5 Bücher aus dem Frühjahrsprogramm der S. Fischer Verlage

Mai 05, 2023

Werbung ~ Rezensionsexemplare


 

Auftritt: Überraschungsbuchpaket...

Ich glaube, Überraschungspakete sind etwas, über das ich mich immer freuen werde. Da ist letztlich immer diese kleine Ungewissheit, ob man nicht durch eine glückliche Fügung, ein Buch lesen wird auf das man so lange gewartet hat und welches man ansonsten verpasst hätte.
Man erhält die Möglichkeit, Bücher zu entdecken, die man eventuell noch gar nicht im Blick hatte oder die in dem schier sehr großen und lauten Social-Media-Trubel einfach untergegangen sind. Das gilt tatsächlich auch (und manchmal besonders) für noch bevorstehende Neuerscheinungen. Sich durch die vielen Vorschauen zu blättern braucht ja auch seine Zeit...

Daher war das Buchpaket von den S. Fischer Verlagen mit einigen Frühjahrsnovitäten für 2023 eine besonders schöne Überraschung.


 

The fabulous five: Diese Bücher waren drinnen

Insgesamt waren diese fünf Bücher enthalten:

 
Bis auf "Happy End" sind mittlerweile all diese Bücher erschienen. Da die Sperrfrist damit größtenteils aufgehoben ist, möchte ich euch nun einige Eindrücke zum Gelesenen mitgeben.

 

Ein leichter Start? Glendy Vanderahs "Ein Nest voller Träume"

Ich muss zugeben, dass ich beim ersten Buch "Ein Nest voller Träume" von Glendy Vanderahs mit doch recht gezielten Vorstellungen reingegangen bin. Leicht, süß, locker und romantisch, so wird´s.
Ganz so einfach war es dann doch nicht. Die Geschichte hat durchaus eine ernste Komponente, greift schwierige Schicksalsschläge auf, thematisiert problematische Umgangsformen innerhalb der Familie und schaut auch auf die Entwicklungen der menschlichen Interaktionen in den letzten Jahren. Zudem hat der Roman durch die Verbindung zwischen dem auftauchenden Mädchen und der Protagonistin eine sehr schöne Herzlichkeit. Am besten gefallen hat mir, schätze ich, die "Art" wie das Mädchen, das sich selbst Ursa nennt, die Welt sieht und wie sie gewisse Dinge äußert. Es hat tatsächlich etwas Träumerisches und Zartes an sich, was hier sehr passend zum Kontrast einiger anderer Situationen ist.
Eine Liebesgeschichte oder zumindest eine Andeutung an eine, fehlt natürlich auch nicht. Für mich überraschenderweise relativ gut geglückt, weil es nicht kitschig daherkommt und die Dynamik der beiden stimmt.

Dennoch konnte mich der Roman leider am Ende nicht ganz überzeugen, da mir der Schluss zu abrupt, vielleicht sogar zu brutal (Stichwort: Tiere) und sehr überstürzt vorkam. Alles, was am Anfang schön aufgebaut wurde, zerfiel plötzlich zu einem Teil, der sich für mich gar nicht an die anderen Kapitel anpassen wollte.
Für mich persönlich habe ich aber viele schöne Stellen mitgenommen, an die ich mich gerne zurückerinnere und die in mir ein Gefühl von lauer Sommernacht mit Glühwürmchenfunken hinterlassen.
Es war daher ein schönes erstes Buch, das durchaus Potential hat(te), das ich mir aber doch noch etwas ausgereifter gewünscht hätte.

 

Das Mädchen ging wieder zum Feuer. 'Ich kann noch nicht zurück. Ich muss auf der Erde bleiben, bis ich fünf Wunder erlebt habe. Das gehört zu unserer Ausbildung, wenn wir in einem bestimmten Alter sind - so ähnlich wie hier in der Schule.' 
- "Ein Nest voller Träume", S.12

 

 


Ins Totenreich mit "Das dritte Land"

In eine ganz andere Richtung ging es meinem Empfinden nach mit "Das dritte Land" von Karina Sainz Borgo.
Wir begleiten eine Mutter, die ihre Toten Zwillinge begraben möchte. In einem Land, das einem eigentlich keinen Trost, keinen ehrenvollen Abschied gewähren möchte. 

