Washington Black von Esi Edugyan

April 22, 2020

(Original: "Washington Black"/ 2018) Harper Collins, Übersetzer/in: -, ★★★☆☆ 3 Sterne
Die Flucht ist nur der Anfang.
Zwei englische Brüder und Besitzer einer Zuckerrohrplantage auf Barbados sind nicht gerade für ihre Güte bekannt. Washington Black, ein elfjähriger Sklave auf der Plantage fürchtet sich demnach, als er dazu auserwählt wird, einem der beiden als persönlicher Helfer zu dienen. Zu seiner Überraschung erweist sich der exzentrische Christopher Wilde als Naturwissenschaftler, Entdecker, Erfinder und als Befürworter der Sklavenabschaffung.
Gemeinsam widerfahren ihnen Dinge, die sie dazu auffordern zu entscheiden für wen und was sie einstehen und was sie bereit sind zu opfern. Eine Reise um die Welt beginnt...
__________________________________________________________________________________

"Titch frowned. 'The Romans did not collapse because their slaves learned to draw.' 
           Mister Philip returned the paper to me.'Eyerything begins somewhere.'"  S.79

Edugyans Roman reiht sich leider wieder in die Kategorie von Büchern ein, von denen ich mir mehr erhofft hatte.
Liest man sich den Klappentext durch, entsteht das Gefühl, als würde man als LeserIn auf eine bahnbrechende Reise geschickt werden, die gefährlich und doch wichtig ist, weil sie das Leben / den Wunsch nach Selbstbestimmung der Sklaven in 1830 aufgreift und sich kritisch damit auseinandersetzt.
Nun, man kann nicht leugnen, dass es eine Reise gibt oder sogar mehrere Reisen. Aber ich hatte leider ab der Hälfte des Romans nie wirklich das Gefühl wirklich dort zu sein. Irgendwie hat mich die Beschreibung der Orte und der Stimmung ab da nicht abgeholt. Was mehr als schade ist, weil mir der Anfang dahingehend wirklich stark vorkam. Ebenso hat man zu Beginn die Spannung zwischen den beiden Brüdern und dem darin verloren wirkenden Washington Black tatsächlich spüren können. Und genauso gut haben mir im ersten Drittel die gesamte Szenerie, die Verweise auf die Spiritualität der Schwarzen und deren Glauben an das Leben nach dem Tod sowie der Frage des Protagonisten, was nun aus ihm wird, gefallen. Ich hatte gehofft, dass sich seine Figur mit der Zeit festigt und man erkennt, was ihn interessiert, wonach er strebt und was für ihn überhaupt Freiheit bedeutet.

"'Freedom, Wash, is a word with different meanings to different people,' he said, as though I did not know the truth of this better than he.” S. 154

Alles in allem überkam mich aber immer mehr das Gefühl, dass sich der Roman nicht gänzlich entfaltet und Washington Black als Figur selbst irgendwie ständig in den Hintergrund gerät. Ich war mir einfach nicht sicher, ob dies beabsichtigt war, um aufzuzeigen, dass sich dieses Gefühl der Sklaven gefestigt hat, sie seien keine Individuen, sondern nur der Besitz von den "Mächtigen" und "Weißen", oder ob es einfach etwas missglückt ist.
Denn ständig schien mir, dass Washington Black eben nur durch die anderen charakterisiert wird. Jemand anders hat diese oder jene Leidenschaft und er macht irgendwie mit, sagt zwar, dass er auch Interesse daran hat, aber alles bleibt in so einem Gleichgültigkeits-Spektrum. Das hieß für mein Empfinden wiederum, dass ich seine Figur nicht wirklich ins Herz schließen konnte, so sehr ich es auch wollte. Er war stets so distanziert und kühl, dass ich zwar immer noch gerne wissen wollte, wohin ihn seine Reise führt, jedoch keine enge Verbindung zu ihm aufbauen konnte, um sein Leid (überwiegend die stete Suche nach Antworten) besonders spüren zu können.

Ich würde nicht sagen, dass ich das Buch "umsonst" gelesen habe, denn es gab durchaus gute Überlegungen und Ideen wie auch die Thematisierung der Sklavenhaltung, aber mir fehlte im Schreibstil und in der Geschichte selbst eine Leidenschaft. Oft hatten für mich diese Handlungsentwicklungen nur die Funktion, von einem Punkt zum nächsten zu gelangen, ohne, dass die Figuren wirklich daran gewachsen wären. Da hat mir der angenehme Schreibstil in einigen Passagen einfach nicht ausgereicht.
Geglückt war aber wiederum die Verknüpfung zwischen dem Anfang des Romans und den Endkapiteln, denn genau da fing es ein wenig an, dass die Figuren und deren Charakterzüge endlich greifbar wurden...

"Death was a door. I think that is what she wished me to understand. She did not fear it." S.8


Ein wichtiges Buch, welches die Reise des jungen George Washington Black aufzeigt, das mich aber nicht gänzlich abholen konnte. Mir fehlte oft eine gelungenere Überleitung der vielen Stationen des Protagonisten und eine damit verbundene emotionale Ebene. Vieles schien (beinahe bis zum Ende) sehr distanziert und ermöglichte mir daher nicht, die Figuren im Kern zu erfassen. Es gab einige geglückte Kapitel und Ideeneinschübe rund um innovative Fortbewegungsmittel und Washinigtons Leidenschaft zur Ozeanologie, die mir aber nicht ganz ausgereicht haben, um es zu einem Lieblingen werden zu lassen. Leider!

3 Kommentare:

  1. Ahoi Karin,

    aaah, jetzt hast du es auch gelesen! Du fasst meine Gefühle diesem Buch gegenüber wunderbar in Worte - ich hatte mir auch deutlich mehr erhofft und konnte mich nicht richtig ein- und mitfühlen :/ Außerdem fand ich das Ende total enttäuschend. Nichts gegen offene Enden allgemein, aber dieses?! Wenn du magst, hier meine Rezension :)

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Ronja von oceanloveR

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Habe mir eben deine Rezension durchgelesen, danke fürs Verlinken, so geht es immer flott. :D

      Ja.... wir haben viele ähnliche Kritikpunkte. Ich finde es irgendwie merkwürdig, dass das Buch recht umfangreich ist, man aber das Gefühl hat, dass man nie etwas Neues über die Figuren lernt...
      Das Ende habe ich da sogar noch als recht verständlich empfunden, also wenn man das Fortgehen von Titch damit in Verbindung setzt. Da sollte wohl der Bogen geschlossen werden. Aber ich verstehe was du meinst, da wurde einfach vorher viel zu wenig erarbeitet, als das der Leser da wirklich das Gefühl hat, dass sich das Ende "episch" anfühlt oder etwas in der Art. Leider plätschert alles so bisschen vor sich hin :/. Wirklich ziemlich schade.



      Liebe Grüße
      Karin

      Löschen
    2. Du sagst es... und das ist alles so schade, weil das Buch so viel Potential, so interessante Charaktere, so viel Botschaft gehabt hätte :/

      Löschen

Mit dem Absenden Deines Kommentars bestätigst Du, dass Du meine Datenschutzerklärung, sowie die Datenschutzerklärung von Google gelesen hast und akzeptierst.