Die Expedition von Bea Uusma

März 06, 2016

























(Original: "Expeditionen. Min kärlekshistoria“) 312 Seiten, Hardcover, Einzelband | ★★★★★ 5 Sterne
Bibliografie auf der Verlagsseite (btb) »
"Die Geschichte einer Obsession – und eines großen Rätsels
im ewigen Eis. - Über fünfzehn Jahre lang hat mich die Andrée-Expedition nicht losgelassen: drei Männer aus Stockholm, die mit einem Heißluftballon auf dem Weg zum Nordpol verschwanden. Die Reste ihres Lagers wurden 33 Jahre später gefunden, eingefroren auf einer unbewohnten Insel mitten im Eismeer. Ich versuchte, ein ernstes Wörtchen mit mir selbst zu reden, aber ich war wie ein Vampir, der zum ersten Mal Menschenblut gewittert hat. Dies wurde zu meiner Expedition."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit ich auf jener Party damals das Buch entdeckt habe. Ich versuche, die beiden [Nils und Anna] einzuholen, komme aber immer 113 Jahre zu spät." S. 209 

Ich glaube, ich habe schon das ein oder andere Mal erwähnt, dass ich mich wahnsinnig für den Nordpol und Fotografien davon interessiere. Aber wenn ich solch ein Buch wie dieses, wirklich den ganzen Tag und beinahe ohne Unterbrechungen durchlese, welches mit sehr vielen Informationen und Obduktionsberichten ausgestattet ist, dann mag das schon etwas heißen. Und da wären wir auch gleich schon bei dem ersten Aspekt: die Vielfalt des Buches. Das Werk bezieht sich nicht nur auf Bea Uusmas persönlichen Begeisterungen und Herausforderungen, die mit ihrer Expedition und Spurensuche einhergehen, sondern auch auf tatsächliche und originale Tagebucheinträge der drei Männer, wie auch deren Obduktionsberichte und mehreren Seiten, die deren komplettes Verhalten in einer Tabelle veranschaulicht darlegen und zusätzlich mit Originalfotografien, die bei den Forschern gefunden wurden, ergänzt werden. Und das alles, um dem Geheimnis um genau dieser drei „Forscher“ auf die Schliche zu kommen. Warum ich die Anführungszeichen gesetzt habe? Nun, es wird schnell deutlich, dass keiner der drei wirklich die geeigneten Voraussetzungen für diese Expedition mit sich gebracht hat. Daher ist es für den Leser umso erstaunlicher, dass ihre Zeit auf der „weißen Insel“, dem Leser wie ein Roman aus der Feder von Jules Verne vorkommt. Aber auch die eigentliche Autorin schafft es, die Geschichte mit großen Gefühlen zu verknüpfen. Sie schildert nämlich nicht nur eine Liebesgeschichte, die zwischen ihr und der Andrées Expedition, sondern auch noch eine Liebesgeschichte zwischen Nils Strindberg und seiner Verlobten Anna. Es sind natürlich nur Fragmente, die man aus den Briefen entnehmen und aus denen man Rückschlüsse auf die Beziehung der beiden ziehen kann, aber ich muss sagen, die beiden Stränge wurden sehr gut miteinander verbunden. Es handelt sich vor allem um die Zeit der Liebesbeziehung, nachdem Nils zur Expedition aufgebrochen ist. Abwechselnd liest man also die Briefausschnitte, verschiedene Fakten zu den Situationen der drei Männer und den Versuchen der Autorin, sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben. Sie gibt allerdings an, dass zwei Seiten ihrer Fiktion entsprungen und nicht hundertprozentig zu belegen sind. Ich persönlich fand aber genau diese zwei Seiten sehr realistisch und schlüssig.

"Als ich an Land gehe, merke ich sofort, dass etwas komisch ist. Irgendetwas stimmt nicht. Dann wird mir klar: Alles ist in Farbe. So viele Male habe ich Schwarzweißfotos vom Aufstieg des Ballons angeschaut. Jetzt stehe ich hier, mitten im Bild. Und plötzlich ist alles in Farbe.
" S. 40

Der Leser wird durch eine Landschaft geführt, die man kaum beschreiben kann. Man liest die Zeilen und die Beschreibungen der Umgebung und realisiert, dass es diese Geschichte tatsächlich gegeben hat.  Es entstehen Landschaftsszenerien, die natürlich auch durch die Originalfotografien, verstärkt werden,  welche man für kurze Zeit ruhen lässt. Man begibt sich quasi mit auf die Expedition der Männer.  Wobei ich auch zugeben muss, dass mir die vielen Stellen über ihre Nahrungsaufnahme, beziehungsweise die Nahrungsaufnahme von den Innereien der Eisbären und Ähnlichem, gerne erspart geblieben wäre. Aber auch dies trägt nun einmal zu der Aufklärung bei.  Zudem bleibt man nicht unbeeindruckt wenn es um den Eifer geht, den die Autorin an den Tag legt, um den Menschen, ihre Erlebnisse zu schildern und die Geschichte um die Andrée Expedition nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Man kann durch dieses Buch beinahe wirklich die komplette Zeit, seit 1897 zurückverfolgen. Man „kämpft“ sogar mit den drei Männern mit und hofft, dass es vielleicht doch ein gutes Ende haben wird, obwohl man weiß, dass es nicht sein kann. Mir gefiel dabei die Genauigkeit, mit welcher die Autorin vorgegangen ist. Sie schließt bei der Suche keine möglichen Thesen aus, versucht sogar alle möglichen Ursachen selbst erneut erklären zu können und lässt dem Leser dadurch die Möglichkeit, auch selbst aktiv zu werden. Ich hatte an vielen Stellen das Bedürfnis, selbst die Lösung zu finden. Es ist schwer zu erklären, aber ich versuche es mal so: Es ist eine Mischung aus Rätselsuche, Reportage, originalen Aufzeichnungen einer unfassbaren Expedition und einer, nein sogar zwei Liebesgeschichten, die eine Einheit bilden.

"Nun kommen die anderen zurück, und die Fron mit den Schlitten geht weiter. Au revoir." S.182 (Eintrag aus dem Tagebucheintrag)
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Wunderschönes Werk einer begeisterten Autorin, die es schafft, den Leser mit auf die Reise an den Nordpol zu nehmen und gemeinsam diese Expedition zu erleben. Beruht nicht nur auf Originalberichten und den eigenen Erfahrungen der Autorin, sondern spielt auch mit der tragischen Schönheit zweier Liebesgeschichten. Für alle, die auch in traurigen Vergangenheiten eine Faszination erkennen und die Landschaft des Nordpols aus einer anderen Sicht heraus sehen möchten. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass alles durchgehend als „Lösung“ bestätigt wird.



 Vielen lieben Dank an den btb Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!



1 Kommentar:

  1. Liebe Karin,

    auch ich bin ein großer Fan von Büchern, die sich mit Expeditionen zum Nordpol im Speziellen und rund um den Globus im Besonderen beschäftigen. Wenn diese Bücher schließlich auch noch mit ansprechenden Fotografien oder Faksimiles aufgewertet werden, hat man mich meistens direkt am Haken. Daher kann ich gut verstehen, dass dich dieses Werk fasziniert hat. Danke für deine Besprechung und die gelungenen visuellen Eindrücke zum Buch.

    Einen schönen Restsonntag & guten Wochenstart wünscht dir
    Sandra

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