Mitternacht zu sein ist nicht jedem gegeben von António Lobo Antunes

November 30, 2015



(Original: "Não é mei noite quem quer") Luchterhand, 576 Seiten, Hardcover,  Einzelband,  ★★(★)☆☆ 2 bis 3 Sterne
"Was bleibt vom Leben, wenn man alles verloren hat? Eine Frau Anfang fünfzig hält Rückschau auf ihr Leben: Es sind nur drei Tage, die sie im einstigen Ferienhaus ihrer Familie verbringt, um Abschied zu nehmen, weil das Haus verkauft worden ist. Doch in diesen drei Tagen stürzt das ganze Drama ihrer Existenz über sie herein, und ihre Erinnerungen an die glücklichen Tage der Kindheit weichen einem immer bedrohlicheren Strudel der Verzweiflung …"  

MEINE MEINUNG | FAZIT

"[...] [U]nd als ich es bemerkte, starb ich, ohne dass sie begriff, dass ich tot war, wir sterben, und niemand  nimmt es wahr, wir hören auf zu existieren, und die anderen glauben, wir seien gegenwärtig, sie antworten den Nachbarn an unserer Stelle - Sie ist erschöpft das ist alles [...]" S. 165

Dieses Werk von António Lobo Antunes ist sicherlich ein literarisch anspruchsvolleres als viele andere Bücher. Die Sätze sind ineinander verstrikt und es gibt keine klaren Kapitel, in denen bestimmte Abläufe geschehen. Vielmehr ist es ein innerer Monolog einer Protagonistin, die versucht ihr bisheriges Leben zusammenzufügen und zu entscheiden, was sie wirklich will und wie sie das Erlebte verkraften und deuten soll. Dabei fällt auch auf, dass die Protagonistin nicht namentlich erwähnt wird, sondern sie von ihren Familienmitgliedern lediglich des öfteren mit "Kleine" angesprochen wird. So fiel es mir als Leser zunehmend schwerer eine wirkliche Verbindung zum Hauptcharakter aufzubauen, auch wenn man sehr viel aus ihrem Leben und ihrer Gefühlswelt erfährt. Hinzu kommt das "erschwerte" Lesen durch die sehr eigene Schreibweise des Autors. Die Kapitel bestehen aus Sätzen, die nicht mit einem Punkt abgeschlossen werden, bis auf den Schluss jeden Kapitels. Ich konnte das Buch daher nicht immer lesen, wenn ich gerne gelesen hätte, da man sich für das Buch doch mehr Zeit nehmen sollte, um das Gesagte und die Stimmung auf dich wirken zu lassen. Gleichzeitig kann die Art der Geschichte aber auch eine poetische Wirkung haben und wenn man sich wirklich auf den Schreibstil einlässt, entdeckt man wirklich viele schöne Stellen. Ich würde also schon sagen, dass das Buch etwas spezieller ist und vielleicht nicht jedem zusagt. Daher empfehle ich aufjedenfall sich einmal die Leseprobe anzusehen und zu schauen, ob man überhaupt mit dem Erzählstil auf einen Nenner kommt.

"[...] die da ist eine andere mit meinem Namen, die zufällig fühlt, was ich fühle oder zu fühlen glaube, ich habe mich verändert Senhor, ich bin kein Mädchen, bin ein Esel, der fallen wird, der fällt und den sie hinterher nicht in dieses Haus bringen werden, denn das Haus ist am Ende, [...]" S. 142

Obwohl die Geschichte aus der Sicht der Protagonistin geschildert wird, gibt es zwei Kapitel die sich davon abheben. Zum einen gibt es ein Kapitel, welches die Erzählweise der "Kollegin" wiedergibt, die jedoch auch in anderen Teilen der Geschichte erwähnt wird und ein Kapitel, welches von einem der beiden Brüder der Protagonistin geschildert wird. Die Erzählweise der Kollegin war durchaus ein Kontrast zu dem bisherigen Text auch wenn der Erzählstil ähnlich war. Allerdings hatte er viel mehr humorvolle Stellen, bei denen man lächeln musste, zum Beispiel in Bezug auf die Anschaffung gewisser Stofftiere, die personifiziert werden. Auch das Kapitel des Bruders hob sich etwas ab, obwohl er für mich sogar noch deprimierender war als der, der Protagonistin. Ich muss also wirklich sagen, dass es ein sehr nachdenkliches Werk ist, welches vorallem auch durch die verschiedenen und vielen Metaphern lebendig wird. Es gibt daher auch keine wirklichen Zeitzonen, die einen klaren Ablauf der Geschichte zeigen, sondern nur Andeutungen durch die Erzählerin, die Dinge sagt wie: "Mein Mann, damals noch nicht mein Mann [...]". So hat der Leser eine gewisse Linie, die er sich fügen kann um herauszufinden von welchen Erinnerungen die Protagonistin spricht und wann sie vorgefallen sind. Grundsätzlich gibt es aber drei große Teile, die mit einem Datum versehen sind, welche aufzeigen, zu welchem Zeitpunkt die Protagonistin über das Erwähnte nachdenkt. Bei vielen Stellen vermischten sich aber auch viele Eindrücke und ich hatte manchmal das Gefühl nicht wirklich alles richtig zuordnen zu können, besonders auch bei einigen Stellen, die mir einfach etwas zu konfus waren.

"Sterben ist, dass es am Tisch einen Platz zu viel gibt und man die Stühle etwas mehr auseinanderstellt, um es zu kaschieren, man spürt das Unbehagen der Abwesenheit [...]" S. 28

Zwar übeschneiden sich viele Vergangenheitserinnerungen in ihrer Thematik, wie die Probleme in der Familie, die Verluste die die Protagonistin erleiden musste und ihre persönlichen Schicksalsschläge, die den Leser auch nicht ganz unberührt lassen, zentraler Punkt bleibt in dem Buch aber wohl der Tod. Alles scheint zu diesem Gedanken zurückzuführen. Egal in welcher Hinsicht und wen es getroffen hat. Leider gehen viele bedeutsame Stellen etwas unter, da man sich eben zu sehr bemüht, nichts zu überlesen. Literarisch gesehen ist das Buch aber sicherlich sehr vielfältig und hat auch viele starke Pasagen. Mir persönlich war es am Ende doch etwas zu lang und zu speziell, da ich zwischen einigen Kapiteln immer mal wieder eine Pause einlegen musste. Dennoch finde ich, dass das Buch an sich eine schöne literarische Darlegnung einer Geschichte über die Schicksalsschläge eines Lebens ist.



Eine anfangs gewöhnungsbedürftige Erzählweise gepaart mit einer bewegenden Geschichte. Ich konnte mich leider nicht immer mit der Protagonistin auf einer "Ebene" bewegen und denke, dass man sich für das Buch Zeit nehmen sollte. Dennoch finde ich, dass das Buch an sich eine schöne literarische Darlegnung einer Geschichte über die Schicksalsschläge eines Lebens ist. Symbolisch und metaphorisch angehaucht. Obwohl es vieles gab, was ich an dem Buch schätze, hat mich die Länge des Buches verbunden mit der Schreibweise, an manchen Tagen von dem Buch ferngehalten.



Vielen lieben Dank an den Luchterhand Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

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