4 Bücher mit Mandarinen/ Orangen auf dem Cover

März 20, 2023

 

In der vergangenen Zeit sind vermehrt Bücher erschienen, die orangene Früchte auf dem Cover abbilden. Mich interessierte daher, ob sich die Geschichten ähneln und es einen Grund für das ähnliche Motiv gibt oder ob es einfach ein beliebtes Mittel ist, um "auf den Zug aufzuspringen". Ausgewählt habe ich insgesamt vier Bücher, darunter drei zeitgenössische Romane und eine Kurzgeschichtensammlung. 

 

Everything we said was being measured and graded into gold, silver,  bronze - and fail. 
- "All My Mothers" von Joanna Glen, S.149

 

Gleiche Frucht, gleicher Inhalt? 

Die Vermutung liegt durchaus nahe, dass die Mandarine (bei einem Roman auch die Orange) als spezielles Motiv eingesetzt wurde, um möglicherweise einen Hinweis auf den Inhalt zu geben oder die Leser*innen in eine bestimmte Region zu entführen. 

Bei zwei, eigentlich sogar drei Romanen gab es zueinander zwar keine Verbindung zum Land, in dem die Geschichte gespielt hat, jedoch aber zum Thema. Die Kurzgeschichtensammlung griff das Cover wiederum in Hinblick auf eine der Erzählungen ("Oranges") auf. Die letzte Geschichte schien insgesamt am wenigsten in das Muster passen zu wollen.  


Mütter & die Mutterrolle

Auffallend ähnlich, zumindest vom Thema her, waren sich "Bad Fruit" von Ella King und "All My Mothers" von Joanna Glen.
Beide befassen sich stark mit dem Thema Mütter, Mutterschaft und die Beziehung zwischen Mutter und Kind. 

"Bad Fruit" geht dabei stark n die Richtung eines Thrillers. Erst nach und nach erfahren wir, was in der Familie vorgefallen ist und wie zuverlässig die Erzählerin ist. Obwohl ich den Fokus auf die Mutterrolle mochte, fand ich die thematisierten Geschehnisse zu schwach beleuchtet und kritisiert. Die Geschichte lässt uns an vielen Geheimnissen teilhaben und zwingt uns dabei, sich mit den schwierigen Seiten einer Mutter-Tochter-Beziehung auseinanderzusetzen.
Leider fehlten mir dabei die nötige Tiefe und das Reflektieren, nachdem man in der Handlung durchaus weit vordringt. Vieles wird nur zum Zweck der "Enthüllung" eingesetzt, wodurch ich aber mit einem merkwürdigen Gefühl zurückblieb, da am Ende alles furchtbar schnell aufgelöst und beendet wird - inklusive versuchter Sympathieaufbaumaßnahmen für Figuren, die diese nicht verdient haben. 

Wird das Motiv der Frucht offensichtlich? Ja! Der Orangensaft ist in der Geschichte ein essentieller Bestandteil und wird detailreich beschrieben.


"All My Mothers" von Joanna Glen war für mich ein Überraschungsbuch, im positiven Sinne. Ich bin relativ unvoreingenommen ran gegangen und wurde mit einer wirklich emotionalen, schön geschriebenen und packenden Geschichte belohnt. Ich würde sogar sagen, dass es nun zu meinen Lieblingsbüchern zählt.
Im Roman folgen wir Eva Martinez-Green, einem jungen Mädchen, das von ihrer Familie und ihren Eindrücken ihres Familienlebens erzählt. Schnell wird deutlich, dass es zu viele Ungereimtheiten gibt, zu viele Ausflüchte und merkwürdige Antworten seitens ihrer Eltern, wieso sie keine Kinderfotos von ihr haben.

Doch der Roman ist nicht nur eine Geschichte über die Suche nach der "richtigen" Familie, sondern eine Geschichte darüber, dass man Menschen, die man als Familie bezeichnen würde, meist dort findet, wo man sie am wenigstens vermutet hätte. Die Protagonistin und Erzählerin Eva ist dabei so charmant und liebevoll, dass man sich gleich in sie verliebt. So unbedarft, voller Sehnsucht nach jemandem, der ihr das Gefühl gibt, wichtig und geliebt zu sein.
Und dennoch, auch hier thematisiert der Roman die Schwierigkeiten der Mutterrolle, den Herausforderungen eines jeden Lebens und den verschiedenen Arten einer Mutter-Tochter-Beziehung. Alles jedoch so schön verpackt, mit unheimlich vielen tollen Stellen, dass man sich in die Geschichte verlieben muss. 

Wird das Motiv der Frucht offensichtlich? Kaum. Die Mandarinen sind kein zentrales Thema im Roman, geben aber einen Hinweis auf die Orte, die für die Geschichte wichtig sind. Sie sind hier eher ein Indikator dafür, welche Stimmung oder welche Atmosphäre der (überwiegende) Aufenthaltsort der Protagonistin bereithält.


„'Aren´t mother wonderful?' said Miss Feast.
The other girls all nodded - all nodded.
 
