Jack Engles Leben und Abenteuer von Walt Whitman

Mai 31, 2017


(Original: "Life and Adventures of Jack Engle: An Auto-Biographie; in which the Reader Will Find Some Familiar Characters" / 1852) Manesse Verlag, Übersetzer/in: Werner Waldhoff (aus dem amerikanischen Englisch),  ★★(☆) 4,5 Sterne 
"Humorvoll-lakonisch erzählt Walt Whitman eine klassische Aufstiegsgeschichte in der Tradition des großen Charles Dickens, allerdings in der Neuen Welt, mitten in New York. Er schildert die Schattenseiten der rasant wachsenden Metropole, verschweigt weder das Elend der Notleidenden noch die Korrumpierung derer, die an der Wall Street zu schnellem Geld gekommen sind. Doch vor allem feiert er in seinem "Jack Engle" uramerikanische und urdemokratische Tugenden: den Glauben an den unveräußerbaren Glücksanspruch des Einzelnen, die Zuversicht und den Pioniergeist der kleinen Leute, ihren Mut zur Improvisation und nicht zuletzt die alles überragende Leitidee der Einwanderernation – sich gemeinsam, ohne Ansehen von Herkunft, Stand oder Religion, aufzumachen in eine bessere Zukunft.
1852 als Fortsetzungsroman im "Sunday Dispatch" erschienen und erst 165 Jahre später als Schöpfung Walt Whitmans identifiziert – ein kleines Wunder der Weltliteratur! 2017 ist sie erstmals in deutscher Übersetzung zu entdecken, die Lebensgeschichte eines Waisenjungen, der auf den Straßen New Yorks lernt, sich mit Fäusten, flinker Zunge und viel Köpfchen zu behaupten. Keine ganz gefahrlose Sache in diesem brodelnden Eldorado der Überlebenskünstler aus aller Herren Länder ..."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Wir waren in der Tat Wanderer auf dem Antlitz der Erde, auch wenn unsere Wanderungen nicht über die Grenzen der Stadt und weniger Meilen entfernter Orte hinausgingen. Uns leitete nur der animalische Überlebensinstinkt (sofern wir etwas abbekamen), wenn wir Hunger hatten, und der, und hinzulegen und zu schlafen, wo immer die Erschöpfung uns überkam.“  S.18

Den Roman habe ich hinsichtlich seines Status, als "Klassiker" eingeordnet. Genau genommen müsste man aber eher davon sprechen, dass der nur Autor auf den "Klassiker" bezogen werden kann. Denn der Text an sich galt bis 2016 als verschollen und wurde Walt Whitman gar nicht konkret zugeschrieben. Wie bereits in der Inhaltsangabe angegeben, ist dieser Roman Teil einer Zeitungsveröffentlichung gewesen. Es überrascht also nicht gänzlich, dass die Kapitel wirklich jeweils recht kurz sind und man sich so Stück für Stück vorarbeitet.
Dabei ist die recht kleine Seitenzahl von hundertvierundsechzig (ohne Anhang) keineswegs gleichzusetzen mit dem Gedanken, dass es auch an den inhaltlichen Entwicklungen fehlen könnte.
Wie der Titel schon selbst offenlegt wird hier nämlich das Leben, wie aber auch die turbulenten Abenteuer des Ich-Erzählers Jack Engle erzählt. Vieles geschieht in rascher Abfolge, was sicherlich für ein dynamisches Tempo sorgt und gleichzeitig den Leser nicht mit zu tiefgründigen Passagen aufhält. Dennoch findet man immer wieder Einschübe und auch ein ganzes Kapitel, welche sich dann etwas näher mit der Lebensphilosophie beschäftigen und Jack Engles Gedankengänge hinsichtlich Gesellschaftsklassen, den Freunden des Glücks, aber auch gewissen Ungerechtigkeiten auseinandersetzen. Markant dabei sind für den Leser natürlich die dem Jahr entsprechenden Gegebenheiten. 
Das Einbauen des kleinen Hundes, der immer für diesen Freundschaftscharakter sorgt, ist ebenfalls sehr unterhaltsam und schürt wieder das Gefühl von Abenteuerlust.

