Das fehlende Glied in der Kette (Hercule Poirot #1) von Agatha Christie

Juli 22, 2020

Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "The Mysterious Affair at Styles"/ 1920), Atlantik Verlag (2020), Übersetzer/in: Nina Schindler (aus dem Englischen), ★★★★☆ 4 Sterne
"Wer hat die wohlhabende Mrs Emily Inglethorp auf ihrem Landgut Styles Court vergiftet? Ihr Ehemann Alfred, der es scheinbar auf das Erbe abgesehen hat? Doch auch ihre Stiefsöhne oder die launische Haushälterin könnten die Mörder sein. In seinem ersten Fall nimmt Hercule Poirot alle Bewohner von Styles gründlich unter die Lupe, bis er das fehlende Glied in der Kette gefunden hat."
Dies ist die Jubiläumsausgabe zum 100. Geburtstag von Hercule Poirots erstem Fall und Agatha Christies erstem Kriminalroman.
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"'Ah!' Poirot fuchtelte mit dem Zeigefinger so heftig vor meiner Nase herum, dass ich zurückwich. Achtung! Schande über den Detektiv, der sagt: 'Das ist so geringfügig - das hat keine Bedeutung. Es passt einfach nicht. Ich werde es vergessen.' Das führt zu Verwirrung! Alles ist wichtig.' " S.43

Eines vorweg: Ich weiß, dass Agatha Christies Kriminalromane zur Unterhaltung dienen sollen und man eingeladen wird vordergründig einfach zu rätseln, wer der Täter sein könnte. Dennoch blieb mir leider unverständlich, wieso der Verlag sich nicht dazu entschieden hat, endlich die rassistischen Begriffe aus dem Original auszutauschen. Die Verwendung der Wörter hat überhaupt keinen Einfluss auf irgendwelche Kontexte oder kulturgeschichtlichen Bezüge (und selbst dann, sollte man dies umsetzen). Besonders zu diesem schönen Jubiläum hätte ich mich sehr darüber gefreut, weil es der Geschichte nicht diesen komischen Beigeschmack gegeben hätte und man nicht ständig den Impuls hätte, die Stellen selbst streichen zu wollen. Sehr schade!

Bewerte ich die Geschichte aber unabhängig davon, muss ich dennoch sagen, dass ich mit dem ersten Fall von Hercule Poirot gut unterhalten wurde und tatsächlich bis zum Schluss gerätselt habe. was mir entgeht und wer nun der oder die Schuldige sein kann.

"'Sie haben Ihrer Phantasie freien Lauf gelassen! Phantasie ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr. Die einfachste Erklärung ist meistens die wahrscheinlichste.'"  S.89

DIE HANDLUNG

Agatha Christie schafft es tatsächlich die Leser*innen dazu aufzufordern, sich alles einprägen zu wollen, jeden Hinweis so gut es geht zu entschlüsseln und Unstimmigkeiten eines Verdachts zu verwerfen, um Unschuldige auszuschließen. Es ist ein wie klassisches Cluedo oder Whodunit - und das erwartet man ja auch irgendwie bei ihren Romanen! 
Ich persönlich mochte, dass es zügig vorangeht und man die Charaktere zwar immer etwas besser kennenlernt, demnach auch mögliche Motive aufgezeigt bekommt, man sich aber nicht mit ellenlangen Lebensläufen auseinandersetzt. Alles hat ein gutes Tempo, verweilt gerade genau richtig in einer Situation und ermöglicht so, dass man aus dem Zoom in den Weitwinkel schalten kann.

Insgesamt hat mir dieser Teil und auch der Start der Serie doch besser gefallen, als der 36. Fall namens "Hallowe´en Party", den ich damals, passend zur Stimmung, gelesen habe.

HERCULE POIROT

Den Ermittler lernen wir nur durch die Augen der anderen kennen, was ich aber ganz gelungen finde, denn dadurch (und das ist ja gerade der Reiz) erfahren wir nur die Bruchstücke und Indizien, die der Erzähler kennt. Und wie wir wissen, ist es nie mehr, als Hercule Poirot selbst weiß. Er ist es, der zuletzt auch den Erzähler durch seine Fähigkeiten und die Leser'innen verblüfft.
Ich kann nach dem ersten Teil noch gar nicht sagen, ob ich ihn charismatisch finde, aber er ist definitiv ein interessanter Charakter. Man wird natürlich durchaus dazu verleitet, sofort den nächsten Band lesen zu wollen, um mehr über ihn und seine Fälle zu erfahren. Seine zurückhaltende, jedoch recht aufbrausende Art passte hier aber ganz gut zu dem sonst sehr ruhigen Erzähler.

DER SCHAUPLATZ

Ebenso gefiel mir der klassische Tatort: Ein altes, großes, mit wertvollen Sachen verziertes und von einem großen Grundstück umgebendes Anwesen, das mehrere Türen und Durchgänge zu bestimmten Räumen hat. Passend dazu gibt es im Roman auch die ein oder andere Skizze des Gebäudes, das dem Gefühl des Ermittelns noch einmal einen kleinen Schub verleiht.


Ein Klassischer Kriminalroman, der die Leser*innen bis zum Schluss rätseln lässt. Hercule Poirots erster Fall ist knifflig und spannend erzählt. Nicht zu zäh, langatmig und auch nicht zu kurz. Alle, die Fans des "Wer hat´s getan?" sind, werden hier auf ihre Kosten kommen. Ich persönlich mochte den Fall und hatte auch Spaß beim Aufschnappen der Hinweise. 
Lediglich die Beibehaltung der rassistischen Begriffe aus dem Original haben mir den Roman schlechter erscheinen lassen. Ich denke, das war besonders zur Jubiläumsausgabe eine schöne Gelegenheit, dies zu ändern. Sehr schade, dass es nicht verändert wurde.

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