(Original: "-" Aus verschied. Erzählbänden entnommen / 1993-2010) Atlantik Verlag, Übersetzer/in: Adelheid Dormagen und Kathrin Razum, 336 Seiten, gebunden, Einzelband, ★★★(☆)☆ 3 bis 4 Sterne
"Eine Frau heiratet viel zu jung einen viel zu alten Mann und ist in ihrer grundlosen Eifersucht weniger lebendig als der Sterbende an ihrer Seite. Zwei Schwestern erfahren im Erwachsenenalter, dass ihre Mutter früher zwei Männer liebte. Eine Alleinerziehende muss akzeptieren, dass ihre einzige Tochter ein Junge im Körper eines Mädchens ist - ungewöhnliche Geschichten, die von Schuld, Schicksalsschlägen, Liebe und Leidenschaft erzählen und so erschütternd wie tröstlich sind. "
"Ich habe nicht gewusst, dass es mir so gehen würde, dass das die Folge ist, wenn man jemanden so sehr liebt. Ich hatte keine Vorstellung. Niemand sagt einem: Es gibt kein Happy End. Niemand sagt einem: Wenn du in die Zukunft schauen könntest, würdest du das Ganze vielleicht lieber jetzt abbrechen.“ S.100
Amy Blooms Erzählungen skizzieren die unterschiedlichsten Lebenssituationen der Menschen, halten aber immer eine ganz spezielle Pointe bereit. Man beginnt die Geschichten zu lesen, denkt man wisse worum es geht, dass eine recht wahrscheinliche Abfolge der Dinge folgen wird und dass eben das pure Leben dargestellt wird. Und dann kommt sie mit dem Ende um die Ecke, welches einen doch irgendwie aus der Bahn wirft und die Geschichte dadurch eine viel tiefere Bedeutung bekommt. Sicherlich spielt hier aber eben auch der konkrete Bezug zum Leser eine Rolle. Denn auch mich haben nicht alle Geschichten ganz überzeugen können, aber die, die es konnten, habe ich wirklich genossen. Besonders die drei in Bezug zueinander stehenden Erzählungen "Hyazinthen", "Dein Anblick" und "Silbriges Wasser" haben es mir angetan. Mit einer nahezu verblüffenden Selbstverständlichkeit werden hier Geschehnisse innerhalb einer Familie geschildert, welche auf eine ganz eigene Dramatik hinsteuern. Alle drei Erzählungen widmen sich einer Familie, aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln, was das Ganze etwas abwechslungsreicher macht und gleichzeitig die Fortschritte der Familie aufzeigt. Aber auch andere Erzählungen konnten mich überzeugen und veranschaulichen, wie unterschiedlich ein Leben sein kann und welche Hindernisse jemand zu überwinden hat, die einem anderen gar ganz fremd sein können. Und ja ein Hauptmerkmal bildet das Thema "Liebe". Eben in der Form der Liebenden als Paar, aber auch in Form von Freundschaft, Familie und dem Zusammenhalt einer Gemeinschaft als Trostquelle.
"´Hängematte oder Chaiselounge?´, fragte Randeane. Ray sagte, er sei eher der Sesseltyp, Hängematten seien unberechenbar. ´Das Leben ist eine Hängematte´, sagte Randeane. ´Genau das meine ich. Ich nehme den Sessel.´“ S.133
Der Erzählstil Amy Blooms hat mich zunächst gar nicht wirklich "vom Hocker gehauen". Er wirkt recht simpel, schließt alle wichtigen Informationen mit ein und kommt ganz subtil daher. Aber liest man die Erzählungen zu Ende entwickelt sich ein Sog, der eben doch ganz charakteristisch zu sein scheint. Blooms Art, Geschichten zu erzählen ist nicht ausgeschmückt, sondern trifft den Nagel auf den Kopf und das eben als "Grand Finale" der schlichten Art. Was mich dabei so begeistern konnte war vor allem, dass die Erzählungen hinsichtlich der Themen und der Einfühlung in verschiedenen Figuren, eine Vielfalt aufzeigen. So wirkt auch die Geschichte einer Mutter, die ein Kind hat, welches sich im falschen Körper geboren fühlt, nicht platt und stereotypisch, sondern ganz einfühlsam und bodenständig. Es sind Geschichten die Ausdrücken: "Das Leben ist nun mal so und nicht anders". Wie der Leser diese dann interpretiert und in wie weit ihn die Auflösung der Geschichten ansprechen, ist ihm dann aber selbst überlassen. Und bei mir war es dann eben so, dass mir einige Erzählungen besonders gut gefallen haben, einige waren gut und andere konnten mich nicht wirklich mitreißen. Die Verletzlichkeit der Figuren prägt sich dem Leser am Ende aber wohl am meisten ein. So ist dies ein Buch, welches im Großen und Ganzen schöne Erzählungen der Autorin bereithält und sich nicht aufdrängt, sondern sich nach und nach, ganz angenehm zu entfalten scheint.
"Ich habe mir immer vorgestellt, einmal eine Witwe á la Audrey Hepburn zu sein, langhalsig und blass in einem engen schwarzen Leinenkleid. Stattdessen ertrinke ich fast in einem Fluss aus Zucker und hülle mich in alte Trainingshosen und Flanellhemden von Max.“ S.319
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Enthält Erzählungen die eine Mischung aus Melancholie und Dramatik bereithalten. Sind in ihrer Grundstruktur recht subtil gehalten und erzählen von den alltäglichen Hindernissen im Leben verschiedenster Menschen, überzeugen aber oftmals besonders durch einprägsame Abschlüsse der Erzählungen. Die Geschichten sind vielfältig und beziehen sich auf alle möglichen Verbindungen zwischen Figuren. So gibt es Themen, die sich auf die Liebe fokussieren, aber auch auf die Freundschaft, Familie und die Sehnsucht nach dem richtigen Weg im Leben. Rund um eine gelungene Zusammenstellung verschiedener Geschichten, auch wenn mich einige davon etwas weniger begeistern konnten, als andere.
Vielen Dank an den Atlantik Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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