"Dies alles glich wahrlich eher romanhaftem als prosaischem Leben in einem Haus an einer der Straßen dieser nüchternen Stadt. Und nachdem ich meine Westentasche über dem Manuskript zugeknöpft hatte, musste ich von Zeit zu Zeit darauf klopfen, um mich zu überzeugen, dass ich wirklich wach war.“  S.95f.

Der Text entstand laut bestmöglichen Recherchen 1852 und wurde auch höchstwahrscheinlich in diesem Zeitraum von Whitman verfasst. Dadurch entsteht natürlich eine ganz eigene Atmosphäre, die sich auf diesen Zeitraum bezieht. Ich kam nicht daran herum, den Text mit Ähnlichkeiten von Charles Dickens zu vergleichen. Vieles scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen und allein schon der Wortgebrauch lässt den Leser an bestimmte bekannte Passagen von Dickens zurückdenken. 
Man ordnet den Roman daher schon in eine spezielle Ortschaft (hier zwar nicht wie bei Dickens England, sondern New York) ein und gleichzeitig hat man auch vor Augen, wie die finanziellen Unterschiede von den Figuren wahrgenommen wurden. Jack Engle, der sein Leben selbst beschreibt ist zudem nicht nur eigener Autobiograph, sondern ist auch einem Geheimnis auf der Spur, welches mit seiner Person verbunden ist. Natürlich trägt dieser Handlungsstrang deutlich zur Unterhaltung des Lesers bei und lässt viele Kapitel auch wie das angekündigte Abenteuer wirken. 
Es treten verschiedene Figuren auf, die seine Gesellschaft und Problematik veranschaulichen und sich auch wunderbar in das Gesamtbild einfügen. Im Anhang findet man zudem gute und aufschlussreiche Bemerkungen, die das Bild der "Quäker" erläutern und auch die religiösen Anspielungen Whitmans aufgreifen. So ein Text sollte demnach sicherlich auch im kulturellen und geschichtlichen Kontext gelesen werden, damit auch die Darstellungen der Figuren oder auch der Darstellung von Frauen, wie auch Männern nicht wieder als nicht akzeptabel erklärt wird. 
Mir gefiel aber auch vor allem die Art, wie Whitman seine Figuren einführt. Jedes Kapitel beginnt mit einer kurzen Andeutung an das folgende Geschehen und nimmt dem Leser zwar einerseits etwas die Erwartungen vorweg, fügt aber erneut einiges an Spannung hinzu, da die eigentlichen Auflösungen dennoch erst im Kapitel selbst vorkommen. Zudem gefielen mir die Selbstbetrachtung und die Dankbarkeit, seinen Mitmenschen gegenüber, die Jack Engle auszeichnen. Es ist nie zu plump, ist aber auch nicht überdramatisch rührselig. Ebenfalls interessant fand ich hier die Anmerkung im Anhang, dass Walt Whitman diesen Roman recht zügig auf Drängen der Zeitung, Kapitel für Kapitel fortgeschrieben hat und gewisse Figuren daher erst recht spät auftauchen und nur zu gewissen Nutzen. Obwohl das in vielen Fällen sicherlich ein großer Nachteil wäre und den Roman recht unschlüssig wirken lassen würde, kann ich davon bei Walt Whitman nichts wiederfinden.

"Wozu hat die Natur den Menschen diesen Instinkt gegeben, dort zu sterben, wo sie geboren wurden? Gibt es ein verborgenes Einvernehmen zwischen den tausend geistigen und körperlichen Essenzen, die ein Menschenwesen ausmachen, und den Quellen aus denen diese hervorgehen?" S.125f.


