(Original: "-" verschiedene Titel, da einzeln abgedruckt / 1846-1861) Manesse Verlag, Übersetzer/in: Melanie Walz (aus dem Französischen), 224 Seiten, gebunden, ★★★★☆ 4 Sterne
"150. Todestag am 31. August 2017: Wer Charles Baudelaire ausschließlich als Verfasser der dunkel-brillanten Gedichte aus «Die Blumen des Bösen» kennt, lässt sich ein wahres Lesevergnügen entgehen. In seinen geist- und pointenreichen Essays vergleicht Baudelaire die unterschiedlichen – und nicht gleichermaßen empfehlenswerten – Wirkungen von Wein und Haschisch, gibt jungen Schriftstellerkollegen Tipps zum Umgang mit Gläubigern, schildert seine Begeisterung nach der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Paris oder erteilt Ratschläge, wie man das Glück in der Liebe finden kann. In dieser exklusiven Zusammenstellung in Neuübersetzung begegnet uns der feinsinnige Ästhet als ironischer Lebenskünstler, als hellsichtiger Literaturkritiker und als wortmächtiger Protagonist der Pariser Boheme. Gebunden in dunkelroten Samt mit Glanzfolienprägung, ist der Band zudem ein bibliophiler Hingucker."
"Es gibt Männer, denen es die Schamesröte ins Gesicht treibt, eine Frau geliebt zu haben, sobald sie merken, dass sie dumm ist. Das sind eitle Besserwisser, dazu bestimmt, sich von den elendsten Disteln der Schöpfung zu ernähren oder von der Gunst eines Blaustrumpfs.“ S.11
Auch wenn der Titel des Buches dies vermuten lässt, geht es hier tatsächlich nicht ausschließlich um "Wein und Haschisch" und deren Vor- und Nachteile. In diesem wunderbar gestalteten Buch, gibt es insgesamt sechs kurze klassische, wenn auch tatsächlich recht erfrischende Essays von Charles Baudelaire zu bestimmten Themen, die ihn seinerzeit durchaus beschäftigt haben. Darunter findet sich zum Beispiel ein Kapitel zu den "Maximen über die Liebe", einige "Ratschläge an junge Literaten", das auf dem Titel genannte Thema "Wein und Haschisch", aber auch Überlegungen zu der Frage "Was uns das Spielzeug lehrt", wie auch zwei Ausflüge in die Künste, sprich eine kurze Besprechung Gustave Flauberts "Madame Bovary" und auch Richard Wagners "Tannhäuser".
Die jeweiligen Kapitel sind alle recht kurz, bis auf seine Ausuferungen zu Richard Wagners musikalischen Leistungen, die wohl den größten Teil des Buches einnehmen.
Im Großen und Ganzen muss ich wirklich sagen, dass mich das Buch sehr gut unterhalten hat. Charles Baudelaire ist irgendwie eine Kunstfigur für sich und das wird auch aus seinen Texten deutlich. Natürlich veröffentlichten auch andere Schriftsteller bereits Essays, die spitzzüngig waren und die sicherlich ordentlich Kritik an Teilen der Gesellschaft ausgebreitet haben, dennoch hat Baudelaire in seinen Texten einen ganz angenehmen Ton, den man besonders in der heutigen Zeit sicherlich mit einem sehr großen Augenzwinkern aufnimmt. Natürlich schreibt er sich an der ein oder anderen Stelle etwas in Rage, wenn es darum geht, dass die Musik Richard Wagners seiner Meinung nach nicht stark genug gelobt wird und sicherlich hatte dies für ihn eine wichtige Bedeutung, dies offenzulegen und auch die von ihm kritisierten Schreiber des Feuilletons "zurechtzuweisen". Liest man diesen Text aus heutiger Sicht, so musste ich wirklich ein wenig schmunzeln. Auch wenn mir das Stück selbst nicht ganz geläufig ist, so kann man sehr gut nachvollziehen, wie Baudelaire sich fühlt. Man selbst hat schon oft versucht eine unberechtigte Kritik zu entkräften und hat sich bemüht jegliche Argumente dafür vorzubringen. So kann es in diesem konkreten Fall vielleicht an der ein oder anderen Stelle etwas "zäh" sein, wenn man nicht genau weiß, wie das Stück selbst ist, aber seine Herangehensweise und Argumentation allein ist sehr unterhaltsam und durchaus lesenswert.
