Irre glücklich von Jenny Lawson

November 15, 2016




(Original: "Furiously Happy: A Funny Book About Horrible Things" / 2015) Kailash,  Übersetzer/in: Elizabeth Liebl, 320 Seiten, Broschur,  Einzelband, ★★★ 4 Sterne
"Auf ihre unnachahmlich liebenswürdige und verrückte Art beschreibt Jenny Lawson ihren Kampf mit Depressionen und Angststörungen. Indem sie »Ja« zu absurden Möglichkeiten sagt und so alltägliche Momente wundervoll macht, findet sie ihre ganz persönliche Waffe gegen die Krankheit. Ja zu der Liebe zu einem ausgestopften Waschbären, ja zu einer Australienreise, obwohl es sie oft überfordert, auch nur das Haus zu verlassen, ja zu Voodoo-Vaginas, Ponys im Flugzeug und mitternächtlichen Katzenrodeos. In den dunklen Stunden zehrt sie von diesen Erinnerungen – eine Einstellung, die ihr Leben gerettet hat. Mit unendlich viel Humor, Mut und Ehrlichkeit will die Autorin zeigen, dass wir nicht allein sind, und uns die Stärke geben, trotz Depressionen das Leben auszukosten."


MEINE MEINUNG | FAZIT 

"Dies ist ein lustiges Buch über das Leben mit einer psychischen Störung. Das hört sich jetzt schräg an, aber ich bin nun mal psychisch gestört, und die meisten besonders witzigen Leute, die ich kenne, sind es auch.S.14

Der Titel ist irgendwie Programm. "Irre" sind viele Geschichten, die Jenny Lawson ihren Lesern präsentiert, aber sie sind dadurch eben auch ein Unikat, welches zum Lesen anregt. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass mich der Anfang recht aus der Bahn geworfen hat. Mit solch einem direkten und verwirrenden Anfang habe ich nicht gerechnet, das kann aber genauso gut daran liegen, dass ich weder den Blog noch das erste Buch der Autorin kenne. So betritt man eine Welt, die einem eher fremd ist. Ausgestopfte Waschbären, doppeldeutige Fußnoten und der Klang des Chaotischen bildet das Gerüst von Jenny Lawsons "Ratgeber", welcher sich mit der Diagnose "Depression" und "Angststörungen" auseinandersetzt. Dabei muss man aber anmerken, dass es kein Ratgeber, im ursprünglichen Sinne ist. Denn das Buch kommt wild, spontan und etwas "verrückt" um die Ecke (Einige Aussagen bezüglich ausgestopfter Tiere oder verspeister Kängurus fand ich persönlich unnötig, aber das liegt vielleicht am "Vegetarier sein"). Es kommt mit vielen persönlichen Erlebnissen daher, welche der Autorin Selbstzweifel, aber auch Mut bereitet haben. Es werden sogar einige kuriose Gespräche mit ihrer Psychotherapeutin festgehalten, die man mit einem deutlichen Augenzwinkern betrachten sollte, was aber nicht heißt, dass diese "aufgedrückt witzigen" Aussagen nicht auch etwas sehr Verletzliches aufzeigen, nämlich die Angst vor dem Scheitern und dem Augenblick, wenn vielleicht eine Stille eintritt, in der man sich gewisse Dinge eingestehen muss, die man lieber mit Witzen übertönt. Dieser Punkt ist mir nach und nach immer mehr ins Auge gestochen. Lawson wird häufig für ihren Umgang mit der Diagnose gelobt, dass sie es mit so viel Humor nimmt. Dies finde ich durchaus nachvollziehbar und sehe darin auch eine gewisse Stärke, allerdings finde ich, kommt es in dem Buch an einigen Stellen so rüber, als wären einige lustigen Passagen etwas aufgesetzt. Es treten zwischenzeitlich auch ernstere und nachdenkliche Stellen auf, die eine ganz andere Seite zeigen und die meiner Meinung nach auch etwas authentischer ist. Nichtsdestotrotz hat der Humor dadurch natürlich einen positiven "Ansteckfaktor", der das Thema nicht zusätzlich "deprimierend" wirken lässt und auf ganz eigene Art und Weise Kraft spendet.