Obwohl das Thema unfassbar traurig, hart, bestürzend und wenig aussichtsreich scheint, hat mich der Roman in den ersten Kapiteln sofort gepackt. Ich liebe den Ton, mit dem die Geschichte mich als Leserin in den Bann ziehen konnte. Er trifft dich irgendwo, du kannst es nicht richtig lokalisieren, aber du bist sofort gefesselt. Vielleicht wegen der tiefgehenden Trauer, vielleicht weil es so makaber wirkt, vielleicht aber auch, weil man auf etwas Hoffnungsvolles wartet.
Mit zunehmendem Fortschritt der Geschichte, hat mich der Roman aber leider an einigen Stellen komplett verloren. Unter anderem, aber auch vor allem dann, als eine Vergewaltigung an einem Mann beschrieben wird, die (für mich) absolut fehlplatziert und unnötig war. Die skrupellose Stadthierarchie und die Machenschaften der Clans hat man auch so deutlich wahrgenommen. Meiner Meinung nach hätten hier weniger "Schocker"-Momente mehr gebracht.

Nichtsdestotrotz bleibt mir auch der Roman als ein Buch in Erinnerung, das mir eine neue Sicht auf Literatur, auf Länder und Leben ermöglicht hat. Das Tempo schwankte zwar stets zwischen schnellem Fortschritt und Pausetaste, aber genau das transportiert auch die Geschichte selbst.


Die Pest und der Regen kamen zugleich, wie böse Omen. Die Grillen hörten auf zu zirpen, und am Himmel bildete sich ein Tumor aus Staub, der sich irgendwann in braunen Tropfen entlud. Im Unterschied zu den Übeln, die wir früher erlitten hatten, zerfetzte dieses unsere Erinnerungen und Sehnsüchte. 
- "Das dritte Land", S.12


 

2 x Judith Hermann

Für mich waren diese beiden Bücher überraschenderweise meine ersten Berührungspunkte mit Hermanns Geschichten. Verwunderlich, da einige ihrer Romane wirklich sehr lange auf meinen Merkzetteln lagen.

Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass das eine Erzählungen bereithält und das andere über das Schreiben und Erzählen selbst handelt, also ein non-fiction Buch ist. Und ich muss wirklich sagen, dass gerade dieses Zusammenspiel beider Bücher für mich perfekt war, denn hätte ich nur eines gelesen, wäre mir vieles abhandengekommen. Aber fangen wir wie immer vorne an. 

"Sommerhaus, später" ist dieses Jahr zum 25. Jubiläum in einer Sonderausgabe erschienen. Darin zu finden sind neun Erzählungen, die Schnappschüsse einiger Leben sind und teilweise abrupt enden. Und was irgendwie alle ausmacht: Die Figuren, die Erzähler*innen sehnen sich nach etwas, fühlen sich rastlos. Aber eher oder vor allem im Inneren. Sie wollen ihre Mitmenschen dazu bringen, sich ganz nach ihrem Belieben zu fügen, sie anzuhören und sie irgendwie aufzuwecken, aber auch sie in Ruhe zu lassen und sich ihren eigenen Sehnsüchten zu überlassen. Paradox, aber irgendwie funktioniert es. 

Ich brauchte allerdings das Buch "Wir hätten uns alles gesagt", um Hermanns Schreibstil und die Intentionen, die Geschichte hinter den Geschichten zu verstehen. Der Non-Fiction-Teil eröffnet hier einen ganz anderen Blickwinkel auf das Geschriebene und hat mich den Erzählungen tatsächlich nähergebracht.
Zum Beispiel fragte ich mich, warum die Erzählungen nicht wirklich greifbar sind, warum mir die eigentliche Aussage immer entfliehte, sodass ich den Eindruck hatte, als wüsste ich gar nicht, absolut nicht, worum es da überhaupt geht. "Wir hätten uns alles gesagt" greift genau dieses Gefühl auf. Hermann legt offen, dass sie ihre Geschichten meist so verfremdet, dass alles irgendwie unecht und doch wahr ist. Ein Volltreffer, wenn ich meine Gedanken dazu in einen Satz packen müsste. Die Erzählungen sagen vieles und doch nichts, wirken falsch und doch echt. Es war für mich ein ganz eigenes und besonderes Leseerlebnis.
Was für mich dabei aber merkwürdig war: Dass Judith Hermann ihre Texte so gut selbst analysieren kann und weiß, was ihnen fehlt, sie aber durch diese Interpretation und das Wissen darüber wieder so unfassbar stimmig erscheinen. Es manifestiert sich das Gefühl, das man manchmal hat, wenn man will, dass im eigenen Leben etwas voran geht und ganz zappelig wird, aber nicht weiß, was man verändern muss oder wie man mit Menschen reden soll, damit sich diese Anspannung löst.

Der Schreibstil in den Erzählungen wirkte für mich manchmal "auf literarisch gemacht", mit kurzen Sätzen, Schnipseln oder manchmal nur Wörtern. Das kann manchmal ganz gut sein, hier überwiegend auch, ab und an war es mir dann aber doch zu gestellt, ohne gestellt zu sein. Ein Paradoxon, das mich etwas im Zwiespalt gelassen hat. Dennoch haben die Erzählungen etwas Besonderes an sich, das mir letztlich gefiel. 