- "All My Mothers" von Joanna Glen, S.11



Ähnlich zu den beiden vorher genannten Romanen, aber doch ein wenig anders war "Small Pleasures" (dt. Übersetzung: "Kleine Freuden") von Clare Chambers.
Auch hier spielt das "Mutter sein" eine entscheidende Rolle, wenn auch noch einmal in einem sehr speziellen Kontext. Die Ausgangssituation ist nämlich die, dass eine Frau im Jahr 1957 behauptet, schwanger geworden zu sein, ohne mit einem Mann intim gewesen zu sein. Es entspinnt sich eine journalistische Aufarbeitung durch die engagierte Reporterin Jean.

Obwohl also auch hier das Thema der Mutter im Vordergrund steht, geht es hier noch einmal gezielt um die "Befruchtung" als solches. Die Verknüpfung der Schlagzeile mit der schon beinahe detektivischen Arbeit der Journalistin und auch der Tests, die durch die Ärzte durchgeführt werden, war anfangs durchaus ziemlich vielversprechend. Die Themen wurden gut aufgegriffen und auch die Beziehung zwischen Gretchen, der Frau die sich mit der Sensation an die Zeitung gewendet hat, Jean und auch der nun zehnjährigen Tochter, haben mich größtenteils interessiert.
Ich hatte jedoch das Gefühl, dass das Offensichtliche zu lange im Raum stand und die Entwicklung der Geschichte dadurch künstlich in die Länge gezogen wurde.
Obwohl ich mit den Figuren sympathisieren konnte, haben mir die Schicksale am Ende weniger bedeutet als gedacht. Irgendwie hat mich die Geschichte (zum Ende hin) ein wenig verloren.

Wird das Motiv der Frucht offensichtlich? Dieser Roman war meiner Meinung nach der Einzige, der die Mandarinen wirklich ohne größere Bedeutung aufgreift. Natürlich, allein der Aspekt der "Befruchtung" könnte Grund genug sein, jedoch wären da vielleicht sogar andere Früchte noch passender gewesen. Inhaltlich gesehen wird sie nirgends explizit aufgegriffen.



'Okay?'
'Okay?' As if in a dream, she followed him. On the other side is where the story begins. 
- "Bliss Montage" von Ling Ma, S.148


Magic realism vs. Alltagsszenen: Die Kurzgeschichten von Ling Ma

"Bliss Montage" von Ling Ma sticht in der Sammlung meiner Leseliste dann etwas heraus. Vielleicht sollte es zu Beginn bereits offensichtlich sein, aber die Erzählungen fokussieren sich nicht nur auf ein bestimmtes Thema. Die Mutterrolle ist zudem kaum (aber ein wenig) Ankerpunkt der Geschichten und somit nicht gänzlich mit den Romanen vergleichbar - zumindest nicht in Hinblick auf die Verwendung des Mandarinen-Motivs. 

Zwar heben sich die Geschichten daher ab, aber sie sind ebenfalls unglaublich lesenswert. Ich mochte, dass wir uns hier ständig zwischen Realität und magic realism bewegen und nie genau sagen können, ob es eine Traumsequenz ist oder nicht.
Die ersten beiden Geschichten wirken noch recht "normal", erzählen von problematischen Partnerschaften, danach jedoch driften wir an Orte ab, die uns unsichtbar machen, die uns für ewig festhalten und uns aufzeigen wie schwierig es ist, ein neues Leben in einem fremden Land zu beginnen. Gut erzählt, packend und immer mit einem Hauch (positiver und negativer) Träumerei verbunden. Ein absoluter Lesetipp!

Wird das Motiv der Frucht offensichtlich? Es gibt eine Erzählung, die "Oranges" heißt, die aber nicht wirklich auf die Frucht selbst eingeht. Die vorletzte Geschichte greift jedoch erneut stark das Muttersein auf und die Aufopferung, die manchmal damit verbunden sein kann, wenn man sich ein besseres Leben für die Kinder wünscht.


4 x orangene Buchcover - Fazit

Es hat mich letztlich doch erstaunt, dass die orangenen Cover mit den abgebildeten Mandarinen doch auch eine große Ähnlichkeit im Inneren teilen. Nämlich den Fokus auf die Mutterrolle.
In den drei Romanen ging es überwiegend um die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, der Suche nach dem Gefühl bedingungslos geliebt zu werden und was geschieht, wenn diese Verbindung dysfunktional ist.
Der Erzählband bietet diese Ansichten auch, jedoch natürlich nicht so stark wie die Romane. Dennoch wird man hier auch mit vielen anderen Geschichten belohnt, die gefühlvoll, nachdenklich und "anders" sind.

 

Meine Favoriten

Meine absoluten Favoriten waren daher "Bliss Montage" von Ling Ma und "All My Mothers" von Joanna Glen.
"Small Pleasures" von Clare Chambers hat mich zum Ende hin leider etwas verloren und ließ mich mit einem mittelmäßigen Gefühl zurück.
"Bad Fruit" von Ella King startete vielversprechend, entpuppte sich für mich dann aber als kleine Enttäuschung, da zu sehr auf den "Schock"-Effekt gesetzt wurde.



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