Für mich ist der wiederentdeckte Roman ein wunderbares Buch, um sich in alte Zeiten zu träumen und den abenteuerlichen Wegen von Jack Engle und seinen Begleitern zu folgen. Es sprüht vor Tempo, interessanten Einfällen und Entwicklungen und unterhält den Leser gut mit zusätzlichen, etwas auf das Gewissen drückenden Einschüben. Alles passt dort, wo es passen soll und wirkt dabei eben nicht, wie ein bis zum äußersten geplantes Buch über ein Leben, sondern wie das Leben selbst, das sprunghaft und unvorhersehbar ist. Ein tolles Buch, welches hoffentlich nicht noch einmal in Vergessenheit gerät.



Vielen Dank an den Manesse Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

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Lady Orakel von Margaret Atwood

Mai 29, 2017

(Original: "Lady Oracle" / 1976) Piper Verlag, Übersetzer/in: Werner Waldhoff (aus dem kanadischen Englisch), 416 Seiten, Taschenbuch,  ★★ 4 Sterne 
"Als Kind wegen ihres unglaublichen Übergewichts gehänselt und von der eigenen Mutter abgelehnt, findet Joan Foster in ihrer ebenso dicken wie skurrilen Tante Lou eine Verbündete. Als diese stirbt, hinterläßt sie Joan ein Vermögen. Doch der Anspruch auf das Erbe ist an eine Bedingung geknüpft: Joan muß 40 Kilo abnehmen, um in den Genuss des Geldes zu kommen. Mit gewohnt spitzer Feder setzt Margaret Atwood in »Lady Orakel« zu einem Rundumschlag gegen menschliche Schwächen an und entwirft wie nebenbei das Porträt einer ganz und gar ungewöhnlichen Frau auf der Suche nach ihrer Identität."


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Die Vergangenheit kannst du nicht ändern, pflegte Tante Lou zu sagen. Oh, ich wollte es aber; das war das Einzige, was ich wirklich wollte.“  S.9

Plumper könnte man eine Rezension wohl nicht beginnen, aber ich liebe Margaret Atwoods Romanideen. Sie versteht es ganz eigene, spezielle und auch wirklich absurde Charaktere zu kreieren und sie dann zusätzlich auch noch in eine Handlung zu integrieren, die einen Seite um Seite weiterlesen lassen und man die Zeit vergisst. So erging es mir zumindest mit ihrem bereits 1976 erschienenen Roman "Lady Orakel". Ich wusste zunächst gar nicht so recht worauf ich mich mit dieser Geschichte einlasse, verspürte aber sofort eine Sogwirkung. Man lernt Joan sofort mit Beginn des Buches kennen. Die Protagonistin erzählt aus der Ich-Perspektive und führt uns durch ihr Leben. Sie befindet sich in einer scheinbar sehr mysteriösen Situation, der Leser weiß zunächst nicht, warum sie sich versteckt und in geheimnisvollen Sätzen spricht. Zunehmend setzen dann biographische Sequenzen ein, welche Joans Leben von Beginn an schildern und den Lesern mit ihren persönlichen Kämpfen vertraut machen.
Ehrlich gesagt ist man ein wenig hin und hergerissen. Denn einerseits wird das Geschehen und die Vergangenheit sehr interessant geschildert, genauso gibt es wirklich prägende Ereignisse, besonders familiär bedingt, die diese Rückblicke spannend und wichtig werden lassen. Andererseits weiß man zunächst nicht genau, worauf alles hinausläuft, es wirkt also tatsächlich zunächst nur so, als stünde das bloße Erzählen ihrer Biographie im Vordergrund. Für mich persönlich gab es keine langweiligen Stellen oder Passagen, die sich langegezogen hätten, was ebenfalls auf die Ausgefallenheit und die sehr feinfühlige psychologische Seite des Buches zurückzuführen ist. 
Die beschriebenen Beziehungen, die Joan weiterhin sehr prägen, wie zu ihrer Tante, ihrem Vater oder gleichaltrigen Freundinnen sind zudem einfach unterhaltsam zu lesen und sorgen für eine direkte Verbundenheit zur Protagonistin. Man möchte sie eigentlich gern ermuntern, sich nicht unterkriegen zu lassen. Auch der ständig thematisierte Kampf mit ihrem Gewicht ist meiner Meinung nach wunderbar umgesetzt.