 

 

Sie sagte, du kannst ja wiederkommen, ein Trost, den ich damals nicht begriff. Aber heute, in meinem zweiundfünfzigsten Jahr, begreife ich ihn. Wie lange manche Dinge brauchen, bis sie dich erreichen. 
- "Wir hätten uns alles gesagt", S.86

 

 

Die Figuren wiederum empfand ich während des Lesens als schwierig. Schwierig zu ertragen und schwierig zu fassen. Sie verhalten sich meist so, dass diese Grenze der zwischenmenschlichen Interaktion und Beziehung überschritten wird. Figuren nehmen keine Rücksicht auf den "inneren Safe Space" anderer und verlangen ihnen psychologisch einiges ab. Ein Beispiel war für mich direkt zu Beginn eine Protagonistin, die zum gleichen Therapeuten ihres Freundes gehen möchte und ihn damit wirklich bedrängt. Ihr in dem Moment entstandenes Verlangen, dass diese Situation eintreten muss, stand über allen Empfindungen gegenüber ihrem Partner. Es gab in den anderen Erzählungen ähnliche Situationen, sodass ich manchmal nicht wusste, ob die Intention darin liegt, diese Problematik der fehlenden Reflektion zu thematisieren oder ob die Figuren nicht mehr zeitgemäß handeln und es daher so merkwürdig scheint.
Erstaunlicherweise entstand aber auch in "Wir hätten uns alles gesagt" das Gefühl, dass sich die Autorin selbst in so einem Umfeld bewegt und manche zwischenmenschlichen Feinheiten "übergangen" werden, unter anderem in gewissen Begegnungen mit ihrer Familie oder als sie selbst die ungewöhnliche, private Nähe zu einem Psychoanalytiker sucht.

Für mich also absolut zwei Überraschungsbücher, die mir letztlich viel mehr an Reflektion, Überlegungen und Anerkennung abverlangt haben, als anfangs vermutet. Die persönlichen und intimen Einblicke aus dem Leben der Autorin haben mir dabei geholfen, die Erzählungen besser einordnen zu können, wobei sie auch ohne das Buch ihren Reiz haben.

 

Last but not least... a happy ending

Das Buch von Andrew Sean Greer "Happy End" (im englischen Original: "Less is Lost") ist sozusagen eine Fortsetzung zu seinem Roman "Mister Weniger" (im englischen Original: "Less")

Soweit ich mich an den Vorgänger zurückerinnern kann, hat er mir damals ganz gut gefallen, auch wenn er mich nicht gänzlich mitreißen konnte. Zu meiner Überraschung, war dieses zweite Abenteuer von Arthur Weniger und seinem Lebensgefährten, aber wirklich erfrischend unterhaltsam und gleichzeitig, an genau den richtigen Stellen, schön nachdenklich.
Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass ich mich langweile oder Kapitel überspringen wollte. Man folgt dem Protagonisten gerne auf seiner Lesreise durch die USA und ist von einigen Wendungen zeitlich amüsiert.
Der Erzälhstil hat mir hier ebenfalls sehr gut gefallen. Etwas frech, aber mit viel Gefühl. Irgendwie schien mir der erste Teil da anders gewesen zu sein, vielleicht liegt es aber zu weit zurück, sodass ich dem Vorgänger Unrecht tue.

Letztlich war es eine schöne, kurzweilige Lektüre, die mich gut unterhalten hat und dadurch auch zu einen meiner liebsten Geschichten dieses Jahr zählt. 


 

Diese Bücher aus dem S. Fischer Verlag solltet ihr nicht verpassen

Es erscheinen aber tatsächlich noch weitere interessante Titel in der nächsten Zeit. Hier drei Bücher, die ich empfehlen würde oder auf die ich mich selbst freue:
 
  • "I´m Glad My Mom Died" von Jeanette McCurdy: Die Memoiren habe ich dieses Jahr selbst bereits im Original gelesen und war, trotz des schweren Themas, sehr begeistert. Solltet ihr euch definitiv vormerken. ET: 24.05.23 
  • "Pageboy" von Elliot Page: Diese Memoiren des Schauspielers erscheinen in der englischen und deutschen Ausgabe tatsächlich gleichzeitig. ET. ist der 06.06.23. Bin sehr gespannt auf seine Geschichte!
  • "Gallant" von V. E. Schwab: Eine kurze, aber schöne Geschichte, die mich etwas an "Stranger Things" erinnert hat. Lohnt sich für alle, die Fantasygeschichten mit schönen Illustartionen mögen.  




 

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