Hotel Alpha von Mark Watson

April 22, 2015


(Original: "Hotel Alpha" / 2014) von  Mark Watson,  Heyne: Bibliographie auf der Verlagsseite >>  ,  Übersetzer /in: Andrea Kunstmann (aus dem Englischen), 352 Seiten, Hardcover,   Einzelband, ★★ 4 Sterne

Einzelband | Erweiterung durch hundert Kurzgeschichten auf Alpha Stories

"Seit den Sechzigerjahren ist das Hotel Alpha eine regelrechte Institution in London, was nicht zuletzt an dem Besitzer des Fünfsternehauses liegt: Howard York ist smart und charismatisch, mit der wunderschönen und klugen Sarah-Jane verheiratet und ein gefeierter Held, seit er 1984 bei einem Brand den kleinen Chas rettete und ihn adoptierte, nachdem dessen Mutter in den Flammen umkam. Obwohl seit diesem Unglück blind, ist der Junge ein aufgewecktes und fröhliches Kerlchen, das allerdings die Öffentlichkeit scheut, die Tage im Hotel verbringt und sich zum Computerexperten entwickelt. Und da ist Graham Adam, der seit der Eröffnung im Hotel Alpha als Concierge tätig ist und zu Chas’ väterlichem Vertrauten wird. Er ist das gute Gewissen des Hotels, doch der schöne Schein ist nicht ganz ohne trügerisches Licht."

MEINE MEINUNG | FAZIT

Ich frage mich wirklich wo ich bei dieser Geschichte nur anfangen soll. Denn sie ist so komplex, vielschichtig und auf wunderbare Weise vieldeutend, dass es schwer fällt, nicht die ganze Zeit über die Geschichte nachzudenken.
Geschrieben ist die Geschichte, abwechselnd, aus der Sicht von Graham und auch Chas. Diese beiden als Erzähler zu wählen, ermöglicht dem Text sich in so einem vorerst starken Kontrast gegenüberzustellen, dass sich zwei Welten erschaffen. Denn, wie der Klappentext schon sagt, ist Chas seit dem Unfall blind. Dieser Kontrast der Wahrnehmung von Personen, Gegenständen und dem täglichen Ablauf im Hotel, ist dem Autor wirklich sehr gut gelungen. Man spürt förmlich, welch Anstregnung es manchmal für Chas ist, sich durch das Leben zu manövrieren. Und dennoch ist auch Graham kein Kandidat für ein sorgenfreies Leben. Obwohl er sehen kann, erfährt der Leser, mit welchen Problemen er zu kämpfen hat und wie sich sein Verhalten auf das Leben im Hotel auswirkt. Denn er, so scheint es, ist das Herz des Hotels. Zu Beginn, dachte ich, das Buch erinnert mich ein wenig an "Der große Gatsby", da das Hotel mit einer prunkvollen Party beginnt. Aber nach und nach merkt man, dass dieses Hotel wirklich ein außergewöhnliches Eigenleben führt. Ein Eigenleben, welches auch bitterböse Geheimnisse beherbergt.

Der Leser wird auf eine Reise durch das Hotel genommen, die sich über mehrere Jahre hinweg erstreckt. All die "normalen" Entwicklungen, wie die Einführen der Technik, spielen für die Protagonisten eine sehr wichtige Rolle (und bestimmen gleichzeitig auch etwas die Struktur des Romans). Die gesamte Stimmung und Wichtigkeit, die diese Entwicklungen beitragen, hat man während des Lesens unglaublich gespürt. Der Roman an sich besteht aus vielen Ereignissen, dennoch ist er in der Form, wie er geschrieben wurde, schon fast "melancholisch". So empfand ich es zumindest. (Dazu stehen jedoch im Gegensatz die Kurzgeschichten, später mehr dazu.) Es war daher ein ruhiges Buch, mit aufwirbelndem Inhalt, wenn ich es so sagen kann. Geprägt war der Roman für mich durch sehr viele Komponenten. Unteranderem durch das Thema der Unzufriedenheit im Leben und auch der Flucht aus dem Alltag, in den Alltag, so paradox das auch klingen mag. Aber auch der Aspekt des Scheins und der Wirklichkeit waren wichtige Bestandteile der Geschichte!
Am Anfang dachte ich ganz klar, der Roman wäre für mich gutes Mittelmaß. Nach der Hälfte dachte ich na gut, es ist vielleicht sogar doch etwas besser. Aber als ich dann zum Schluss angelangt bin und das letzte Kapitel gelesen habe, war ich so traurig, dass das Buch zuende war, auch wenn es manchmal das Gefühl von gewissen Längen versprüht.
Und aufeinmal verkündet der Autor in seinem Nachwort, dass es sage und schreibe hundert [!] Kurzgeschichten gibt, die sich noch auf das Hotel beziehen. Die ersten acht waren sogar schon in dem Buch abgedruckt. Da habe ich natürlich sofort weitergelesen. Und bereits die erste Geschichte hat mich schon sprachlos gemacht! Ich habe das Buch erst einmal für eine gefühlte Ewigkeit festgehalten und musste verdauen, wovon das Kapitel handelte. Die weiteren Kurzgeschichten waren anders als die erste und auch anders als der gesamte Roman. Die Kurzgeschichten versprühen eine Leichtigkeit und sind sehr unterhaltsam, mit vielen humorvollen Anspielungen, auf das im Buch beschriebene. Wer vielleicht normalerweise etwas "faul" ist, solche Anhänge zu lesen, dem empfehle ich, über seinen eigenen Schatten zu springen und dies zu tun! Denn ich fand die Kurzgeschichten unglaublich gut. Nebenbei werden Helden in dieser Geschichte neu definiert.

Ruhiger und aufwühlender Roman zugleich, der dafür sorgt, dass man über seine eigenen Gewohnheiten nachdenkt, aber auch darüber, wie unterschiedlich die Sicht auf die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln sein kann. Schöne Ergänzung durch die Kurzgeschichten, welche dafür sorgen, dass man die zuvor gelesene Geschichte erneut mit anderen Augen sieht.



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