"Ich kann Ihnen sagen, dass der Satz ´Ach, jetzt sei doch endlich mal ein bisschen fröhlich!´ im Falle einer Depression zu den am wenigsten hilfreichen gehört. Gleich gefolgt von: ´Ach, jetzt reiß dich doch mal zusammen!´S.143

Die insgesamt gut fünfunddreißig kurzen Kapitel bieten einen ganz schönen Einblick in die eigentliche Gefühlslage der Autorin, wenn auch manchmal nur subtil durch die Ausdrucksweise. Man merkt aber wo ihre Ängste noch genug Platz haben um sich zu entfalten und in welchen Bereichen sie versucht ihre eigenen Fortschritte anzuerkennen. Da das Thema ein doch recht sensibles ist und es, wie die Autorin auch sagt, bei jedem Betroffenen mit Depressionen zu anderen Ansichten, Verhaltensweisen und Gefühlszuständen kommen kann, muss man bedenken, dass alle ihre Aussagen nur auf sie bezogen sind. Sie versucht aber mit ihrer eigenen Geschichte aufzuzeigen, dass man sich nicht zurückziehen soll, wenn man spürt, dass man Hilfe braucht und gleichzeitig den nötigen Ruheraum schaffen soll, wenn einem alles über den Kopf wächst. Mit herrlich humorvollen Ausflügen in ihre Erlebnisse würzt sie so ihre Lebensphasen. Mir persönlich hat vor allem das Kapitel rund um die Flughafenverbote gefallen. Es nimmt zwar nur am Rande Bezug zu ihren Flugängsten auf, zeichnet sich aber tatsächlich durch sehr unterhaltsames Erzählen aus. Daher schätze ich an dem Buch sehr, dass es eben so "anders" ist, als das was man von solchen "Ratgebern" wohl erwartet. Es zeigt die Schwachstellen, die Ängste und die Sorgen der Krankheiten auf, ja! Aber  es bringt einen auf schmunzelnde Weise zum nachdenken und nicht auf die üblich traurige Weise. Hinzu kommen einige außergewöhnliche Fotos ihrer Australienreise, wie auch süße Schnappschüsse eines "Fortune Teller"-Automaten, die einfach nur charmant sind. Ich war vor allem immer ganz angetan von der Beziehung zu ihrem Mann, der ihre "Verrücktheit" akzeptiert, sie aber auch immer auf den Boden zurückbringt, wenn es ihm Zuviel wird.

"´Mir kommt das aber ein bisschen komisch vor...Pinguine in Australien, die niemand zu Gesicht kriegt? Wahrscheinlich lügen die Wissenschaftler und wollen nur ihre eigene private Insel haben. So sind die Twilight-Cullens auch zu der ihren gekommen.´S.191


Eine "irre", persönliche Darstellung eines Lebens mit Depressionen und Angstzuständen der Autorin Jenny Lawson, welche durch einige nachdenkliche, aber überwiegend humorvolle Kapitel gekennzeichnet ist. Ab und zu waren mir die Witze etwas zu "überspitzt", aber im Großen und Ganzen ist es eine schöne, unterhaltsame und erfrischend subjektive Art und Weise über eine immer noch tabuisierte Krankheit zu sprechen. Man wird erst nach und nach mit der Persönlichkeit der Autorin vertraut, sodass man ganz am Anfang noch etwas verunsichert ist, wie man das Gesagte auffassen soll. Zum Ende hin ist es aber eine etwas skurrile aber unterhaltsame Lektüre, die vielleicht auf ihre ganz eigene Art für mehr Akzeptanz und Verständnis für Menschen mit Depressionen und Angstzuständen sorgt.




 Vielen Dank an den Kailash Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


3 Kommentare:

  1. Ich hab im November ihr erstes Buch angehört, das war auch herrlich schräg. Habe sie vor Jahren schon mal durch ihren Blog entdeckt und mich da schon immer köstlich über ihre Anekdoten amüsiert. Bin sehr neugierig auf dieses Buch hier. Angststörungen werden in ihrem ersten Buch zwar auch schon angesprochen, aber sie spielen keine so große Rolle. Ich bin sehr gespannt darauf wie mir ihr näherer Umgang mit dem Thema gefallen wird. Immerhin kann man ihr nicht vorwerfen, dass sie das Thema lächerlich macht, weil sie ja selbst darunter leidet. Ist halt authentisch, auch wenn es vielleicht nicht für jeden die richtige Art ist damit umzugehen.

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    1. Ja, also ich seh das einfach so, dass es halt ihre Art ist damit umzugehen und jeder dem das nicht passt, ist es okay, aber es ist ja nicht vorwerflich, weil es ihr so einfach mehr hilft, als wie ein Trauerkloß darüber zu schreiben. Ich musste mich anfangs tatsächlich erst etwas länger an ihren Stil gewöhnen, aber ich konnte es am Ende irgendwie nicht nicht mögen... : )


      Liebe Grüße
      Karin

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    2. Ich liebe auch die Konversationen, die sie mit ihrem Mann führt. So herrlich schräg und absurd, aber irgendwie trotzdem liebevoll und manchmal finde ich da auch was von mir selbst drin wieder xD

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