The Hills von Matias Faldbakken

September 27, 2018



Rezensionsexemplar (Original: "The Hills"/ 2017) Heyne Verlag, Übersetzer/in: Maximilian Stadler (aus dem Norwegischen),   ★★★★☆ 4 Sterne
"Was geschieht, wenn das Gleichgewicht aus den Fugen gerät? Dieser Frage widmet sich Matias Faldbakken in seinem neuen Roman. Den Rahmen bildet ein altmodisches Restaurant namens The Hills, dessen Ursprünge bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Ein Pianist sorgt für ruhige Hintergrundmusik, die Einrichtung ist klassisch, gediegen. Der Leser wird in ein eigenes Universum eingeführt. Chef, Koch, Kellner: Die Hierarchien sind klar verteilt. Es herrscht eine Mischung aus strikten Routinen und hochsensiblen Umgangsformen. All das gerät ins Wanken, als eine unbekannte Frau ins Lokal kommt. Wer ist die Frau? Was will sie? Nicht nur der Kellner, sondern auch die Stammgäste geraten in Aufruhr."

MEINE MEINUNG / FAZIT
  
"Wir alle hier in The Hills sind gewissenhaft. Es ist ein Ort der Gewissenhaftigkeit. Gewissenhaftigkeit und Umsorge hängen zusammen, davon bin ich überzeugt.“ S.10

"The Hills" war und ist weiterhin eines der Bücher, die man erst recht schnell durchliest, nach dem man aber danach noch über die Bedeutung verschiedener Passagen nachdenkt.
Das beschriebene Restaurant ist Schauplatz eines Umschwungs. Ein Umschwung, den der Protagonist und Kellner wahrnehmen muss, denn eine Veränderung im Restaurant durchbricht seine routinierte Arbeit, die er schon seit Jahren vollzieht. Und das Restaurant ist ebenso Sinnbild des Umschwungs der Generationen selbst.
Man erfährt, dass das "The Hills" eine lange Geschichte erzählen kann. Gleichzeitig entdeckt man viele Ansichten der Gesellschaft zu gewissen Zeitpunkten der Weltgeschichte. Zugegeben, ich musste mich erst ein wenig einlesen, um diese Verknüpfungen passend einordnen zu können, denn es fallen manchmal Äußerungen, bei denen man manchmal kurz aufhört zu lesen und sich wundert. Zum Beispiel greift der namenlose Kellner eine Erinnerung auf, in welcher er erwähnt, dass sie sich gerne über Beleidigungen für andere Menschen amüsiert haben. Betrachtet man solche Aussagen nicht im Kontext, macht das Buch und die Figuren einen sehr negativen Eindruck. Allerdings werden diese Aussagen verwendet, um aufzuzeigen, wie die Gesellschaft funktioniert. Die einen sind priveligiert, haben ihren Besitz, ihre Erfolge und verlassen sich auf ihren Status. Andere werden als zweite Klasse gesehen, über die man nicht länger nachdenken muss, über die man auch einen Witz reißen darf. Nach und nach merkt man die deutliche Kritik in den Aussagen und das empfand ich als wichtig.

"Und da spaziere ich da herum und schmore in meinem eigenen Saft, überzeugt davon, dass wir alle in einer Falle gefangen sind, die aus den mehr oder minder gelungenen ästhetischen Entscheidungen und klugen Ideen vieler anderer geflochten sind. Aus Geschäftsideen, schlicht und ergreifend, entworfen im Laufe mehr oder minder gelungener Arbeitstage und stets getrieben von der Gier nach Geld." S.37f.

Grundsätzlich habe ich mich von dem Roman schnell einnehmen lassen. Man verfolgt die Ambition des Kellners, perfekt sein und das hoch angesehene Restaurant vernünftig repräsentieren zu wollen und die gleichzeitig auftretenden Missgeschicke, die ihn schwanken, die ihn immer mehr aus dem Konzept bringen lassen. Der Schein, den er versucht zu wahren, bröckelt beim Leser.
Ja, das Buch ist, wenn man es nur als diese eine Geschichte betrachtet sogar an vielen Stellen amüsant, weil sie sogar absurd scheint. Es ist eine Show, eine Performance die aufgeführt wird.
Es verstecken sich aber wirklich sehr viele Passagen, die eine wirkliche Bedeutung und Wucht haben.
Wonach streben wir Menschen da eigentlich? Wieso wollen wir uns für andere so aufopfern und verlieren uns selbst dabei? Warum lassen wir uns von anderen so viel vorschreiben und streben nach deren Idealen?
Die Atmosphäre des Restaurants ist sehr speziell. Ich habe mir stets ein etwas abgelegenes Restaurant vorgestellt, das einen eigenen Kosmos bildet, sich aber dennoch auf die außen stattfindenden Dinge beziehen muss. Dennoch ist es ein Ort, der einen festhält und von dem man sich beeinflusst fühlt, als müsse man sich eigentlich anpassen, obwohl man etwas ändern würde. Als Leser betrachtet man alles nur aus den Augen des Kellners, aus den Augen die sich hinter dem Samtvorhang am Eingang des Restaurants befinden und die Gäste eintreten sehen.
Es ist eine Geschichte, die mir sicherlich in Erinnerung bleiben wird und die deutlich macht, die die Übergänge der Gesellschaft stattfinden können, ausgelöst durch eine Gruppe gewisser Menschen oder sogar nur durch eine Person. Und früher oder später, zieht diese Veränderung auch den stärksten Widerständler an.


“Es hängt so viel in der Luft. Hängt irgendwann mal nichts in der Luft?“ S.128


Die Ansichten und die Veränderungen der Gesellschaft, aufgegriffen aus der Sicht eines Kellners.  Eine sehr eigene Atmosphäre, die den Leser gerne im "The Hills" verweilen und beobachten lässt, auch wenn einiges mit kritischen Augen gesehen werden kann.  Man begegnet aber klugen Wahrnehmungen des menschlichen Verhaltens und fühlt sich, als würde man die Figuren beim Erkennen ihrer eigenen Schwächen ertappen.


4 Kommentare:

  1. Das Buch ist wirklich toll gestaltet. Sehr hübsch!

    Zeilentänzerin

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    1. Ich mag das Gold auf dem Grün auch! :)


      Liebe Grüße
      Karin

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  2. Mich konnte das Buch irgendwie gar nicht überzeugen... Die Sprache und der Erzählstil waren wunderbar, aber irgendwie war mir da zu wenig los. :D

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    1. Ach, schade!
      Mir hat es gefallen, weil ich komplett umdenken und mich von meiner anfänglichen Vorstellung lösen musste.
      Ich hatte mir zu Beginn auch eine andere Handlung zusammengereimt. Ich dachte das Auftreten der Frau ginge in eine ganz andere Richtung.
      Aber je weiter ich gelesen habe, desto mehr spürte ich diese innere Unruhe des Kellners (obwohl er versucht, die Contenance zu bewahren). Und letztlich mochte ich auch, dass diese eher kleinen Veränderungen in dem Restaurant, augenscheinlich doch zu einem inneren Aufruhr geführt haben, das doch einiges in Bewegung gesetzt hat.


      Liebe Grüße
      Karin

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