Fallensteller von Saša Stanišić

Mai 10, 2016



(Original: "Fallensteller"/ 2016) Luchterhand, 288 Seiten,  gebunden,  Einzelband,  ★★★★(☆) 4 bis 5 Sterne

"Ein vom Leben nicht sehr verwöhnter alter Mann hat eine Leidenschaft für die Magie. Er bittet um Ruhe für die Große Illusion. Aber die Gemeinde trinkt Kaffee und hält nicht still. Anders der Fremde, er ist geduldig. Er will helfen, sagt er und bietet Lösungen an: manche sind keine, manche tun weh, und manche haben Gitter aus gebogenem Draht. Zwei Freunde ziehen durch Europa, sie reden und meiden das Zuhören, sie lügen und stehlen, jagen mit Karacho und Geschick ihren Sehnsüchten hinterher: einer syrischen Surrealistin, einem bedrohten Vogel und Rebekka. Um nur ein paar zu nennen.
Dies sind Geschichten über Menschen, die Fallen stellen, Menschen, die sich locken lassen, Menschen die sich befreien - im Krieg und im Spiel, mit Trug und Tricks und Mut und Witz. "


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Es ist Zeit vergangen, seit du bei uns warst. Jetzt gibt’s wieder was zu erzählen. Jetzt ist der Fallensteller da.“ S.172

Neulich habe ich gelernt, dass ein Text oder ein Buch, gar keine Gefühle besitzen kann. Es ist ein Konstrukt aus Wörtern, die dem Sinn folgen, etwas zu erzählen und die die Fähigkeit zu fühlen gar nicht besitzen. Jedoch kann man nicht bestreiten, dass diese Konstrukte dennoch ein Gefühl transportieren können, die sich lebendig und mit fabelhafter Erzählkunst, verbinden. Ja, bei diesem Werk wird man mit so vielen Eindrücken und "nicht Eindrücken" konfrontiert, dass man zunächst gar nicht weiß, wohin man seine ganzen Gedanken abladen soll. Saša Stanišićs Werk beinhaltet zwölf, mal kürzere, mal längere, Erzählungen, die manchmal aufeinander Bezug nehmen und mal nicht. Und dennoch verbindet die Erzählungen immer diese Sehnsucht nach etwas. Vielleicht die Sehnsucht nach Ehrlichkeit, nach Hoffnung oder nur nach dem Leben. Der Einstieg in das Buch fiel mir relativ einfach, wobei ich sagen muss, dass man erst nach den ersten paar Geschichten, den Stil des Autors und der jeweiligen Erzähler, zu verstehen begreift. Die Erzählungen sind sprachlich durchaus leicht verständlich, haben aber eine ganz eigene Art und Weise etwas zu vermitteln. Sie wirken immer etwas poetisch. Beachten sollte man auch, dass der Text an sich nicht immer alles offenlegt. Man muss als Leser viel zwischen den Zeilen lesen, beziehungsweise, die Texte sind so konstruiert, dass sie in erster Linie natürlich eine Handlung wiedergeben, sich dem Leser und dessen Vorstellungen von der eigentlichen Aussage, immer ein wenig anpassen. Zumindest war dies mein Empfinden.

"Womöglich ist aber auch das ein Talent, Leuten egal sein." S. 7

Meine Favoriten setzen sich eigentlich aus vier Erzählungen zusammen (obwohl ich keine Erzählung schlecht finde!): "Die große Illusion am Säge- Holz- und Hobelwerk. Klingenreiter Import Export", "Im Ferienlager im Wald", "Fallensteller" und "In diesem Gewässer versinkt alles". Die übrigen Erzählungen sind aber ebenfalls sehr lesenswert, nur haben sie sich in meinem jetzigen, ersten Lesedurchgang, "hinten anstellen" müssen. Die Erzählungen rund um "Mo" und seinen Reisebegleiter sind zum Beispiel sehr unterhaltsam und lassen einen durch deren Handlungen, immer mal wieder schmunzeln (Okay, es sind wohl mehr als nur die vier Erzählungen, die meine Favoriten sind). Ich finde es erstaunlich, wie gezielt und wie sympathisch zugleich Saša Stanišić, verschiedene Themen niederschreibt und sie trotz ihrer Kritik, nie einen "bösen" Nebengeschmack aufzeigen. So wird die Gesellschaft und ihr Verhalten in vieler Hinsicht in Frage gestellt. Sei es, der Drang nach Anpassung, Flüchtlingsthemen, soziales Engagement oder die generelle Verhaltensweisen von Menschen in gewissen Situationen. Die Erzählungen kann man sicherlich auf beide Arten lesen, direkt hintereinander, so dass sich trotz der manchmal wechselnden Figuren ein Ganzes ergibt, oder man lässt sich etwas Zeit und liest die Erzählungen mit einigen Abständen dazwischen. Ich habe beides versucht, habe also manche Erzählungen für sich stehen lassen und manchmal habe ich sie noch einmal gelesen und daraufhin mit den anderen begonnen. Ich denke beide Lesearten sind hier möglich, sodass man sich keine Gedanken darum machen muss, ob der Lesefluss etwas "gestört" wird. Ich denke generell, dass dies ein tolles Buch ist, welches man gerne öfter lesen kann / wird, da  die Geschichten so viel erzählerisches Potenzial aufweisen.

"Daran sieht man gut die Folgen der Globalisierung: an der wachsenden Gleichgültigkeit gegenüber den Verrückten..S. 80


Zwölf außergewöhnliche Erzählungen, die auf fast poetische Weise und mit den richtigen Worten, zum nachdenken anregen. Unterhaltsam, gesellschaftsreflektierend und mit vielen Interpretationsansichten auslegbar. Trotz vieler Kritik an der Gesellschaft, ist es dennoch ein Buch voller Zuneigung und Hoffnung auf das Glück im Leben.  Saša Stanišić ist wirklich ein fabelhafter "Fallensteller", der weiß, wie man den Leser in seine Geschichten einfängt.


Vielen lieben Dank an den Luchterhand Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


2 Kommentare:

  1. Hallo :)
    Ich höre gerade das Hörbuch (ein Live-Mitschnitt einer Lesung) und bin total begeistert. Deine Favoriten finde ich auch super - wobei ja wirklich jede Geschichte sehr schön ist. Das ist mein erstes Buch von ihm, aber bestimmt nicht mein letztes.
    Sehr schöne Fotos auch wieder. :) Da finde ich es schon schade, dass ich das Büchlein nicht im Regal stehen habe.
    Liebe Grüße

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    1. Vielen lieben Dank! : )

      Ich bin auch sehr angetan, noch mehr von ihm lesen zu wollen! Vor allem sein Werk "Vor dem Fest" wurde ja sehr gelobt. Vielleicht wandert es dann demnächst auch auf meine Leseliste. : )


      Liebe Grüße,
      Karin

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