"Worte waren nicht das Vorspiel zum Krieg, sondern der Krieg selbst, ein hinterlistiger Krieg unter der Oberfläche, der nie ein Ende fand, weil es keine Entscheidungsschlachten gab, keine Niederschläge, keinen Moment, wo man sagen konnte: ´Ich ergebe mich.´ Wer zuerst weinte, hatte verloren.“  S.63

Durchaus wird das Buch sehr häufig als komisch und zur reinen Unterhaltung beschrieben, was in vielen Passagen zutreffend ist. Atwood geht hier gezielt den Weg, eigentlich makabere Dinge ins absurde fallen zu lassen. Die eigentlich sehr problematische Beziehung zwischen Joan und ihrer Mutter sorgt für Momente, in denen man einerseits fassungslos ist, sich aber paradoxerweise auch gut unterhalten fühlt. Für mich allerdings war diese Komik aber eine Spielerei, die auch die Tragik der Figuren sehr gut herausstellt. Vieles mag manchmal nach "Slap-Stick" wirken, aber für mich war vieles auf untergründige weise sehr spitzfindig psychologisch, was eben auch zum Nachdenken anregt. Ich habe mich ständig gefragt, was diese ganzen geschilderten Erfahrungen tatsächlich mit einem Menschen, vor allem einem Kind machen können und in wieweit sich dieser Kreislauf auch im Erwachsenenalter widerholen wird. 
Genau dies wird auch mit der Fortsetzung des Lebens von Joan deutlich. Es werden viele neue Erlebnisse geschildert, die scheinbares Glück versprechen sollen, womit sich Joan aber letzten Endes nie zu identifizieren scheint. Anschließend treten zudem Passagen aus Joans Schriftstellerinnenkarriere auf, welche gewisse Parallelen zwischen ihren Figuren und ihrem persönlichen Leben aufzeigen sollen. 
Obwohl viele Leser damit scheinbar gar keine Schwierigkeiten hatten, fand ich diese Umsetzung manchmal doch sehr verwirrend, weil sich vor allem zum Ende hin die komplette fiktive Romanerzählung der Protagonistin mit ihrem eigenen Leben vermischt und es so wirkt, als fülle sie alle Figuren gleichzeitig aus. Auch hier empfand ich das Ende, ohne die Auflösung zu verraten, einerseits unterhaltsam, aber auch sehr interessant, weil man meiner Meinung nach viele Interpretationen aufgreifen kann, die sich auch erneut auf die frühen Kindheitstage ihrerseits beziehen. Als Leser erfährt man natürlich, was sie in die anfängliche Situation gebracht hat und welche möglichen Lebensverläufe noch bevorstehen.

"Genauso gut kannst du der Tatsache ins Auge sehen, dachte ich, du bist eine Künstlerin, eine Fluchtkünstlerin. Ich hatte manchmal über Liebe und Bindung geredet, aber die wahre Romanze meines Lebens war die zwischen Houdini und seinen Fesseln und seinem verschlossenen Koffer, sich der Fesselung anheimzugeben und ihr wieder zu entschlüpfen." S.400

Teilweise spannend, wie eine Tragikomödie wirkend und gefüllt mit den verschiedensten Figuren die für ordentlichen Wirbel sorgen. Die Protagonistin spielt sehr mit ihren eigenen Erlebnissen und ihren fiktiven Romanfiguren und sorgt beim Leser manchmal für Verwirrspiele hinsichtlich paranoider Fiktion und Realität. Für mich war der Roman erstaunlicherweise gar nicht so vordergründig komisch, wie psychologisch interessant. Vieles zielt auf den Strudel des eigenen Lebens ab und veranschaulicht, was für Muster einen Menschen sein ganzes Leben lang zu bestimmen scheinen.

