen Joel Knox, der auf der Suche nach seinem Vater ist, und die doch recht harte Realität der Menschen, die sich um ihn herum zusammenfinden. Dadurch entsteht auch das Gefühl, dass Joel durch die Erzählungen und die Erlebnisse der anderen, mitwächst. Man kann sich als Leser darauf einstellen, dass es sich hier um alles andere, als um eine heile Welt dreht. Die Atmosphäre und der eigentliche Aufenthaltsort der Figuren ist sehr bildhaft dargestellt. Die Verhältnisse der Zeit und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten werden nicht vernachlässigt. In Bezug dazu, gefiel mir unteranderem, vor allem die Beziehung zwischen Joel und Isabel, einem Mädchen, welches als "Störenfried" angesehen wird. Ich fand das Buch, als ich es letztendlich beendet habe, einfach nur großartig. Ich bin mir sicher, dass das Buch auf unterschiedliche Meinungen stößt und dass einige damit eher unzufrieden sein könnten, da einige Aussagen und Entwicklungen, zwischen den Zeilen stecken. Aber ich bin mir sicher, dass jeder, der eine Geschichte, dargelegt mit gekonnter Erzählkunst, dieses Buch mögen wird.
"Aber Little Sunshine blieb da: es war sein rechtmäßiges Zuhause, sagte er, denn wenn er fortging, wie er es einmal getan hatte, hallten durch seine Träume andere Stimmen, andere Räume, düster und verloren.“ S. 112
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Wahnsinnig gut erzählte Geschichte, über einen Jungen, der lernen muss, seinen Weg und sich selbst zu finden. Durch die Verknüpfung des Protagonisten und der Erlebnisse der anderen Figuren entsteht ein sehr dichtes und sehr interessantes Erzählspektrum. Geheimnisse werden aufgedeckt und Wünsche werden zur (bitteren) Realität. Für mich, eine der wunderbarsten Schreibstile. Auch wenn am Ende, etwas unschlüssig ist, wo die Wirklichkeit und wo die Träume liegen, verfehlt das Buch seine Wirkung nicht.
Vielen Dank an den Kein & Aber Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
Ich hab bisher(leider) noch nichts von Capote gelesen, aber viele seiner Werke auf der Wunschliste. Da kann ich jetzt ja noch ein weiteres hinzufügen. :D
AntwortenLöschenBei mir stehen auch noch ganz viele seiner Werke auf dem Merkzettel! : )
LöschenLiebe Grüße,
Karin
Das klingt so gut! Die Zitate haben mich vom Fleck weg überzeugt, deine Rezension hat das Restliche getan :-) Ich glaube, Capote muss ich dringend lesen. Danke für die schönen Worte zum Buch!
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Anna
Das klingt richtig gut! Deine Worte und die Zitate haben mich vom Fleck weg überzeugt. Ich glaube, Capote sollte ich sehr dringend lesen :-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Anna