(Original: "The Overstory"/ 2018) W.W. Norton & Company, Übersetzer/in: -, ★★★(★)☆ 3,5 Sterne
Ein Roman, der den wohl größten Konflikt auf der Erde beschreibt: Den zwischen den Menschen und "nicht Menschen". Denn es gibt eine Welt, die parallel zu der unseren verläuft - überwältigend, langsam, erfindungsreich und für uns beinahe unsichtbar. Wenn Bäume dieser Erde reden könnten, was würden sie uns sagen?
Neun menschliche Schicksale stehen im Fokus und werden den Leser gleichzeitig in eine Welt entführen, in der die Natur eine große und wichtige Rolle spielt.
"There´s a Chinese saying. ´When is the best time to plant a tree?
- Twenty years ago.´“ S.30
- Twenty years ago.´“ S.30
Nominiert für den 'Man Booker Prize 2018' und von großen Autoren wie Margaret Atwood und Ann Patchett gelobt, habe ich mir durchaus viel von dem Roman versprochen.
Das eigentliche Thema des Romans war ebenfalls ein ausschlaggebender Punkt, wieso ich mich so zur Geschichte hingezogen gefühlt habe. Im Zentrum der Handlungen stehen nämlich Bäume. Bäume verschiedenster Arten, Größen, Formen und Farben. Deutlich wird, dass sie ein wichtiger Bestandteil der Erde sind, was uns Menschen durchaus bewusst sein sollte, was wir aber immer gerne wieder allzu schnell vergessen. So wird in dem Roman, der Mensch, einerseits als Helfer und 'Botschafter' für die Natur angesehen, in dem die neun Schicksale der Protagonisten für den Erhalt von Bäumen kämpfen andererseits aber auch als 'Parasit', der die Welt befällt und sich über alles hermacht, es zerstört und sich dann wundert, wieso es mit der Erde bergab geht.
Es ist also durchaus ein Roman, der aneckt und uns einen sehr kritischen Spiegel vor Augen hält. Es wird durchgehend aufgegriffen, wie wichtig die Natur ist und wie schuldig sich der Mensch fühlen sollte, dass er diese Natur angreift und teils auch keinen Respekt und kein Verständnis für diese eigene Welt aufbringen kann. Diese Darstellung mag auf den ersten Blick etwas 'hart' erscheinen, jedoch fand ich diesen Aspekt des Buches genau richtig. Der Mensch flüchtet sich viel zu schnell in angenehmere Ansichten, die ihm sagen, dass er doch so schlecht gar nicht sei, dass es noch genug Natur gebe und man nicht so eine 'Panik' schieben solle. Doch langsam muss man sich eingestehen, dass dies eben nicht mehr der Fall ist und das mochte ich in "The Overstory". Der Roman ist dem Menschen als Spezies skeptisch gesinnt, vertraut aber teils doch auf die vernünftige Seite der Menschen und die Einsicht, dass wir für ziemlich viel Chaos verantwortlich sind.
"That´s when Adam realizes: Humankind is deeply ill. The species won´t last long. It was an aberrant experiment. Soon the world will be returned to the healthy intelligences, the collective ones. Colonies and hives." S.56
Der Inhalt des Buches, also die Thematik, hat mich demnach vollkommen überzeugt. Es fallen sehr viele wichtige Sätze, die man nicht vergessen sollte (darum werden sie wohl auch öfters wiederholt). Der Leser bekommt auch einige Einblicke in die Funktion von Bäumen und in die außergewöhnlichen Aufgaben, die die Wälder für uns vollbringen.
Was für mich auch wichtig war, ist die Tatsache, dass dem Leser bewusst wird, dass man diese Geschichte über Bäume auf genau diesem verarbeiteten 'Material', dem Papier, wiederfindet. Hier hätte ich mir vielleicht noch eine stärkere Verknüpfung oder gezielte Andeutungen daran im Buch gewünscht. Denn ich bin auch davon überzeugt, dass der Mensch eine gewisse Zerstörungskraft besitzt (siehe Hambacher Forst) und man oft die Tatsache vergisst, dass wir im Alltag so unfassbar viele Produkte aus Papier verwenden, die vielleicht auch sinnlos produziert und dadurch wertvolle Rohstoffe vergeudet werden.
Für mich wäre es also wichtig gewesen, dass das Buch auf sich selbst verweist. Dass der Leser sich verdeutlichen sollte, dass man Bücher ebenso schätzen und sie nicht einfach wegwerfen sollte, weil man sie ja an der nächsten Ecke direkt wieder käuflich erwerben kann.
Ebenso haben mich nach und nach an anderen Stellen auch einige Punkte eher negativ gestimmt. Der Roman führt mit neun Protagonisten durch die Geschichte. Jede Figur tritt in seinen eigenen Kapiteln auf, verschmilzt aber oftmals mit anderen. An sich gefiel mir die Idee durchaus, denn man könnte dieses Leben der Menschen mit einem Wald assoziieren, der aus vielen Bäumen besteht, die sich durch das Wachsen der Wurzeln, der Blätter und Kronen ebenfalls treffen können. Dennoch konnte bei mir zum Schluss nicht ganz der Funke überspringen, so sehr ich die Idee und die Thematik gemocht habe.
Vieles schien mir etwas zu langatmig, zu wiederholend. Die Handlung wird zwar vorangetrieben, aber einen Spannungsbogen habe ich beim Lesen nicht wahrgenommen. Hier und da wird auf neue Erkenntnisse verwiesen, aber auch in Bezug auf die im Klappentext angedeutete Welt, in der die Bäume reden könnten, fand ich die Ausarbeitung der Idee für mich persönlich leider etwas zu schwach.
Obwohl sich bei mir zum Ende hin die Euphorie etwas gelegt hat, haben mich im Rückblick die Anfangskapitel der Figuren doch sehr berührt. Nicht nur werden hier Bäume auf sehr bildliche Weise beschrieben, auch die Protagonisten bekommen eine Wichtigkeit. Besonders hier mochte ich die erzählten Lebenswege und Verknüpfungen zu der Natur. Diese detailreichen Beschreibungen fehlten mir am Ende, paradoxerweise, trotz der Länge des Buches. Zwischenzeitlich sprangen die Geschichten so hin und her, dass ich manchmal nicht mehr genau wusste, welche Vorgeschichte mit dem Namen der Figur im Kontext stand.
“The seeds are humming. They´re singing something - she´d swear it - just below earshot“ S.389
Eine durchaus interessante Idee mit wichtigen Passagen und Sätzen, die wir Menschen nicht nur lesen, sondern auch beherzigen sollten. Das Buch verdeutlicht, dass es wirklich an der Zeit ist, dass wir unsere Ressourcen wertvoll nutzen und die Natur, Bäume und den Wald nicht als etwas Totes ansehen sollten. Auch wenn ich von der Umsetzung nicht ganz überzeugt gewesen bin, ist es ein Buch, das ich nicht vergessen werde und das gewisse Stärken aufweist. Ich persönlich hätte mir eine noch stärkere Verknüpfung zu der angedeuteten geheimen Welt und Sprache der Bäume gewünscht. Die anfänglichen Kapitel über die neun Protagonisten fand ich hingegen sehr geglückt.
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