Vielen Dank an den Piper Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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Für Bücherfreunde von Jean-Jacques Sempé

Mai 25, 2017

(Original: "-" / leicht veränderte Neuausgabe 2017) Diogenes Verlag, Übersetzer/in: -,  Ausgewählt von Daniel Kampa und Daniel Keel, 112 Seiten, gebunden,  ★★ 4 Sterne 
© Das Copyright für die jeweiligen Abbildungen liegt beim Diogenes Verlag
"Heute, wo immer weniger Menschen lesen, wird der Umgang mit Büchern gesellschaftlich zunehmend zum Kuriosum. Wie können Leute stundenlang einen Stoß Papier in den Händen halten? Noch dazu ohne Werbepause, um sich ein Getränk aus dem Kühlschrank zu holen? "


MEINE MEINUNG | FAZIT

Jean-Jaques Sempé ist vielen vielleicht besonders durch die Figur des "kleinen Nick" bekannt. Zahlreiche Cartoons, Illustrationen und unterhaltsame Zeichnungen stammen aus seiner Feder. Dieses kleine Büchlein gibt mit seinen hundertzwölf Seiten einen kleinen Einblick in Sempés bücherbezogene Illustrationen. Viele werden zudem von kleinen Textzugaben begleitet, welche dadurch manchmal sogar ein Gefühl von einem erzählten Witz aufkommen lassen.
Die meisten Zeichnungen sind eher schlicht und in schwarzweiß gehalten, versprühen aber sicherlich dennoch viel Charme. Die übrigen Zeichnungen sind manchmal teils oder in Einzelfällen auch gänzlich koloriert. In diesem Zusammenhang stehen daher auch einige Bilder nur für sich und zeigen eine idyllische Lesesituation auf. Es sind ganz süße Momentaufnahmen die zeigen, wie schön das Lesen an sich sein kann und wie wichtig es für viele Menschen auch tatsächlich ist, um vielleicht aus dem Alltag zu entfliehen.
Die mit einer Äußerung unterstützten Illustrationen sind wiederum eindeutig humorvoll und teils ironisch aufzufassen. Sempé versucht hier unter anderem auch diese Brücke zwischen scheinbar hoch intellektuellen Literaturwissenschaften und "einfachen" Buchliebhabern mit witzigen Situationen aufzubrechen und zeigt so auf, dass sich die Literaturszene allgemein vielleicht manchmal viel zu ernst nimmt. Als Leser ist die Betrachtung der Bilder so oder so immer eine Freude.

"Die Kultur, die Kultur... eines Tages habe ich mir gesagt: Teufel auch, wir wollen Leben! Dann habe ich ein Buch geschrieben.“  S.104

Bisher waren mir die Arbeiten von Jean-Jaques Sempé leider nicht wirklich bekannt, so war es für mich interessant zu sehen, wodurch sich die Illustrationen auszeichnen. Und ich finde tatsächlich, dass alle Seiten ein Wiedererkennungsmerkmal besitzen. Die Figuren sind alle recht ähnlich gezeichnet und auch die Spielerei mit den verschiedenen Szenerien hat etwas Spezielles an sich. Natürlich ist hier nur eine kleine Auswahl und auch speziell eine Auswahl hinsichtlich literarischer Themen gegeben, dennoch ist das Büchlein an sich abwechslungsreich und sehr unterhaltsam.
Ganz sympathisch finde ich vor allem immer die Darstellung des "Protagonisten", welcher mit einer solchen Selbstsicherheit Äußerungen von sich gibt, die das Gegenüber oftmals fragend zurücklassen. 
Man schmunzelt, verweilt ein wenig in der Abbildung und blättert mit einem Lächeln auf dem Gesicht zur nächsten Seite. Und das wünscht man sich eigentlich auch von so einem kleinen humorvollen und auch ganz charismatischen Buch.


