(Original: "Ginat ha-bar" / 2017) Diogenes Verlag, Übersetzer/in: Ruth Achlama (aus dem Hebräischen), 352 Seiten mit 40 Illustrationen von Refaella Shir, gebunden, ★★★(★)☆ 3 bis 4 Sterne„Um sein Haus im Norden Israels hat Meir Shalev einen Garten angelegt – mit lauter wilden Blumen, Sträuchern und Bäumen, die er liebevoll hegt und pflegt. Jede Pflanze, die heranwächst, jedes Tier, das ihm im Garten begegnet, löst Gedanken, Erinnerungen, Geschichten über Natur und Kulinarik, Geschichte und Gegenwart, Mensch und Kreatur, Liebe und Literatur aus. Ein Selbstporträt des Künstlers als Gärtner, voller Lebensweisheit und Humor.“
"Deshalb ist dieses Buch weder ein Gartenratgeber noch ein Lehrbuch für Botanik oder Gartenbau. Es ist nur eine Sammlung von Notizen über einen bescheidenen Wildgarten und den Gärtner, der ihn hegt und pflegt, einen Mann, der recht spät im Leben ein Hobby gefunden hat, vielleicht sogar eine neue Liebe." S.19f.
"In diesem Garten blühen Geschichten". Dieser Satz hat mich aus vielen Gründen sofort neugierig gemacht. Zum Beispiel weil ich Anekdoten liebe. Ich mag es, wenn Leute ausgehend von einem Gegenstand, einem kleinen Vorkommnis oder eben auch der Natur, Geschichten zu Tage bringen, die man vielleicht sonst nie gekannt hätte, weil sie sonst nie die Gelegenheit dazu bekommen hätten, sie zu erzählen. Und ich mag es besonders, wenn dies von Autoren übernommen wird. Meir Shalev ist in Israel ein sehr beliebter und bekannter Autor, der in der Jesreel-Ebene lebt und dort einen Wildgarten hegt und pflegt, was allerdings nicht jeder so sieht, denn für viele ist es einfach ein "wildes" und freiblühendes Stück Land. Interessant also zu sehen, wie der Autor sich diesen kleinen Ort zu seinem eigenen Lieblingsplatz macht und anhand der verschiedenen Blumen- oder Baumarten, wie auch Insekten oder Landesgebiete, seine Assoziationen preisgibt und so eine ganz kleine Art Lebensphilosophie offenbart. Den Einstieg fand ich recht vielversprechend. Der manchmal vielleicht etwas "trockene" Humor des Autors kommt bereits im Kapitel "Anstelle eines Vorworts" bestens zum Ausdruck und man freut sich auf unterhaltsame Anekdoten. Leider blieb bei mir dann allerdings erst einmal die Reaktion aus, dass ich das Buch interessant fand. Irgendwie konnten mich die ersten Kapitel, bis etwa zur Mitte nicht wirklich packen. Anstatt dieser angenommener unterhaltsamen Geschichten über seinen Garten kamen oftmals viele Verbindungen zu biblischen Stellen, in denen diese und jene Art vorkam und welche Bedeutung dies hatte oder haben könnte. Obwohl es einerseits sicherlich interessant ist, war es mir viel zu unpersönlich, dahinter steckten noch keine eigenen Anhaltspunkte, auf die man Rückschlüsse auf seine Erfahrung und Gedanken zu seinem Garten schließen konnte. Lediglich die wunderbare Gestaltung und die schönen Illustrationen, die einerseits farbig oder auch als Skizzen in schwarzweiß daherkommen, haben mich zunächst wirklich beeindruckt. So hielt sich meine Begeisterung in der ersten Hälfte noch etwas zurück.
