Werbung ~ Rezensionsexemplare
Am 01. August 1819 wurde Herman Melville in New York City geboren. Genau zweihundert Jahre ist es nun her. Um den Autor und seine Bücher zu feiern, veröffentlichte der Mare Verlag vor einigen Tagen daher zwei Ausgaben in neuer Gestaltung, "John Marr und andere Matrosen" & "Typee". Und ich war mehr als neugierig, zu erfahren, welche Eindrücke und Erlebnisse Herman Melville wieder in diesen Geschichten verarbeitet hat. Getreu der Frage des Verlags "Vor Moby Dick nichts gewesen?" und der Feststellung: "Weit gefehlt", heißt es auch für mich: Nach Moby Dick ist vor Moby Dick, denn wie wohl so viele Leser, habe ich zuerst mit dem bekanntesten Roman Melvilles begonnen. Nun wollte ich mich also auch an die Erstveröffentlichung des Autors wagen.
"Sie suchten bei Tom nun die Wahrheit zu finden,
Ihn mit Becher um Becher Burgunder zu schinden.
Da sprach Tom: 'Meine Herren, das hat keinen Sinn,
Denn je mehr ich saufe, desto stiller bin ich.'
Kein Schwätzer war Tom, auch nicht, wenn besoffen -
Nie hab ich ´nen treueren Seemann getroffen." ("John Marr und andere Matrosen", S. 43f.)
Ihn mit Becher um Becher Burgunder zu schinden.
Da sprach Tom: 'Meine Herren, das hat keinen Sinn,
Denn je mehr ich saufe, desto stiller bin ich.'
Kein Schwätzer war Tom, auch nicht, wenn besoffen -
Nie hab ich ´nen treueren Seemann getroffen." ("John Marr und andere Matrosen", S. 43f.)
John Marr und andere Matrosen
Angefangen habe ich mit dem kürzeren Buch, oder Büchlein besser gesagt. Es beginnt mit zwei Kapiteln, die aus Prosa bestehen und die anschließend durch Gedichte fortgeführt werden. Alle beziehen sich auf die Seefahrt oder den Abschied davon. So wird zum Beispiel die Gefühlslage eines Seemanns beschrieben, der nach Jahren aufs Land zieht und sich dort nicht wirklich zu Hause fühlt / fühlen kann.
Obwohl man bereits aus Melvilles anderen Büchern zum Beispiel "Moby Dick" oder "Mardi" sein Interesse an Gedichten und eigener Dichtungen erahnen konnte, war ich doch überrascht, in diesem Buch beinahe nur auf diese Art der Texte zu treffen. Auch, wenn man vielleicht nicht das Gefühl hat, dass sie wahnsinnig metaphorisch und verschlüsselt poetisch, wie auch durchaus humorvoll sind (siehe oben), schafft es Melville damit auf eigene Art zu überzeugen. Das Thema und seine Aussagen sind greifbar. Vielleicht ist diese anfangs laienhafte wirkende Dichtkunst auch das, was überzeugt, denn man weiß, worauf Melville hinaus möchte.
Sicherlich kommt man hier mit dem Lesen recht zügig voran, aber meiner Meinung nach bleiben die Gedichte sicherlich noch eine Weile im Hinterkopf. Empfehlen würde ich es Lesern, die sich schon mit Melvilles Werk auseinandergesetzt haben, da man ein gewisses Hintergrundwissen hat und die Texte noch einmal aus einem anderen Blickwinkel sieht. Daher auch wunderbar als Einstimmung geeignet, wenn man "Typee" noch vor sich hat.
Obwohl man bereits aus Melvilles anderen Büchern zum Beispiel "Moby Dick" oder "Mardi" sein Interesse an Gedichten und eigener Dichtungen erahnen konnte, war ich doch überrascht, in diesem Buch beinahe nur auf diese Art der Texte zu treffen. Auch, wenn man vielleicht nicht das Gefühl hat, dass sie wahnsinnig metaphorisch und verschlüsselt poetisch, wie auch durchaus humorvoll sind (siehe oben), schafft es Melville damit auf eigene Art zu überzeugen. Das Thema und seine Aussagen sind greifbar. Vielleicht ist diese anfangs laienhafte wirkende Dichtkunst auch das, was überzeugt, denn man weiß, worauf Melville hinaus möchte.