Charmante und humorvolle Zeichnungen, welche die Liebe und Wichtigkeit zu den Büchern veranschaulichen. Mal schlicht in schwarzweiß, mal in Farbe sorgen sie für leichte und unterhaltsame Augenblicke. Sicherlich auch wunderbar zum Verschenken geeignet.


Vielen Dank an den Diogenes Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

 

 


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Der Freund der Toten von Jess Kidd

Mai 23, 2017






(Original: "Himself" / 2016) DuMont Verlag, Übersetzer/in: Klaus Timmermann und Ulrike Wasel (aus dem Englischen), 384 Seiten, gebunden,  ★★★(★) 3 bis 4 Sterne 
"Der charmante Gelegenheitsdieb und Hippie Mahony glaubte immer, seine Mutter habe ihn aus Desinteresse 1950 in einem Waisenhaus in Dublin abgegeben. Sechsundzwanzig Jahre später erhält er einen Brief, der ein ganz anderes, ein brutales Licht auf die Geschichte seiner Mutter wirft. Mahony reist daraufhin in seinen Geburtsort, um herauszufinden, was damals wirklich geschah. Sein geradezu unheimlich vertrautes Gesicht beunruhigt die Bewohner von Anfang an. Mahony schürt Aufregung bei den Frauen, Neugierde bei den Männern und Misstrauen bei den Frommen. Bei der Aufklärung des mysteriösen Verschwindens seiner Mutter hilft ihm die alte Mrs Cauley, eine ehemalige Schauspielerin. Furchtlos, wie sie ist, macht die Alte nichts lieber, als in den Heimlichkeiten und Wunden anderer herumzustochern. Sie ist fest davon überzeugt, dass Mahonys Mutter ermordet wurde. Das ungleiche Paar heckt einen raffinierten Plan aus, um die Dorfbewohner zum Reden zu bringen. Auch wenn einige alles daran setzen, dass Mahony die Wahrheit nicht herausfindet, trifft er in dem Ort auf die eine oder andere exzentrische Person, die ihm hilft. Dass es sich dabei manchmal auch um einen Toten handelt, scheint Mahony nicht weiter zu stören … "


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Mulderrig ist ein Dorf wie kein anderes. Hier sind die Farben ein kleines bisschen leuchtender, und der Himmel ist ein kleines bisschen weiter. Hier sind die Bäume so alt wie die Berge, und ein klarer Fluss fließt ins Meer. Seine Einwohner bleiben von Geburt an hier, bis sie sterben. Wieso sollten sie auch, wo doch alle Straßen, die nach Mulderrig führen, bergab gehen, sodass das Fortgehen anstrengend und mühsam wäre?“  S.10