"Leider gilt das nicht für alle, denn gelegentlich sieht man immer noch einen Mistkerl sein Auto mit dem Schlauch waschen oder seinen Hof abspritzen und ärgert sich über die Mengen guten Wassers, die dabei verrinnen, aber die meisten Israelis sind sich der Wasserknappheit bewusst, und auch Nichtreligiöse beten um Regen.“ S.164
Als ich dann schon nicht mehr damit gerechnet hatte, offenbarte sich in der zweiten Hälfte genau die Art von Verbindung zwischen Wildgarten, Gärtner und Geschichten, die man sich am Anfang so wünscht. Mir schien, als blühe da nicht nur der Garten, sondern eben auch der Autor mehr auf. Es gab interessante Geheimrezepte für die perfekten selbsteingelegten Oliven, ein Rezept für das Getränk "Limoncello", das man unbedingt mal trinken sollte und wirklich schöne und auch nachdenkliche Kapitel, die den Leser trotz des Humors, der irgendwie immer unterschwellig anwesend ist, mitfühlen lassen. Mir gefielen die deutliche Nähe des Autors zu seinem Garten und die Opferbereitschaft an der einen oder anderen Stelle. So traten für mich auch erst ab der zweiten Hälfte die wirklich lesenswerten Kapitel auf, die nicht nur viele gute Gedankengänge in Bezug auf die Natur wiedergeben, sondern auch über das Konsum- /Sammelverhalten der Menschen, die Überlegungen, was mit den persönlichen und geliebten Sachen eines jeden Menschen passieren, wenn man einmal nicht mehr ist und auch ein paar zum schmunzeln verleitende Witze. Es werden viele Schilderungen geliefert, wie verschiedene Pflanzungsarbeiten unterschiedlicher Blumen funktionieren oder aber auch, welche Tiere sich mit dem Autor ab und an einen "Scherz" zu erlauben scheinen. Ja, die zweite Hälfte hatte für mich definitiv den größeren Unterhaltungswert. Leider haben mich aber auch hin und wieder einige Äußerungen gestört, weil sie sich widersprochen haben und ich mich dann immer gefragt habe, wie das zusammenpassen soll. Da wäre zum einen seine Überlegung, dass Pflanzen natürlich Empfindungen haben und wir Menschen und gar nicht wirklich vorstellen können, was in ihnen alles vorgeht. Wiederum bestreitet er zu glauben, dass Pflanzen Schmerz empfinden können. Da frage ich mich, wie er das eine mit dem anderen in Einklang bringen kann, wenn er so für Pflanzen einsteht und weiß oder spürt, dass sie ganz eigene Lebewesen mit eigenen Empfindungen sind, sich aber nicht vorstellen kann, dass sie Schmerzempfindungen haben, sei es auch in einer Art und Weise, die mit unserer menschlichen Empfindung nicht übereinstimmt. Oder er sagt er sei "keiner von denen, die [...[ mit Sträuchern sprechen", als wäre es etwas Schlimmes, wenn es so wäre, gibt aber an, dass er doch mit seinen Blumen redet - kleiner Widerspruch, bei dem mir Zweites sogar sympathischer ist (siehe Zitat unten). Ebenso erwähnt er, dass für ihn der Garten keine Religion sei, doch er greift wirklich oft auf biblische Stellen zurück, was auf den ersten Blick nicht ganz ungewöhnlich ist, da die israelische Kultur sicherlich daran stärker angelehnt ist, in dem Buch allerdings hat das für mich aber nicht ganz harmonisch geklungen. Da gab es einfach so Kleinigkeiten, die mir etwas negativer aufgefallen sind. Allerdings mochte ich wiederum das Endkapitel unheimlich gerne. Es war ein wunderbares Ende mit einer ganz zarten, aber wichtigen Botschaft an die nächsten Generationen und hat mich im Endeffekt dazu gebracht, dass ich das Buch trotz einiger Schwachstellen definitiv positiv in Erinnerung behalten werde.
"Doch dann fiel mir ein, dass ich diese beiden Alpenveilchensamen hätte beiseitelegen und später in einen eigenen Blumentopf säen sollen, damit ich wüsste, dass sie es waren, die ich unter meinem Schreibtisch gefunden und vom Tode errettet hatte. [...] In einigen Jahren [...] würden diese beiden ´vielen Dank´ zu mir sagen. Und ich würde es hören, wissen, dass sie es sind, und erwidern: ´Keine Ursache´." S.274f.
Kleine, (teilweise) persönliche Geschichtensammlung eines bekannten israelischen Autors, der eine Vorliebe für seinen Wildgarten hegt. Durchgängig hat mich die liebevolle Gestaltung und die schönen Illustrationen überzeugt, inhaltlich hat mich die zweite Hälfte des Buches deutlich stärker angesprochen, da sie etwas persönlichere und interessantere Einblicke enthielt, als der erste Teil. Trotz kleiner Schwächen bleibt mir das Buch aber durch unterhaltsame Anekdoten, interessante "Rezepte", einen speziellen Humor und auch nachdenkliche Ansätze positiv in Erinnerung.
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