Werbung ~ Rezensionsexemplar (Original: "Millésime 54"/ 2018) Atlantik Verlag (2019), Übersetzer/in: Claudia Kalscheuer (aus dem Französischen), ★★★★☆ 4 Sterne
Um den Schreck eines Einbruchs zu verdauen, trinken vier Nachbarn eines Pariser Mehrfamilienhauses zusammen eine Flasche Wein aus dem Jahr 1954. Ein fröhlicher Abend mit überraschenden Folgen: Am nächsten Morgen erkennen sie ihre Stadt nicht wieder – sie sind zurückversetzt ins Jahr, aus dem der Wein stammt! Für alle vier wird die Zeitreise zu einer Gelegenheit, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Doch wie kommen sie zurück in die Zukunft?
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"Endlich brach etwas Zufälliges und Unvorhergesehenes in diese trüben Herbsttage ein." S.51
Antoine Laurains bisherige Romane enthielten immer einen gesunden Optimismus und spielten mit der Frage, was wohl wäre, wenn sich eine bestimmte Möglichkeit auftun würde, die unsere Sichtweisen verändert.
Damit kann man auch in "Ein Tropfen vom Glück" rechnen. Dieses Mal sorgt eine ganz besondere Weinflasche für die folgenden Ereignisse, inklusive Zeitreise. Der Grund dafür wird bereits auf den ersten Seiten offenbart, sodass dahingehend keine großen Überraschungen auf den Leser warten, aber letztlich geht es nicht um das Lösen der Frage "Wie", sondern der Betrachtung des eigenen Lebens aus einer neuen, wenn auch vielleicht in der Vergangenheit liegenden, Sichtweise.
Was macht unsere moderne Welt praktischer, sinnvoller, besser? Was sind die negativen Seiten der technischen Entwicklung? Und letztlich natürlich auch "Was und wer ist uns im Leben wirklich wichtig"?
Beinahe spielerisch lädt uns Laurain dabei in ein Paris der 50er Jahre ein, in dem wir bekannten Persönlichkeiten begegnen, gewissen Erfindungen auf den Grund gehen und mit den Protagonisten durch die Straßen flanieren.
"Bob betrachtete Lisa Gherardini, genannt Mona Lisa. Im Jahr 1954 hing sie nicht hinter Panzerglas und war nicht mit LED-Lampen beleuchtet, [...] sie war auch nicht von zwei Leibwächtern flankiert, die Tausende von Touristen davon abhielten, näher als zwei Meter an sie heranzutreten. Sie hing einfach mit den anderen Gemälden in der Galerie.“ S.141
Besonders angenehm sind dabei die kleinen Hinweise auf heute bekannte Dinge, die durch die vier Bewohner irgendwie beeinflusst werden. Natürlich ist nichts davon genau belegt, alles recht vage, aber es geht um diese kreativen Einfälle, die eben möglich sein könnten.
Und um diese Möglichkeiten dreht sich dann letztlich der ganze Roman. Was wäre, wenn es Wunder gäbe, die auch in Erfüllung gehen? Was wäre, wenn man einfach etwas Neues beginnt und seine vermeintlichen (beruflichen) Sicherheiten aufgibt, dadurch aber glücklicher sein könnte? Was wäre, wenn wir uns von den gängigen Vorstellungen des Möglichseins einfach lösen und bereit sind, das Unmögliche zu akzeptieren?
Ich mochte diesen Ansatz sehr, denn dadurch verliert man nicht, an das Gute zu glauben, dass einfach passieren könnte. Man entfernt sich ein wenig von den mathematisch belegten und anerkannten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, die alles versuchen physikalisch zu erklären und das Wunder und den Zauber der Welt damit ein wenig zerstören.
Immer mal wieder baut Laurain dann auch, passend zum gesellschaftlichen Unterschied zwischen 2017 und 1954 Entwicklungen und Zustände ein, die sich zum Beispiel auf das Frauenwahlrecht, den Feminismus oder den negativen Umgang mit Mindestlohnarbeiten aus ärmeren Ländern beziehen. Sicherlich eine gute Sache, jedoch wirkt es für einen solch kurzen Roman manchmal (nicht deplatziert, aber) etwas erzwungen. Nach dem Motto: Passt vielleicht nicht ganz hier rein, aber darauf sollte man aufmerksam machen. Ich weiß leider nicht, ob es dann die richtige Wirkung entfacht. Dennoch ist es positiv hervorzuheben, dass solche Diskussionspunkte auch in "leichterer Unterhaltungsliteratur" aufgegriffen werden.
Die Idee eines Weins - Jahrgang 1954 -, der diejenigen in die Zeit zurückversetzt, aus dem er stammt ist durchaus unterhaltsam, greift aber auch Überlegungen auf, die den Leser mit der ernsteren Frage konfrontieren, was ihm (in seiner jetzigen Zeit und Situation) wirklich wichtig ist. Der Roman nimmt schnell an Fahrt auf und wechselt auch rasch die Erzählperspektive, sodass jeder der vier Bewohner, inklusive Vorfahren, eine eigene Geschichte bekommt. Dies sorgt dafür, dass man sich nicht zu sehr in die einzelnen Figuren "hineinfühlt", aber man hat eine ganz sympathische Gruppe, die ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Die Beschreibungen des Paris der 50er Jahre ist sehr atmosphärisch und entfacht ein Nostalgiegefühl.
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