"Ich werde die Nachteile des Haschisch erörtern, deren geringster der ist, dass es antisozial wirkt, und das obwohl es ungekannte Reserven an Wohlwollen im Herzen oder eher im Gehirn des Menschen offenbart. Der Wein hingegen ist zutiefst menschlich, fast wage ich zu sagen, ein wahrer Draufgänger.“ S.54
Die etwas kürzeren Kapitel, die sich auf alltägliche Umgänge, wie die Liebe oder scheinbar banale Dinge, wie Spielsachen konzentrieren, sind ebenfalls wunderbar erfrischend, weil sie tatsächlich ganz selbstverständliche Überlegungen wieder an die oberste Stelle setzen und man sich fragt, wieso nicht jeder diese Ansichten teilt und sich einfach an den Dingen erfreut, an denen man sich erfreuen soll, wie eben den Spielsachen. Man ertappt sich dabei, dass man auch selbst immer gehört bekam "das Spielzeug bekommst du, wenn du alt genug bist, damit du es nicht direkt kaputt machst". Es sind wie gesagt alltägliche Situationen, denen Baudelaire ebenfalls Aufmerksamkeit schenkt und es in teils humorvolle, teils spitzzüngige Kommentare und Äußerungen verpackt.
Und auch seine Exkurse zum Thema "Wein und Haschisch", wie auch der Betrachtung des Romans, der den Ehebruch skandalös darstellen soll, "Madame Bovary" sind sehr lesenswert.
Man kommt als Leser natürlich nicht drum herum, dass Charles Baudelaire einem seine Meinung förmlich aufdrängen möchte und davon ausgeht, dass alle anderen falsch liegen, wenn sie sich entgegengesetzt doch vom Haschisch berauschen lassen möchten, aber dennoch weiß man mit der nötigen Betrachtung aus heutiger Zeit mit diesem Stil umzugehen. Ich persönlich lese gerne "klassische" Essays, die sich stärker auf die damalige Zeit stützen und nicht nur allgemeine Gedanken des Schriftstellers preisgeben, sondern sich eben gezielt auf die Gegebenheiten beziehen, mit denen man sich damals auseinandersetzen musste. Wer genügt nicht welchen Anforderungen? Was gilt als verpönt? Wo muss die Gesellschaft aufgerüttelt werden? Alles sehr subjektive Ansichten, aber hier durch Baudelaires Persönlichkeit ganz gut in Szene gesetzt. Zudem kommt man natürlich auch nicht an der ironischen und strikten Aufteilung des "Guten" und "Bösen" herum, welches in seinen Essays immer mitschwingt.
"In einem großen Warenhaus gibt es Spielzeug von derart bemerkenswerter Fröhlichkeit, dass ich es einer schönen bürgerlichen Wohnung jederzeit vorziehen würde." S.77
Sechs sehr unterhaltsame Essays von Charles Baudelaire, die eine ganz interessante Abwechslung hinsichtlich ihrer Thematik bieten. Nicht nur die gesellschaftlichen Normen und Interessen werden abgedeckt, sondern auch die Liebe, das Schreiben und die Künste, die er so schätzt und seiner Meinung nach ungerecht beurteilt werden oder zu wenig Lob erlangen. In relativ kurzen Kapiteln trifft der Leser auf einen Essayisten, der spitzzüngig, mit einer guten Portion Ironie und einer sehr festen Meinung zu seinen Aussagen steht. So sehr er sich mit inbrünstiger Leidenschaft für seine Standpunkte in Rage reden kann, so unterhaltsamer und interessanter für den Leser. Ebenfalls wieder hilfreich: das im Anhang angeführte Nachwort, das genaueres zu Baudelaires Person selbst erläutert. Für mich eindeutig ein tolles Buch, das nicht nur von außen glänzt.
Toller Beitrag, schöne Fotos!
AntwortenLöschenIch bin definitiv neugierig geworden :)
Liebe Grüße,
Nicci
Oh, was für ein schöner Beitrag! Ich bin tatsächlich einer dieser Menschen der Charles Baudelaire ausschließlich mit "Die Blumen des Bösen" verbindet. Wie schön, dass du meinen Horizont jetzt erweitert hast. Die Ausgabe aus dem Manege Verlag ist auch einfach nur traumhaft schön und wirkt sehr edel!
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