Dubliner von James Joyce

November 05, 2019

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Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Dubliners"/ 1914) Manesse Bibliothek (2019), Übersetzer/in: Friedhelm Rathjen (aus dem irischen Englischen), ★★★(★)☆ 3,5 Sterne
"Das Augenmerk dieses legendären Klassikers gilt nicht den Lichtgestalten, sondern den Stiefkindern des Glücks – den Sündern und Lügnern, den Bedrückten, Säufern und Schmarotzern. Wie der «Ulysses» lebt auch Joyce‘ Erstling «Dubliner» von der faszinierenden Atmosphäre seiner Vaterstadt. In fünfzehn Storys schildert der Autor darin das Alltagsleben einfacher Leute. Das Bahnbrechende daran: die nackte Realität wird von ihm weder beschönigt noch diffamiert. Um große Literatur zu schaffen, braucht Joyce keine spektakulären Schicksale. In der Welt der kleinen Leute findet er den Reiz ungeschminkter Wahrheiten und den Stoff, aus dem die wahren Dramen des menschlichen Daseins sind."
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"' Schlüpf mal runter, Gabriel, sei bitte so gut und sieh nach, ob mit ihm alles in Ordnung ist, und lass ihn nicht rauf, wenn er beduselt ist. Ganz sicher ist er beduselt. Ganz sicher."  S. 316

Die Flasche Stout. Eine der wohl am häufigsten erwähnten Gegenstände in "Dubliner" und für viele ein treuer Gefährte. Die Erzählungen halten sich alle zwischen einem träumerischen "Es könnte sich alles zum Guten wenden" und  dem gegensätzlichen "Es wird sich nichts ändern" auf. Die Figuren schildern ihren Alltag, aus dem sie meist ausbrechen möchten, der sie aber schon beinahe wie ein wildes Tier gefangen hält. Wirklich raus aus ihrer Situation kommen sie nicht.
Grundsätzlich finde ich den Erzählband durchaus lesenswert, wenn man Einblicke in die Version des menschlichen Alltags in Irland aus James Joyces´ Sicht erhalten möchte. Allerdings fand ich einige der Erzählungen etwas zäh und für mich persönlich schienen sie sich manchmal um sich selbst zu kreisen, ohne so wirklich auf den Punkt kommen zu wollen (erinnerte mich an "Ulysses", nur deutlich weniger komplex). Vielleicht genau das Gefühl also, was die Protagonisten in Hinsicht auf das Leben verspüren und dennoch, wenn man es in dem Moment liest, fällt es manchmal einfach schwer, sich darauf zu konzentrieren. Ab und an schweiften meine Gedanken schon beinahe ab oder gesellten sich eher noch einmal zu der bereits davor gelesenen Erzählung. Und dies ist auch ein Phänomen, das ich beim Lesen gemerkt habe. Im Moment des Lesens fehlte mir manchmal das Besondere, was mich gepackt hielt, als ich die Geschichte dann beendet hatte, entfalteten sich erst die Gedanken und dadurch gefielen sie mir deutlich besser. Zu einigen hingegen habe ich einfach nicht diesen sogenannten "Draht" gefunden. Vielleicht fehlte mir hier einfach auch die Vorkenntnis der Gegebenheiten des damaligen Irlands und der Ängste wie auch Wünsche der Menschen dort.

"Die Bürger Dublins werden davon profitieren. Sieh dir bloß mal die ganzen Fabriken unten an den Kais an, da steht alles still! Sieh dir das ganze Geld hier im Lande an, wenn wir bloß die alten Industrien wieder in Gang kriegten, die Mühlen, die Schiffswerften und Fabriken. Kapital ist das, was wir brauchen." S. 226f.

In den Geschichten und den Leben, die Joyce skizziert, steht sehr vieles zwischen den Zeilen. Der Leser wird in den Alltag eines Menschen hineingeworfen, der zunächst sehr ausführlich dargelegt wird. Dabei wird wirklich alles Mögliche genannt, vorwiegend auch das Gerede der Nachbarn und die momentane Situation. Diese beherbergt aber immer ein Geheimnis, das mit Sehnsüchten zu tun hat. Und in vielen Fällen, bekommt man die Auflösung mit einem Satz, irgendwo am Ende der Geschichte, präsentiert, die man nur entschlüsseln kann, wenn man diese Enttäuschungen, Ängste oder Akzeptanz irgendwie nachvollziehen kann. Dies ist mir besonders bei der Geschichte "Arabia" aufgefallen, welche ich letztlich mitunter am gelungensten fand. Dort kommen diese Verbissenheit und Wunschvorstellung, mit einem Ereignis sein Leben "besser" machen zu wollen und die abrupte Feststellung, dass dies in den meisten Fällen nicht funktioniert und man sich oft selbst täuscht, zusammen. Alles aber auf so eine wirklich subtile und doch geniale Art, dass ich beeindruckt gewesen bin.

"Die Luft war erbarmungslos rau, und tief im Herzen schwante mir schon Schlimmes."  S. 48


Ein Erzählband, welcher sicherlich angenehmer zu lesen ist als "Ulysses" und dennoch das Leben der Iren gelungen porträtiert. Dennoch entfalten die Geschichten erst nach dem Lesen die eigentliche Wirkung, wenn man sich die Zeit nimmt, um sie zu reflektieren. Dadurch empfindet man leider ab und zu, während des Lesens, das Gefühl, als seien die Erzählungen langatmig und würden sich in sich selbst verlieren. Vieles steht zwischen den Zeilen verborgen und wird nicht konkret benannt, sodass man auch durchaus die Äußerungen der Protagonisten in Hinsicht auf ihren Wahrheitsgehalt anzweifeln muss. Für mich gab es daher einige Geschichten, die ich besonders gut fand und einige, zu denen ich (noch) keine Verbindung aufbauen konnte.

Innenansicht-vom-Buch-Dubliner-James Joyce

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