Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Gone With the Wind"/ 1936), Kunstmann Verlag (2020), Übersetzer/in: Andreas Nohl & Liat Himmelheber (aus dem amerikanischen Englisch), ★★★(★)☆ 3,5 Sterne
"Vom Wind verweht ist ein Klassiker der amerikanischen Literatur, eine abenteuerliche Liebesgeschichte, vor allem aber das große Epos des amerikanischen Bürgerkriegs, ein Pendant zu Krieg und Frieden, das Andreas Nohl und Liat Himmelheber zum ersten Mal vollständig ins Deutsche übertragen haben.
Jeder kennt die tragische Liebesgeschichte von Scarlett O’Hara und Rhett Butler, wenn auch oft nur aus dem Film, in der Gestalt von Vivien Leigh und Clark Gable. Der Film gilt als einer der erfolgreichsten der Filmgeschichte, aber auch das Buch, das 1936 erschien, war umgehend ein Bestseller und wurde schon 1937 ins Deutsche übersetzt: Keine Geschichte hat unser Bild von den Südsaaten, dem amerikanischen Bürgerkrieg und der Zeit der
Reconstruction so sehr geprägt wie Margaret Mitchells Gone With the Wind.
Vom Wind verweht, die erste Neuübersetzung seit 1937 – zugleich die erste ungekürzte Übersetzung in deutscher Sprache –, folgt dem schnörkellosen, journalistischen Stil von Margaret Mitchell und lässt uns so fast einen anderen Roman lesen. Natürlich ist es immer noch das große Epos des amerikanischen Bürgerkriegs, die tragische Liebesgeschichte und die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt."
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"Sie lag im silbrigen Mondschatten und schmiedete Pläne, wie Sechzehnjährige es tun, wenn ihr Leben immer so angenehm dahingeflossen ist, dass eine Niederlage nicht infrage kommt, und wenn das Schicksal durch ein schönes Kleid und einen schönen Teint besiegt werden kann." S.98
Da ich die alte Übersetzung und damit den Roman noch nicht kannte, fließt in die Bewertung nicht nur die Überarbeitung, sondern natürlich auch der Inhalt der Geschichte mit ein.
Daher erst einmal zur Übersetzung: Ich weiß nicht so ganz, ob ich zu naiv war, als ich die Ankündigung gelesen habe, dass die Bearbeitung sich der rassistischen Begriffe annehmen will, ob ich das alles zu "eng" sehe oder ob es letztlich nicht so gut gelungen ist, wie man dachte.
Ich habe mir im Vorfeld die Interviews der beiden Übersetzer durchgelesen und auch alle Pressemitteilungen angeschaut, die es gab und war sehr positiv gestimmt. Ich dachte: wow, endlich traut sich jemand! Alles klang vernünftig und gut durchdacht. In einem Artikel auf deutschlandfunkkultur findet man zudem das Zitat des Übersetzers:
„Weshalb es absolut notwendig war, das N-Wort rauszunehmen“, ergänzt Himmelheber, „dabei zuckt man heute einfach zusammen.“.
Umso größer war dann meine Verwunderung, dass das Wort doch auftaucht. Einmal in "normal" ausgeschrieben und sonst unzählige Male, wenn die Sklaven selbst über sich reden oder die Figuren über sie herziehen, in seiner Slang-Variante. Und nun stand ich da und wusste eben nicht, ob ich etwas missverstanden hatte. Sollte es nicht darum gehen, diesen Begriff zu umschreiben? Und da trat dann schon die andere Überlegung auf. In dem Instagrampost zum Buch, wies mich @dubliner86 darauf hin, dass der Begriff "Darky" fällt, um den anderen Begriff zu umgehen. Das Wort war damals schon sehr verachtend, heute aber nicht minder. Auch hier frage ich mich, ist das dann überhaupt eine Verbesserung, wenn man den alten Begriff irgendwie nur halb herausnimmt und ihn durch einen anderen rassistischen Begriff ergänzt? Ich habe versucht mich in alle möglichen Argumente reinzulesen und zu denken. Für mich persönlich macht es die Sache selbst aber einfach nicht besser. Auch hier, muss ich leider sagen, zuckte ich innerlich einfach zusammen.
Was das "Weichgespülte" betrifft, so muss ich sagen, dass ich den Roman glücklicherweise in den Formulierungen der Dialoge nicht zu modern fand. Meine Sorge war eher, dass der Charme der Zeit verschwinden würde. Es gibt durchaus noch die träumerischen (Originalpassagen), die etwas rührseliger daherkommen, aber sie sind doch irgendwie präzise und vermitteln ein Gefühl von Entschlossenheit.