Mit der sich letzten schließenden Seite des Romans, endete sicherlich nicht meine Gedankenkette, die sich verselbstständigt hat. So bunt und exotisch das Cover wirkt, so ist auch die Geschichte mit diesen Adjektiven gut getroffen. Die Charaktere sind sehr vielseitig. Sie verbergen alle etwas Persönliches von den anderen Bewohnern und unter ihnen befindet sich nun gleichzeitig ein "Neuankömmling", der Protagonist Mahony. Erzählt wird hier einerseits aus seiner Gegenwart (ab April 1976), wie auch aus Kapiteln, welche die Vergangenheit erläutern (1950). Ich muss zugeben, dass mir die Figuren an sich und auch im Kollektiv des Dorfes gut gefallen haben, da sie einfach aus üblichen Büchern herausstechen. Allerdings fiel es mir zum Ende hin merkwürdigerweise zunehmend schwieriger die Schicksale und Merkmale der Figuren auseinanderzuhalten.
Zu Beginn des Buches ist man durchaus schon ab der ersten Seite gebannt, da man "Augenzeuge" eines Verbrechens wird. Schlussfolgernd lassen sich daraus auch neue Hinweise, aus den noch bevorstehenden Kapiteln, neu zusammensetzen. Natürlich ist man als Leser auch durchaus angetan, selbst der wahren Lösung auf die Spur zu kommen. 
Obwohl sich die Suche nach der Wahrheit nicht gänzlich als Fokus zurückstellt, fiel mir als Leserin vor allem die Sprache (in Anbetracht der Übersetzung) auf. Alles ist sehr bildlich beschrieben, sodass man sich förmlich selbst in diesem irischen Dorf befindet, welches zusätzlich ein Urwald-Gefühl heraufbeschwört und durch sehr fantasievolle, wie auch teilweise märchenhafte Einschübe besticht. Diese Eindrücke entstehen sicherlich vor allem und auch gezielt durch die Komponente der Fähigkeit des Protagonisten, Tote Lebewesen (Menschen wie auch Tiere) wahrzunehmen. Es entsteht also ein etwas unheimliches Gefühl, welches sich während des gesamten Romans nicht verflüchtigt. 
Die Atmosphäre des Romans ist sehr eigensinnig, da man das Gefühl hat, dass er tatsächlich ein Eigenleben hat. Naturbeschreibungen stehen oftmals im Vordergrund, Wetterverhältnisse werden als Omen gedeutet und natürlich nimmt dies Einfluss auf die Handlung, aber irgendwie verschmilzt dieses Gefühl mit der Annahme, dass das Buch eine ganz besondere Wirkung auf den Leser ausübt, undzwar losgelöst von den Geschehnissen.

"Wenn sie sehen könnten, was ihm folgt, tja, dann würden sie sich nicht über das Tempo seiner schritte wundern. Die Toten zieht es nämlich zu denen, deren Herz gebrochen ist.“  S.238

Bis zur letzten Seite hielt mich der Roman also in seinen Fängen. Wie bereits angedeutet zum einen durch den Sprachstil, zum anderen aber natürlich auch durch die sehr kuriosen Einfälle, Figuren, aber auch spannenden Komponenten. Dieser "Krimi-Aspekt" wirkte für mich zeitweise fast so wie eine Runde des Spiels "Cluedo", allerdings kann ich gar nicht sagen, in wieweit mir diese Mischung aus ernster Vergangenheitsbewältigung und neuzeitlicher Sherlock Holmes Ermittlung gefallen hat. Sicherlich passt dieser Bruch ganz gut, um die Erzählung nicht zu schwer wirken zu lassen, an manchen Stellen fragte ich mich aber leider auch, ob dadurch nicht eine gewisse Ernsthaftigkeit verloren ging, die durchaus in vielen Passagen vorhanden ist.
Das Buch hat meine Meinung also durchaus gespalten. Ebenso fand ich einige Einschübe, bezüglich der Besonderheit des Protagonisten recht unschlüssig. Eine seiner Affären blieb irgendwie im Raum hängen und hatte für mich eher den Effekt, dass man sich als Leser fragt, worauf der Text nun hinaus möchte. Ebenso hadert man manchmal mit etwas grausamen Schilderungen von Tiertötungen. Andere Einfälle wiederum konnten mich aber auch begeistern. Die Darstellung der "Totenwelt", die sich stark mit der der Lebenden vermischt, ist wirklich gut umgesetzt, vorausgesetzt man hat als Leser keine Schwierigkeiten damit, sich von gewissen Grenzen loszureißen.
Die Gefühlswelt an sich blieb für mich etwas distanziert, da ich mit Mahony als Protagonist nicht gänzlich sympathisieren konnte. Andere Figuren hingegen, wie zum Beispiel das Mädchen Ida, sorgen dafür, dass man durchaus eine nähere Verbindung zu den Schicksalen aufbauen kann. So paradox es klingt, wird zwischen den düsteren Geheimnissen der Bewohner auch mit sehr lustigen Einschüben gespielt. An der ein oder anderen Stelle musste ich tatsächlich grinsen, wobei ein "Gag" meiner Meinung nach auch etwas zu ausgeschlachtet wurde.


