Jede*r ist verdächtig. Und jede*r kann das Opfer sein.
Lucy Foley sorgt in ihren "Murder Mysteries" für doppelt Verwirrung, denn man weiß als Leser*in zunächst nicht, wer der Täter und obendrein noch nicht einmal, wer überhaupt das Opfer ist. Erst langsam nähert man sich den Geschehnissen, den dunklen Geheimnissen und letztlich den Antworten auf das Ganze.
"I was surprised at myself. I´m not, as a rule, a judgmental person. But even if you don´t have much interaction with other human beings - as I do not - it turns out that the instinct to judge one another, that basic human trait, does not leave us." (The Hunting Party, S.57)
Die Schauplätze
Abgelegen. Sehr abgelegen. In beiden Romanen ist die Umgebung eher düster, verlassen, (eis-) kalt oder stürmisch. Alles funktioniert nach dem Prinzip "niemand kann entkommen und ist an dem Ort des Verbrechens gefangen". Ich persönlich fand beide Schauplätze clever in die Handlung eingebaut und konnte die Stimmung genießen. Vielleicht wirken die Geschichten aber tatsächlich noch einmal deutlich besser, wenn man sie bei prasselndem Regen liest.
Mir gefiel zudem, dass die Orte durch ihre Abgeschiedenheit die Verdächtigen eingrenzen. Es muss einer von ihnen sein, nun liegt es an den Leser*innen herauszufinden, wer es war und warum.
Die Figuren und die Handlung
Bei den Figuren habe ich mich teilweise etwas schwergetan. In beiden Romanen werden die Figuren und ihre Vergangenheit recht detailliert beschrieben. Skandale, Jugendsünden, Jobs, Träume, Wünsche und Partner. Nach "The Hunting Party" war ich dann erst einmal etwas zwiegespalten. Einerseits trägt es deutlich zur "tieferen Bindung" zu den Figuren bei, andererseits hat es sich dadurch manchmal in die Länge gezogen, ohne am Ende wirklich einen spürbaren Effekt gehabt zu haben. Oftmals hätte ich einige Dinge über die Personen gar nicht gebraucht.
Dass auch Infos ausgelegt wurden, um falsche Fährten zu legen, ist denke ich klar, dennoch hat es mich manchmal eher etwas abgelenkt, sodass ich eigentlich nur schnell zum Ende kommen und wissen wollte, was die Auflösung des Ganzen ist.
In "The Guest List" hat sich der Eindruck rund um die Figurengestaltung nicht wirklich geändert. Manchmal gefielen mir die zwielichtigen Verhaltensweisen und die Andeutungen, manchmal war es mir dann einfach schon zu viel "gewolltes" Verwirren der Leser*innen. Bei einigen oder vielen Figuren habe ich sogar mit den Augen gerollt. Zudem fand ich die Zusammenfügungen der Figuren in diesem Roman viel offensichtlicher, als in "The Hunting Party", daher war ich sogar ein ganz klein wenig enttäuscht über gewisse Entwicklungen oder Offenbarungen.
In beiden Fällen gefiel mir aber grundsätzlich die Dynamik der Gruppe und letztlich auch die Auflösung. Es war stimmig, plausibel und hat auch zu den Figuren gepasst. Und es gibt dennoch einige Überraschungen, mit denen ich nicht ganz gerechnet habe.
Die Handlung selbst wird recht geschickt erzählt, indem jede*r Anwesende zu Wort kommt und ihre Erlebnisse, Vermutungen und Erfahrungen schildert. So ist es uns überlassen, ob wir ihnen glauben, Hinweise finden oder merken, dass sie etwas verheimlichen.
Aufgelockert werden diese Kapitel durch Einschübe, die zu dem jeweiligen Verbrechen oder Finden des besagten Opfers führen.
"There are real dangers out there, the landscape unfamiliar and treacherous in the dark. They are only now beginning to realize it fully. To understand just how unprepared they are." (The Guest List, S.144)
Foley vs. Christie?
Man kann und sollte die beiden nicht vergleichen. Zwar nehmen sich beide die Sparte der "Murder Mysterys" oder "Whodunits" vor, aber der Stil geht doch etwas auseinander. Christie setzt auf pointierte Hinweise, auf einen scharfsinnigen Detektiv und auf eine relativ kurz gehaltene Charakteristika der Täter*innen und Opfer.
Foley hingegen versucht ein kurzes Whodunit mit einem doch recht komplexen und psychologischen Denkmuster zu kombinieren, um einen umfangreichen Roman zu präsentieren. Tatsächlich ergänzt sich das manchmal ganz gut und sorgt für eine zusätzliche Tiefe, manchmal sind viele Details aber letztlich doch zu viel und lassen den Roman an der einen oder anderen Stelle so erscheinen, als drehe sich alles nur im Kreis, ohne wirkliches Ende.
Ich würde die Romane von Foley empfehlen, wenn man etwas Rätseln und dennoch das Gefühl eines umfangreichen Romans haben möchte. Aber eben vielleicht auch besonders zur Herbst- und Winterzeit!
Leave a little note ~ Hinterlasse eine kleine Notiz
Mit dem Absenden Deines Kommentars bestätigst Du, dass Du meine Datenschutzerklärung, sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und akzeptierst.