Wide Sargasso Sea von Jean Rhys

Mai 29, 2018

(Original: "Wide Sargasso Sea"/ 1966) Penguin Clothbound Classics, Übersetzer/in: -, Englische Ausgabe, ★★★★(☆) 4 bis 5 Sterne
Antoinette Cosway wächst auf Jamaica unter strapaziösen Verhältnissen auf. Sie muss mit Schicksalsschlägen zurechtkommen und weiß nicht genau wo sie hingehört. Hin und hergerissen zwischen den kulturellen Gepflogenheiten, nämlich einerseits den Gesängen und Ritualen der Einheimischen und der "Herrschaft der Weisen" über das Land, begegnet sie Mr. Rochester. Und obwohl nun einiges besser werden könnte, folgt das Leben der Frau, die wir in "Jane Eyre" als "The Madwoman Upstairs" kennen...

MEINE MEINUNG / FAZIT
  
"I knew the time of day when though it is hot and blue and there are no clouds, the sky can have a very black look." S.12  

Auf den ersten Seiten fiel es mir noch etwas schwer, mich in die Geschichte "reinzustürzen". Ich glaube, das lag vor allem daran, dass ich dachte, ich könne mit einer Vorgeschichte zu 'Jane Eyre' rechnen, die auch einen ähnlichen Schreibstil verfolgt. Dem ist meiner Meinung nach eben am Anfang nicht so, denn man taucht zunächst in eine ganze andere Welt ein, abseits des englischen Landhauses und der typisch englischen Stimmung.
Wir finden uns erst einmal in Jamaica wieder und begegnen Antoinette Cosway in ihren jungen Jahren. Schnell wird deutlich, dass natürlich Verhältnisse herrschen, die die Schwarzen auf ihrem eigenen Land unterdrücken und die daraus resultierende Abneigung Antoinette gegenüber, weil sie eine Weiße und wohlhabende Frau ist, tritt ebenfalls in den Vordergrund. Antoinette wird zu einer Figur, die sich selbst sucht, die allerdings nicht genau weiß, wie sie sich selbst finden soll. Ihre Familie ist ihr fern, ihre Mutter erleidet ebenfalls ein tragisches Schicksal und ihre eigene 'Kultur' lässt sich gar nicht richtig fassen, weil sie sich allem zu einem gewissen Teil zugehörig oder fühlt. Gleichzeitig wird sie aber von vielen weggestoßen, verurteilt und auch allein gelassen.
Nach und nach merkt man, wie viel Potential in den wenigen Seiten steckt. Es werden sehr viele Themen aufgegriffen, die losgelöst gut hervorgebracht werden, die aber auch als Ganzes funktionieren. Das trifft vor allem auf die Problematik mit dem Besitz von Sklaven und deren Land und der Verantwortung, die Antoinette als Erbin spürt, zu. Daraus resultieren dann wieder sehr persönliche 'Krisen', die ein Mensch in sich trägt. Zugegeben, an einigen Stellen muss man wohl noch etwas kritischer auf diesen Aspekt blicken (im Anhang werden dazu sogar noch geeignete Bücher genannt), aber da Jean Rhys selbst auf der Insel aufgewachsen ist, weiß sie wohl sehr gut, wie man das Leben dort portraitieren kann.

"Above all I hated her. For she belonged to the magic and the loveliness. She had left me thirsty and all my life would be thirst and longing for what I had lost before I found it." S.111

Nach und nach habe ich mich aber in diese Geschichte genauso verliebt, wie in 'Jane Eyre', obwohl es Mr. Rochester hier in nicht unbedingt dem besten Licht dastehen lässt. Ganz gut gefiel mir aber durchaus der Wechsel der Erzählperspektive. Das erste und dritte Kapitel werden aus der Sicht von Antoinette erzählt, das zweite Kapitel wird Mr. Rochesters Eindrücken überlassen.
'Wide Sargasso Sea' zeigt die Fehler auf, die Menschen in Beziehungen machen, wenn sie nicht zu ihren Gefühlen, ihren Ängsten und ihren Fehlern stehen. Letztlich gibt es dann auch keinen schönen Ausweg aus einigen Situationen.
Mir gefiel aber auch, wie viele Motive aus 'Jane Eyre' übernommen wurden und besonders zum Schluss gezielt aufgegriffen werden. Das Feuer ist nämlich auch hier eines der markantesten Motive und zieht sich von Anfang bis zum Ende hin durch. 
Zudem tauchen im letzten Kapitel bekannte Figuren, wie Grace Poole auf, welche man direkt mit den nachfolgenden Ereignissen aus dem Klassiker von Charlotte Bronte in Verbindung bringt.
Obwohl ich also anfangs etwas Zeit gebraucht habe, um in die Geschichte reinzufinden, vor allem, weil die Einheimischen ein 'eigenes Englisch' sprechen, war ich am Ende sehr positiv überrascht. Das Buch verbindet diesen Clash zwischen Jamaica und England sehr gut und zeigt eben nicht nur die Problematik zwischen den verschiedenen Völkern, sondern auch die allgemeinen Zwischenmenschlichen Schwierigkeiten auf. Genannte und öfter auftauchende Gesänge und Rituale, wie auch die ganze Thematik rund um die 'Voodoo'-Zaubereien der Einheimischen sind ebenfalls interessant zu lesen und erlauben es, sogar beide Geschichten, auf einer weiteren Ebene zu sehen.

“´There are always two deaths, the real one and the one people know about.´” S.81


Die ausgewählten Zitate lassen vielleicht bereits erahnen, dass 'Wide Sargasso Sea' ein eher düsterer Roman und Vorgeschichte zu 'Jane Eyre' ist. Die Protagonistin Antoinette Cosway kämpft mit sich selbst und ihrer Identität. Bis es zu dem Schicksal kommt, das wir bereits kennen, lernt der Leser ihr Leben auf Jamaica kennen. Einheimische Bräuche und Gesänge begleiten die Figuren genauso, wie die Problematik des Sklavenbesitzes. Dennoch schafft es Jean Rhys, die unglückliche (Liebes-)Beziehung zwischen Mr. Rochester und Antoinette in ihrem Kontext gut zu thematisieren. Letztlich liest man von einem Leben, dem niemand eine Chance gegeben hat und man sieht, was Vorurteile und Einsamkeit anrichten können.


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