Sicherlich kommt man hier mit dem Lesen recht zügig voran, aber meiner Meinung nach bleiben die Gedichte sicherlich noch eine Weile im Hinterkopf. Empfehlen würde ich es Lesern, die sich schon mit Melvilles Werk auseinandergesetzt haben, da man ein gewisses Hintergrundwissen hat und die Texte noch einmal aus einem anderen Blickwinkel sieht. Daher auch wunderbar als Einstimmung geeignet, wenn man "Typee" noch vor sich hat.
"Obwohl die Schiffskameraden John Marrs nicht alle verstorben sein konnten, waren sie dennoch in seinen Gedanken wie die Geister von Toten." ("John Marr und andere Matrosen", S. 28)
Typee
Basierend auf eigenen Erlebnissen und fiktiven Hinzufügungen seitens Melvilles, hat mich "Typee" an eine Mischung aus "Moby Dick" und "Mardi" erinnert. Der Roman ist gradliniger, wie "Moby Dick", enthält aber dennoch viele Überlegungen, die auch noch einmal in "Mardi" aufgegriffen werden. Zudem steht auch hier, nicht der Aspekt der eigentlichen Seefahrt, sondern der Aspekt des Erkundens einer Insel und einer scheinbar "wilden" Menschengruppe im Vordergrund.
"Wie oft wird der Begriff 'Wilde' falsch zugeschrieben! Kein Seefahrer oder Reisender hat bisher jemanden entdeckt, auf den diese Bezeichnung wirklich zutrifft. Sie fanden Heiden und Barbaren, die sie durch entsetzliche Grausamkeiten zu Wilden machten. Man kann behaupten, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, dass, wann immer Polynesier Untaten begangen haben, Europäer irgendwann zuvor als Aggressoren aufgetreten sind und dass der Hang einiger Insulaner zu Grausamkeit und Blutdurst hauptsächlich dem Einfluss solcher Beispiele zuzuschreiben ist." ("Typee", S. 61f.)
Wirklich positiv überrascht war ich dann, als ich Melvilles Schilderungen und Sichtweisen gelesen habe, die so auch tatsächlich größtenteils im Original veröffentlicht wurden. Man findet starke Kritik an der scheinbar zivilisierten Welt und deren schlechten Einfluss auf das "einfache" Leben der Menschen, die noch nicht von der Gier nach Besitztümern ergriffen wurden. Es sind durchaus sehr wohl überlegte, kluge und auch fortschrittliche, selbstreflektierte Überlegungen, die Melville hier anführt.
So ernst "Typee" in vielen Aussagen daher ist und auf problematische Entwicklungen der menschlichen Gesellschaft eingeht, so ist die Geschichte aber auch oft unterhaltsam, wenn nicht sogar komisch. Der Leser kriegt hier also auch wieder die typische Prise Melville-Humor präsentiert zum Beispiel durch Kommentare wie: "[...] [N]achdem wir uns so viel Mühe gemacht hatten, [unsere Kleidung] zu trocknen, war dies ärgerlich genug, doch da konnte man nichts machen: und ich empfehle allen abenteuerlustigen jungen Männern, die in der Regenzeit von ihren Schiffen auf romantische Inseln fliehen, Regenschirme mitzubringen." (.S.93)
Was die Handlung selbst betrifft, so hat sie durchaus kleine Spannungen, die dafür sorgen, dass Leser sich mit dem Leben auf der Insel, den Ritualen der Einheimischen (was steckt hinter der Vermutung, dass es sich um Kannibalen handelt?) und deren feindlich oder freundlich gesinnten Absichten auseinandersetzt. Gibt es überhaupt eine gute und eine schlechte Seite? Es gibt viele Ansätze, die darauf ausgelegt sind, manchmal an den Geschehnissen zu zweifeln, Ängste aufleben zu lassen und sie zu verwerfen. Auch das Spiel mit Vorurteilen ist geschickt von Melville eingebaut wurden, sodass man bis zum letzten Kapitel nicht genau weiß, was nun alles vorgefallen ist und ob tatsächlich die Gefahren gelauert haben, welche die Protagonisten vermutet haben.
