Werbung ~ Rezensionsexemplar (engl. Titel: "The Hole"/ 2016) btb (2019), Übersetzer/in: Ki-Hyang-Lee (aus dem Koreanischen), ★★★★(★) 4,5 Sterne
"Kann das Leben einen so tiefen Riss bekommen, dass man durch ihn hinabstürzt und darin verschwindet? Ein so kafkaesker wie hypnotisierender Roman von den verstörenden Rissen, die Einsamkeit, Schuld und Entwurzelung im Leben hinterlassen können."
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"Das haben sie wirklich hervorragend gemacht. Jetzt heißt es, alle Kraft zusammennehmen. Haben sie mich verstanden? Der Kampf geht jetzt erst los. Dabei spielt ihre mentale Stärke die entscheidende Rolle." S.8f.
Für mich hat sich die Schriftstellerin Hye-Young-Pyun mit diesem Roman definitiv einen Favoritenplatz erkämpft.
Anfangs schon erschütternd, durch das einschneidende Erlebnis, das der Protagonist Ogi zu verantworten hat, steigert sich die Geschichte immer mehr zu einem packenden, sehr intensiven und sehr psychologisch fixierten Roman, der mich schlichtweg beeindruckt hat. Auf den knapp zweihundertundzwanzig Seiten durchlebt man zudem eine so facettenreiche Emotionspalette, dass man das Gefühl hat, man lese ein Familienepos. Es erdrückt einen nur so weit (und das ist recht positiv gemeint), dass man sich sehr stark in die verschiedenen Perspektiven der Figuren einfühlt, lässt einem aber dennoch genug Distanz, um nicht nur einem Charakter zu vertrauen.
Hoffnung, Trauer, Wut, Gleichgültigkeit, Liebe und Rache sind dabei abwechselnd zentrale Gefühle, die einerseits die Handlung beeinflussen und andererseits die psychologischen "Spielchen" erklären. Für mich hatte der Roman zudem etwas Thriller-haftes. Die Handlung nimmt ein Ausmaß an, bei dem man förmlich die Luft anhält, weil man beginnt, einige Befürchtungen wahrzunehmen, die dem Ganzen eine Spannung entlocken.
"Damals wollten sie sogar die Lampe im Schlafzimmer brennen lassen, auch wenn sie sich die ganze Nacht im Bett wälzen würden, weil sie keinen Schlaf fanden. Als Ogi mitten in der Nacht aufwachte, waren alle Lichter aus.
Wann war all das Licht erloschen?“ S.28
Wann war all das Licht erloschen?“ S.28
Erstaunlich dabei ist, dass der Protagonist in seiner aktuellen Lage nicht viel macht. Er lässt sein Leben in Gedankenfetzen Revue passieren. Was wird ihm nun, nach einigen Jahren, nach begangenen Fehlern, nach eingeschlagenen Lebenswegen deutlich? Was scheint ihm immer noch belanglos? Wie steht er nun zu seiner Frau und ihren, ihm nicht immer verständlichen, Verhaltensweisen?
Gezwungenermaßen wird dadurch seine Schwiegermutter zum Hauptakteur. Und diese Lenkung der Handlung durch sie ist meiner Meinung nach einfach großartig. Sie ist das Bindeglied zwischen ihm und ihrer Tochter, verkörpert die Fragen nach Familienzusammenhalt und Gerechtigkeit, aber auch der Frage nach der Seite auf welcher man als Elternteil wohl unweigerlich steht.
Die emotionale und psychologische Ebene, die der Roman dabei eröffnet und anspricht ist für mich ebenfalls sehr geglückt. Nicht klischeebehaftet, tiefgründig, zwielichtig und nicht immer eindeutig werden die Charaktere vorgestellt, zwischenzeitlich muss man sich als Leser sogar fragen, in wieweit und durch welche Erzählungen der Erlebnisse sich diese Figuren wieder in eine andere Richtung entwickeln.
"Egal, wie genau man die Welt darzustellen versuchte, man konnte nie ein exaktes Bild von ihr zeichnen. Das war die Erkenntnis, die Ogi aus seiner Forschung zog. Man konnte das Leben nicht mithilfe einer Karte darstellen." S.79
Sehr lesenswert, wenn man auf der Psychologie des Menschen aufbauende Geschichten mag. Zunehmend wird sich mit Themen wie der Schuld, dem Verrat, Verständnis, der Liebe zum Partner, Enttäuschungen und auch anderen befasst. Etwa ab der Mitte nimmt die Geschichte zusätzlich einen etwas unheimlichen, aber grandios spannenden Kurs auf. Für mich ein definitiv geglückter Roman, der trotz seiner knappen Seitenzahl unheimlich viel zu bieten hat.
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