Die Kopenhagen-Trilogie von Tove Ditlevsen

März 07, 2021

Werbung ~ Rezensionsexemplare // Kopenhagen-Trilogie: "Kindheit", "Jugend" & "Abhängigkeit" von Tove Ditlevsen, übersetzt von Ursel Allenstein (aus dem Dänischen), Aufbau Verlag 2021

"In „Kindheit“ erzählt Tove Ditlevsen vom Aufwachsen im Kopenhagen der 1920er Jahre in einfachen Verhältnissen. Tove passt dort nicht hinein, ihre Kindheit scheint wie für ein anderes Mädchen gemacht. Die Mutter ist unnahbar, der Vater verliert seine Arbeit als Heizer. Zusammen mit ihrer Freundin, der wilden, rothaarigen Ruth, entdeckt Tove die Stadt. Aber eigentlich interessiert sich Tove für die Welt der Bücher und hat den brennenden Wunsch, Schriftstellerin zu werden – und dafür ist sie bereit, das Leben, wie es für sie vorgezeichnet scheint, hinter sich zu lassen.

Im Kopenhagen der 1930er stürzt sich Tove voller Energie ins Leben. Mit 14 Jahren verlässt sie die Schule, beginnt ohne weitere Ausbildung eine Reihe von kleinen Jobs anzunehmen, arbeitet als Dienstmädchen und Bürogehilfin, sie schlägt sich durch. Mit 17 zieht Tove bei den Eltern aus, geht tanzen und die Möglichkeit, ein eigenes Buch zu veröffentlichen, rückt in greifbare Nähe. Das Porträt einer jungen Frau, die furchtlos und entschieden ins Leben zieht.

In „Abhängigkeit“ schreibt Tove Ditlevsen offen und absolut gegenwärtig über ihr Leben als Frau, Schriftstellerin und Mutter, über Liebe, Freundschaft und die Verlockungen der Sucht. Die Geschichte einer Befreiung, und das eindringliche Porträt einer Frau – verletzlich, souverän, eigenständig." (Aufbau Verlag)

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"Die Zukunft ist ein monströser, übermächtiger Koloss, der bald auf mich herabstürzen und mich zertrümmern wird. Meine zerfetzte Kindheit flattert um mich herum, und kaum habe ich das eine Loch gestopft. taucht an einer anderen Stelle ein neues auf." - Tove Ditlevsen, "Kindheit", S.91

 

An Tove Ditlevsens Trilogie kommt man derzeit kaum vorbei. Verwunderlich ist es nicht, denn die drei Bände überzeugen durch eine sehr eigene Ehrlichkeit und sprachliche Sogwirkung. Es ist eine Trilogie, die den inneren Wunsch nach Anerkennung, Liebe und dem Platz in der Welt wie auch in der Gesellschaft thematisiert.

Alle drei Teile waren für mich kleine Highlights. Schnipsel des wilden, harten und auch durchaus erfolgreichen Lebens einer jungen Frau, die auf der Suche nach Liebe die Sucht gefunden hat. Es ist nicht immer einfach zu lesen, wie sich Ditlevsen (oder ihr autofiktionales Ich) von einem Dasein ins nächste flüchtet und dabei nie wirklich glücklich ist beziehungsweise sein kann, weil sie das Gefühl hat, dass ihr etwas fehlt.
Ich war durchaus sehr angetan von dem Schreibstil. Er ist offen, ehrlich, aber teilweise auch recht distanziert. Man entwickelt definitiv einen Schutzmechanismus für die Erzählerin, kommt aber nicht drumherum, das Gefühl zu haben, dass eine Kälte mitschwingt. Vielleicht auch die Kälte und Unnahbarkeit, die auch die Erzählerin ständig spürt, da sie nie zu dem vollkommenen Glück durchdringen kann. 

Die Bände sind, bezogen auf die Seitenzahl, sehr kompakt, beinhalten aber wirklich viele Stationen des Lebens, der Erkenntnisse, der Entwicklungen und auch Fehler. Ich war sehr überrascht, zu erfahren, dass Ditlevsen von einer Ehe in die nächste gesprungen ist, sich auch nur bei dem kleinsten Strohhalm nach Geborgenheit einem Mann verbunden fühlt und dabei sich selbst außer Acht lässt. Ich hatte oftmals das Gefühl, dass sie nur so gelebt hat, wie man es von ihr erwartet hat (oder wie es damals natürlich grundsätzlich von Mädchen erwartet wurde). Lediglich in den Abschnitten, in denen sie von der Literatur und von ihrer schriftstellerischen Arbeit erzählt, kann man einen Einblick in ihre Selbstbestimmtheit und Durchsetzungskraft ergattern.

"Vielleicht kommt mein Buch in die Bibliotheken. Vielleicht wird ein Kind, das insgeheim Gedichte mag, es eines Tages dort finden, meine Verse lesen und etwas dabei fühlen, das seine Umgebung nicht versteht."- Tove Ditlevsen, "Jugend", S. 153

 
Die Texte mögen nicht vor Gefühlen und Positivität sprudeln, aber sie lösen definitiv etwas Großes in den Leser*innen aus. Man kann sich der Art wie Tove Ditlevsen von ihrem Leben erzählt nicht entziehen und hofft Kapitel nach Kapitel, dass sie sich von einigen Menschen, die ihr nicht guttun, losreißen kann.
Besonders der letzte Teil zerrt ein wenig an den Nerven, da hier die Selbstzerstörungswut der Protagonistin verstärkt zum Vorschein kommt. Hier fand ich zudem sehr interessant zu sehen, wie Ditlevsen sich selbst als Mutter beschreibt beziehungsweise viele Aspekte in Bezug darauf außer Acht lässt, die man wohl vermutet hätte vorzufinden. Vor allem, nachdem wir bereits mit der schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter konfrontiert wurden.

Mit der Wiederentdeckung und Neuauflage der drei Bände bekommen wir hier definitiv einen schmerzlichen, aber sehr lesenswerten Einblick in das Leben der Schriftstellerin präsentiert. Obwohl ich anfangs noch skeptisch war, ob mir die Erzählweise, besonders im ersten Teil, zusagt, da sie zwar "einfach", aber doch sehr reflektiert für so ein junges Mädchen scheint, habe ich diesen Eindruck mit den Folgebänden verworfen. Es gibt in der reflektieren Erzählweise keine Steigerung, was die anfängliche Skepsis für mich tatsächlich geschmälert hat. Die Trilogie wird durchgängig in einem beinahe sachlichen, aber eher liebevollen Ton erzählt.

Für mich daher ein absoluter Lesetipp!

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