Ich persönlich finde "Typee" dadurch sehr gelungen. Durch den kritischen, aber unterhaltsamen Erzähler wird die Reise auf die Insel zu einem wahrlichen Erlebnis. Beachten sollte man vielleicht auch hier, dass es einige Kapitel gibt, die ein wenig von der Handlung selbst abschweifen und die Landschaft, die Leute, das Aussehen, das Essen und andere Dinge beschreiben. Aber genau das kennt man bereits aus den anderen Büchern. Melville verbindet eine Romanhandlung mit den (teilweise) persönlichen Eindrücken eines Insellebens und dies auf eine angenehme Art und Weise, denn der Protagonist stellt sich nicht über alles und vor allem nicht über die angeblichen "Wilden". Seine Bemühungen die Sprache zu erlernen, sorgen ebenfalls dafür, dass zum einen auf die vermeintliche Überlegenheit der zivilisierten Welt verwiesen wird, welche unter den gegebenen Umständen einfach nicht vorhanden ist, zum anderen ist es eine clevere Strategie, um die Handlung interessanter zu gestalten. Der Leser weiß nur das, was der Erzähler weiß und da er nicht in der Lage ist, die gänzliche Situation zu verstehen, bleibt immer eine 50 /50 Chance, dass etwas anders ist, als es zu sein scheint.
"Obwohl ich selbst während meines Aufenthalts auf der Insel fast tagtäglich das eine oder andere religiöse Ritual miterlebte, hätte ich ebenso gut eine Gruppe Freimaurer dabei beobachten können, wie sie sich geheime Zeichen geben; ich sah alles, verstand aber nichts." ("Typee", S.285)
"Wie oft wird der Begriff 'Wilde' falsch zugeschrieben! Kein Seefahrer oder Reisender hat bisher jemanden entdeckt, auf den diese Bezeichnung wirklich zutrifft. Sie fanden Heiden und Barbaren, die sie durch entsetzliche Grausamkeiten zu Wilden machten. Man kann behaupten, ohne Widerspruch fürchten zu müssen, dass, wann immer Polynesier Untaten begangen haben, Europäer irgendwann zuvor als Aggressoren aufgetreten sind und dass der Hang einiger Insulaner zu Grausamkeit und Blutdurst hauptsächlich dem Einfluss solcher Beispiele zuzuschreiben ist." ("Typee", S. 61f.)
Wirklich positiv überrascht war ich dann, als ich Melvilles Schilderungen und Sichtweisen gelesen habe, die so auch tatsächlich größtenteils im Original veröffentlicht wurden. Man findet starke Kritik an der scheinbar zivilisierten Welt und deren schlechten Einfluss auf das "einfache" Leben der Menschen, die noch nicht von der Gier nach Besitztümern ergriffen wurden. Es sind durchaus sehr wohl überlegte, kluge und auch fortschrittliche, selbstreflektierte Überlegungen, die Melville hier anführt.
So ernst "Typee" in vielen Aussagen daher ist und auf problematische Entwicklungen der menschlichen Gesellschaft eingeht, so ist die Geschichte aber auch oft unterhaltsam, wenn nicht sogar komisch. Der Leser kriegt hier also auch wieder die typische Prise Melville-Humor präsentiert zum Beispiel durch Kommentare wie: "[...] [N]achdem wir uns so viel Mühe gemacht hatten, [unsere Kleidung] zu trocknen, war dies ärgerlich genug, doch da konnte man nichts machen: und ich empfehle allen abenteuerlustigen jungen Männern, die in der Regenzeit von ihren Schiffen auf romantische Inseln fliehen, Regenschirme mitzubringen." (.S.93)
Was die Handlung selbst betrifft, so hat sie durchaus kleine Spannungen, die dafür sorgen, dass Leser sich mit dem Leben auf der Insel, den Ritualen der Einheimischen (was steckt hinter der Vermutung, dass es sich um Kannibalen handelt?) und deren feindlich oder freundlich gesinnten Absichten auseinandersetzt. Gibt es überhaupt eine gute und eine schlechte Seite? Es gibt viele Ansätze, die darauf ausgelegt sind, manchmal an den Geschehnissen zu zweifeln, Ängste aufleben zu lassen und sie zu verwerfen. Auch das Spiel mit Vorurteilen ist geschickt von Melville eingebaut wurden, sodass man bis zum letzten Kapitel nicht genau weiß, was nun alles vorgefallen ist und ob tatsächlich die Gefahren gelauert haben, welche die Protagonisten vermutet haben.
