"The Push" von Ashley Audrain

Mai 24, 2021

(Original: "The Push"/ 2021) Viking (Penguin Randomhouse Imprint), Übersetzer/in: -, dt. Übersetzung: "Der Verdacht", ★★★★☆ 4 Sterne
Blythe ist entschlossen dazu, die liebevolle und fürsorgliche Mutter für ihr neugeborgenes Baby Violet, zu sein, die sie niemals hatte.
Doch bald ist Blythe sich sicher, dass etwas nicht mit ihrer Tochter stimmt - sie verhält sich nicht, wie die meisten Kinder. Oder spielt sich das alles nur in Blythes Kopf ab? Je mehr auch ihr Ehemann ihre Sorgen und Ängste abwürgt, desto mehr beginnt sie, ihrem eigenen Verstand zu misstrauen.
Dann wird ihr Sohn Sam geboren. Zu ihm empfindet Blythe die Verbindung, die sie sich immer für ihr Kind gewünscht hat. Plötzlich ändert sich jedoch das Leben der Familie und Blythe muss der Wahrheit ins Auge sehen.
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"One day you´ll understand, Blythe. The women in this family...we´re different"  S.7
Was für ein Buch. Ich habe es innerhalb eines Tages gelesen, weil es einen durchaus von Kapitel zu Kapitel immer mehr in den Bann zieht und man als Leser*in wissen möchte, ob es die eine Wahrheit gibt.

Im Fokus steht das Thema des Mutterseins. Dabei werden alle Stadien dieser Erfahrung miteinbezogen. Die Protagonistin setzt sich dazu mit der Vergangenheit und Beziehung ihrer Großmutter und Mutter auseinander sowie auch der Beziehung zwischen ihr und ihren eigenen Kindern. Man entdeckt Ähnlichkeiten, Unterschiede innerhalb dieser (Erziehungs-)Zeitspanne, Aspekte, die man schwerer zuordnen und einordnen kann und mittendrin auch die Frage danach, ob ein Mensch, ab dem Zeitpunkt seiner Geburt bereits "böse" sein kann.
Der Roman vermischt somit das komplexe Konstrukt und die Anforderungen der "Mutter" mit einem leichten Hauch eines Thrillers. Für mich hat das im Großen und Ganzen gut funktioniert, weil die Stimmung dadurch düsterer wurde, das Thema aber trotzdem nicht an Wichtigkeit, Tiefe und Ernsthaftigkeit verloren hat. Man spürt stetig den Druck, den Blythe zunehmend wahrnimmt, die Sorge, dass mit ihr etwas nicht stimmt, dass die Geburt sie mehr belastet, als sie sollte und sie die Ängste auf ihr Erstgeborenes überträgt.
"Violet cried only when she was with me; it felt like betrayal. We were supposed to want each other."  S.38
Die Stimmung, die zunehmende Anspannung, die Fragen, wie die Familie trotz Schwierigkeiten ein "normales" Leben führen soll, sind für mich gut ausgeführt worden. Mich hat hin und wieder diese Zwanghafte Verwendung vulgärer Ausdrücke gestört. Es sollte wohl ein Zeichen dafür sein, dass Frauen ebenfalls derb sein können und diese Linie zwischen männlicher und weiblicher Lust aufbrechen soll, jedoch kam es so merkwürdig rüber, dass ich aus dem eigentlich ernsten und psychologischen Stoff herausgezogen und in einen durchschnittlichen Roman hineingeschubst wurde. Dies kam nicht allzu häufig vor, hat mich aber an den bestimmten Stellen doch etwas gestört. 

Was mich jedoch unfassbar mitgenommen hat und doch angesprochen hat, war eben das Thema an sich und diese Familienlinie, die dort weitergesponnen wird. Welche Aspekte führten zu der Kälte der Mutter von Blythe und davor zur Kälte von ihrer Großmutter?
Hier wird aufgezeigt, wie wichtig es ist, dass man selbst die Entscheidung triff, ob man ein Kind bekommen möchte und die Zwänge der Gesellschaft eine solche Bindung verletzlich machen können. Ebenso thematisiert der Roman sehr gut, dass sich die Sorgen und Ängste nach und nach immer weiter fortsetzen.
Die Beziehung zwischen Blythe und Violet war teilweise wirklich schwer zu ertragen. Blythes Inneres "quält" sich oftmals sehr mit vielen Fragen, die darauf abzielen, bei ihr oder ihrem Kind nach Fehlern zu suchen. Wie wird mein Kind wohl sein? Werde ich ein guter Elternteil werden? Werde ich mein Kind zu wenig / zu viel lieben? Werde ich etwas falsch machen und mein Kind dadurch zu einem schlechten Menschen werden lassen? Kann man so etwas überhaupt verhindern? Der Roman versucht sich daran, diese Fragen nur aufzubrechen und an die Leser*innen weiterzugeben. Jede Situation kann einzeln und als Ganzes betrachtet werden, zu einer wirklichen Lösung kommt man aber wohl kaum. 

Das mochte ich jedoch an dem Roman, dass er so wahnsinnig vielschichtig ist, mit den schlimmsten Ängsten der Eltern spielt und gleichzeitig aufzeigt, was für eine Verantwortung wir dennoch unseren Kindern und Partnern gegenüber haben. Ich gebe zu: nicht alle Aspekte fand ich unproblematisch, da in dem Roman besonders die Figur von Violet einem speziellen Muster folgt und impliziert, dass es "das Böse" als solches gibt, auch ohne scheinbare Gründe. Dies wird zwar durch die vielen Wechsel von Perspektiven und Geschehnissen wie auch Versuchen von Blythe ihre Gedanken nicht auf eine Auslegung zu fixieren, entgegengesetzt, jedoch dachte ich mir manchmal, dass es schon extrem rüberkommen kann. Im Fall dieses Romans jedoch, muss ich gestehen, dass es zur Thematisierung der innerlichen Zerrissenheit der Protagonist*innen gut funktioniert hat und mich dazu angetrieben hat, weiterlesen zu wollen.
"Reflexes. They tell us about the most natural reflex in the world when you give birth to yor baby - the oxytocin reflex. The motherin hormone.  S.209

 

Ein ernster, düsterer und schwerfälliger Roman, der die Sorgen und Ängste einer (werdenden) Mutter thematisiert. Oftmals schwer zu verdauen, werden die Leser*innen mit der Frage konfrontiert, ob und wie viel Anteil man als Elternteil daran hat, dass aus Kindern gute Menschen werden. Wie viel Zuneigung braucht ein Mensch, um sich geliebt und in der Welt willkommen zu fühlen? Gleichzeitig wird in thrillerhafter Manier mit der Frage gespielt, welche Perspektive die Wahrheit erzählt.


 

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