"Aber [...] gleichgültig welch edlen Zwecke sie den Kriegen zuschrieben, es gibt immer nur einen Grund für Krieg, und das ist Geld. Alle Kriege sind in Wirklichkeit Geldstreitereien. Nur begreifen das sehr wenige Leute." S.288
Und nun zu Scarlett O´Hara.
Scarlett O´Hara... Selbst nach den ganzen über tausend Seiten, weiß ich
immer noch nicht so genau, wie ich zu ihr stehe. Sie ist jung, unerfahren, privilegiert und träumt so vor sich hin. Natürlich gibt es da reichlich Potential, um die Figur dann im Laufe der gesamten Geschichte wachsen zu lassen.
An vielen Stellen gibt es tatsächlich diese Entwicklungen, aber größtenteils hat sie mich, vor allem bis zum letzten Drittel des Buches, einfach nur zur Weißglut getrieben. Ja, auch hier gehört das irgendwie dazu, das ist der Sinn des Ganzen, macht das Lesen aber dennoch etwas schwerfällig.
Dennoch konnte ich tatsächlich nach einiger Zeit nicht aufhören zu lesen. Man will schließlich wissen, ob sie sich irgendwie verändert, ob sich in ihr ein gewisser Tatendrang bemerkbar macht und ob sie ihr Glück / Unglück finden oder beibehalten wird. Im Hintergrund nicht zu vergessen der Krieg, der die Figuren zusätzlich belastet und einen Preis verlangt.
Die Geschichte ist wirklich voll mit allem. Mit Handlungen, mit Figuren, mit Schicksalsschlägen, mit Hochzeiten, mit Handlungsstrategien und natürlich mit der Frage nach der Liebe des Lebens. Vieles wiederholte sich aber für mich zu oft. Manchmal fühlte ich mich, wie vor einer Serie, die nach jeder zweiten Folge zurückgespult und wieder abgespielt wird. Als würde man einfach nicht wollen, dass das Buch endet. Das klingt irgendwie böser, als es eigentlich war, aber das ist mir so als Bild im Kopf geblieben.
Ich mochte an dem Roman aber die Denkweise und Botschaft, wenn man so sagen möchte, an vielen Stellen. Was heißt es erwachsen zu werden und seinem Herzen zu folgen? Was bedeutet es, sich aufzuopfern und immer für alle anderen da zu sein, nicht nur an sich selbst zu denken? Ist die Liebe zu den eigenen Kindern immer so einfach? Und vor allem: Wieso um Himmels willen führen die Menschen immerzu Kriege? Darauf findet man durchaus Antworten. Antworten, die manchmal unbequem sind, die aber voller Wahrheiten stecken.
"Sie sah gequält zu ihm auf und fand irgendwie Trost in der reglosen Undurchdringlichkeit seines Gesichts. Den Grund dafür konnte sie sich nicht erklären, denn er war doch eigentlich so ein unberechenbarer und gefühlloser Mensch. Vielleicht lag es daran, dass sie beide, wie er immer sagte, sich so ähnlich waren. Manchmal kam es ihr vor, als wären alle Menschen, die sie je gekannt hatte, Fremde - alle, außer Rhett." S.1022
Ein wuchtiger Roman, der sehr viele Themen aufgreift, die das junges Leben (einer Scarlett O´Hara) beschäftigen. Auch wenn die Umstände der Zeit damals im Fokus stehen, findet man doch vieles darin wieder, dass auch heute von großer Bedeutung ist und sein kann. Tatsächlich ist Scarlett O´Hara eine Figur, die ich im Buch und während des Lesens nicht ausstehen konnte und doch irgendwie sehr zu schätzen gelernt habe. Leider bin ich mit der Neuübersetzung, trotz aller guten Bemühungen, nicht wirklich zurechtgekommen. Insgesamt habe ich in dem Roman wohl genauso viele gute, wie auch negative Dinge gefunden, die dafür sorgen, dass es eine Geschichte bleibt, die mich erst zum Ende hin richtig gepackt hat. Dennoch bleibt sie irgendwie fest in meinem Herzen verankert (im positiven Sinne). Ich würde es jedem empfehlen, der vielleicht auch so ein Gefühl von "Neverending"-Story mag.
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