Ich persönlich finde "Typee" dadurch sehr gelungen. Durch den kritischen, aber unterhaltsamen Erzähler wird die Reise auf die Insel zu einem wahrlichen Erlebnis. Beachten sollte man vielleicht auch hier, dass es einige Kapitel gibt, die ein wenig von der Handlung selbst abschweifen und die Landschaft, die Leute, das Aussehen, das Essen und andere Dinge beschreiben. Aber genau das kennt man bereits aus den anderen Büchern. Melville verbindet eine Romanhandlung mit den (teilweise) persönlichen Eindrücken eines Insellebens und dies auf eine angenehme Art und Weise, denn der Protagonist stellt sich nicht über alles und vor allem nicht über die angeblichen "Wilden". Seine Bemühungen die Sprache zu erlernen, sorgen ebenfalls dafür, dass zum einen auf die vermeintliche Überlegenheit der zivilisierten Welt verwiesen wird, welche unter den gegebenen Umständen einfach nicht vorhanden ist, zum anderen ist es eine clevere Strategie, um die Handlung interessanter zu gestalten. Der Leser weiß nur das, was der Erzähler weiß und da er nicht in der Lage ist, die gänzliche Situation zu verstehen, bleibt immer eine 50 /50 Chance, dass etwas anders ist, als es zu sein scheint.
"Obwohl ich selbst während meines Aufenthalts auf der Insel fast tagtäglich das eine oder andere religiöse Ritual miterlebte, hätte ich ebenso gut eine Gruppe Freimaurer dabei beobachten können, wie sie sich geheime Zeichen geben; ich sah alles, verstand aber nichts." ("Typee", S.285)
Nach den beiden Büchern bin ich nun endgültig im Melvielle-Fieber angekommen...
In diesem Sinne: Happy Birthday Mr. Melville!
- Eine weitere Rezension zu "Typee" findet ihr zudem auch bei Tobi auf "Lesestunden"
Ausgaben: "Johan Marr und andere Matrosen"
(Original: "John Marr and Other Sailors" / 1888) von Herman Melville,
Mare Verlag (2019), übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann, mit einem Nachwort von Alexander Pechmann
"Typee" (Original: "Typee: A Peep at Polynesian Life" / 1846) von Herman Melville, Mare Verlag (2019), übersetzt und herausgegeben von Alexander Pechmann, mit einem Nachwort von Alexander Pechmann
Hallo,
AntwortenLöschenui, ich liebe, wie viele schöne Beiträge es heute anlässlich des 200. Geburtstags von Melville gibt!
Auf diese hübsche Ausgabe von "Typee" bin ich erst vor ein paar Tagen aufmerksam geworden, als ich an meinem eigenen Beitrag zu diesem Jubiläum bastelte. Eben habe ich dann auch Tobys Rezension zu "Typee" entdeckt, und da habe ich schon beschlossen, dass das dringend hier inziehen muss.
Und dein Beitrag bestärkt mich darin. :-)
An dem Buch reizt mich besonders, wie nahe dran es an Melvilles eigenen Erlebnissen ist und wie er die Kultur der Typee beschreibt. Schon in "Moby Dick" war ich beeindruckt davon, wie vorurteilsfrei der Protagonist Ismael auf den 'wilden Kannibalen' zugeht, und dass sich daraus eine wirklich großartige Freundschaft entwickelt.
Melvilles Humor hat mich beim ersten Lesen von "Moby Dick" sehr überrascht da hatte ich nicht mit gerechnet! Mein Lieblingszitat ist da immer dieses hier:
“Ich war neugierig, wo er sein Rasiermesser haben mochte. Doch siehe da, er holte die Harpune aus der Ecke am Bett, und nachdem er die hölzerne Scheide entfernt hatte, wetzte er die Stahlspitze am Leder seiner Stiefel. Nun trat er vor die Glasscherbe, die den Spiegel ersetzte, und schabte, vielmehr harpunierte sich beide Wangen. Quiqueg, dachte ich, du hast es heraus, wie man mit hochwertigen Stahlwaren umgeht.”
LG,
Mikka
[ Mikka liest von A bis Z ]
Danke für deinen ausführlichen Kommentar! :)
Löschen"Typee" lohnt sich auf jeden Fall, wenn man schon eine gewisse Begeisterung für Melvilles "Moby Dick" hegt. Bin wie du, sehr überrascht gewesen, als ich gemerkt habe, wie Melville über andere Kulturen schreibt etc.
Den Humor mag ich auch sehr, wobei ich zugeben muss, dass er mir in "Moby Dick" am wenigsten durchgeschienen ist, ausgenommen die Anfangssequenz, als das Kennenlernen der beiden beschrieben wird, wie du auch mit dem Zitat schön hervorgehoben hast! :) Lag vielleicht daran, dass ich eher die Beschreibungen der Walanatomie und des nach Rache gierenden Kapitäns im Kopf habe, wenn ich an das Buch denke...
Liebe Grüße
Karin