"The Dreamers" von Karen Thompson Walker

Juni 24, 2021

(Original: "The Dreamers"/ 2019) Random House, Übersetzer/in: -, dt. Übersetzung: "Die Träumenden", ★★★★☆ 4 Sterne
Eines Nachts, in einer isolierten Collegestadt in den Bergen von South Carolina, stolpert eine Studentin des ersten Semesters in ihr Zimmer und schläft ein - wacht aber nicht mehr auf. Sie schläft am Morgen und auch noch am Abend des nächsten Tages. Ihre Mitbewohnerin, Mei, kann sie nicht wecken. Auch den Notärzten und Helfern im Krankenhaus sind die Hände gebunden. Als die nächsten Student*innen ebenfalls in den mysteriösen Schlaf fallen, muss sich Mei mit einem Klassenkameraden, durch die immer panischer werdende Stadt, durchschlagen.
Und auch die anderen Bewohner versuchen sich in ihrer jeweiligen Situation zurechtzufinden.
Währenddessen finden Forscher heraus, dass bei den Träumer*innen eine überdurchschnittliche Aktivität des Gehirns festgestellt wurde. Doch wovon träumen sie?
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"What if misfortune can be drawn to a place, like lightning to a rod?"  S.24
Der vielleicht schlechteste Zeitpunkt, um dieses Buch zu lesen? Genau jetzt - während einer Pandemie. Es war oftmals wirklich so nah an den Gedanken und Situationen, die man in den vergangenen Monaten (ach, was sag ich da, der vergangenen zwei Jahre) gehört und wahrgenommen hat. Da wären unter anderem die Hamsterkäufe, die Panik, die manche beschleicht, die Aufruhr, Mutation der Viren, der Idee, dass diese Krankheit gezüchtet wurde und ja, sogar die Annahme, dass es durch die Luft übertragen wird.
Aber, das hat dem Buch letztlich nicht geschadet. Zumindest nicht, wenn es nach mir geht, denn das Buch war dadurch auch sehr atmosphärisch. Es transportiert eine gewisse Endzeitstimmung (für alle, die es gelesen haben: ähnlich wie "Das Licht der letzten Tage" - im Englischen - "Station Eleven") und man bleibt mit doch vielen offenen Fragen zurück (ähnlich wie "The Memory Police"). Dadurch hat der Roman aber tatsächlich genau meinen Geschmack getroffen. Ich mochte die Mischung aus "Häppchenweise näher zur Wahrheit kommen" und dem cleveren Offenlassen von gewissen Erklärungen für etwas, das sich auch die Bewohner, Ärzte und Forscher nicht genau erklären können. Es werden zwar viele Theorien geäußert, letztlich bleibt es aber den Leser*innen selbst überlassen, welcher Spur, welcher Annahme man folgt.

Der Roman thematisiert abstrakte Gedanken und Vorstellungen hinsichtlich des Menschen, der Seele und dem Innersten, das uns manchmal wie ein sechster Sinn leiten kann. Gleichzeitig stehen aber eben auch Träume und Visionen im Vordergrund, die dem Menschen als Hilfsmittel dienen (können). Man wird mit Überlegungen konfrontiert, die danach fragen, ob Träume wirklich nur der "Abfall des Alltags" ist oder ob damit viel mehr verknüpft wird. Sind vielleicht unsere Träume unsere Wirklichkeit? So absurd sie sich auch manchmal anfühlen?
Für mich alles sehr spannende Fragen, die in dem Roman aber eben nicht dazu führen, dass die Geschichte abstrus wirkt, sondern sich aufgrund der Machart dennoch "echt" anfühlt.
"We´re on TV. But the excitment does not last. The boredom returns faster every time. How swiftly it comes over them, the feeling that this containment will never end." S.56
Nach und nach lernen wir viele Protagonist*innen und Charaktere kennen. Viele Leben und Hindernisse, ebenso wie viele Pläne, die durch die auftretende Krankheit verschoben werden müssen. Ich muss zugeben, dass ich nicht zu allen eine gleichstarke Bindung aufbauen konnte, aber mich haben grundsätzliche alle Handlungsstränge und Leben interessiert. Alle Ansichten waren wichtig für den Gesamteindruck. 

Durch die vielen Blickwinkel kam es tatsächlich auch vor, dass es sehr philosophisch wurde und die Verknüpfungen dazu geführt haben, dass ich einen Kloß im Hals hatte. Das lag daran, dass es mich teilweise emotional gepackt und nicht losgelassen hat.
Denn obwohl der Roman gar nicht so lang ist, hat man durch die Intensivierung der Beschreibungen und der spürbaren Isolation wirklich das Gefühl, als befinde man sich mit den Figuren in dieser Stadt und müsse auch so lange ausharren wie sie. Es war somit nicht zu schnell abgehandelt, hat sich aber auch nicht zu sehr gezogen.

Was ich zudem interessant fand, war die Reaktion auf das Gelesene, weil man sich nach dem Lesen des Kapitels (vor dem Schlafengehen) ständig gefragt hat, was wohl wäre, wenn man jetzt selbst nicht mehr aufwachsen würde und dem Pfad der Figuren folgen müsste.

 

Für mich ein neues und absolutes Lieblingsbuch, das zwar eine gewisse Schwere und Melancholie in sich trägt, aber durch die teils offene Interpretation mehr als einmal einen sehr positiven Ton anschlägt. Die Isolation der Figuren und der Stadt sind stark spürbar, was für eine sehr spezielle Atmosphäre sorgt. Im Fokus stehen zudem Fragen, die sich auf die Funktion der Träume beziehen und Beobachtungen, die Menschen in Zeiten von Krisensituationen beleuchten.


1 Kommentar:

  1. Hallo,

    interessante Rezension. ich denke, dass das Buch nichts für mich ist, aber für meine Mutter. Danke dir.

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