"Mahony runzelt die Stirn. ´Wollen Sie damit sagen, ich soll aufhören, Fragen zu stellen?´

          ´Ich will damit sagen, dass dir die Antworten vielleicht nicht gefallen werden." S.119

Der Roman lässt sich gar nicht so recht griffig kategorisieren, weil er Bestandteile aus verschiedenen Genres, Themen und skurrilen Überlegungen beinhaltet. Als langweilig empfand ich ihn zwar absolut nicht, allerdings traten bei mir durch die sehr vielen Charaktere und Vergangenheiten einige Verwirrungen hinsichtlich der eigentlichen Bedeutung auf. Grundsätzlich ist der Roman eher düster, er spielt mit den Grenzen des Vorstellbaren, besteht aus dennoch witzigen Passagen und versucht gleichzeitig einen scheinbar vertuschten Mord aufzudecken. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es daher zu überladen fand und mich eher von den eigentlichen Ideen und Formulierungen habe beeindrucken lassen, oder ob die Autorin hiermit wirklich etwas ganz Neues geschaffen hat, das dieses Überladene einfach braucht, um die Erzzählung lebendig zu machen.

























Vielen Dank an den DuMont Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


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Für dich würde ich sterben von F. Scott Fitzgerald

Mai 17, 2017








(Original: "I´d Die for You" / 2017) Hoffmann und Campe Verlag, Übersetzer/in: Gregor Runge, Andrea Stumpf und Melanie Walz (aus dem Amerikanischen), 496 Seiten, gebunden,  ★★ 4 Sterne 
"Eine literarische Sensation. Neu entdeckte Erzählungen von F. Scott Fitzgerald. Der Traum von Ruhm und Geld, das Streben nach persönlichem Erfolg, die Mystifikation der Frau und der Liebe, rauschende Partys, Höhenflüge und Abstürze ins Bodenlose – das waren die Themen seines Lebens und seines Werks. Am Ende hatte F. Scott Fitzgerald, der umschwärmte Erfolgsautor, sein Publikum verloren. Kaum einer erinnerte sich an ihn, einen der bestbezahlten Story-Schreiber der zwanziger Jahre. Und kaum eine Zeitschrift wollte seine Erzählungen drucken. Man erwartete noch immer Geschichten über junge Liebende von ihm. Aber Fitzgerald wollte sich nicht beschränken. Änderungsvorschläge lehnte er meist ab. So blieben viele Erzählungen bis heute unveröffentlicht. Nun erscheinen sie endlich: 14 abgeschlossene Storys, drei Filmskizzen und ein Fragment – im unnachahmlichen Fitzgerald-Ton. Eine literarische Wiedergutmachung. "


MEINE MEINUNG | FAZIT

"´Früher habe ich Sie für einen Gentleman gehalten´, sagte Mrs. Caldwell.
     
       ´Ich mich auch - muss mich geirrt haben.´ “  S.164

Schriftsteller wie F. Scott Fitzgerald zählen zu den Klassikern schlechthin. Neu entdeckte Erzählungen zu lesen sind daher meist eine etwas knifflige Angelegenheit. Man erwartet Großes, weiß aber auch, dass sich solche Fundstücke schnell als überschätzt herausstellen können. Als ich die erste Erzählung begonnen habe zu lesen, habe ich mich also darauf eingelassen auch enttäuscht werden zu können. Dennoch muss ich sagen, dass mich die Erzählungen gut unterhalten haben.
Vielleicht auch hilfreich zu erwähnen, dass ein recht ausführlicher Anhang (knapp hundert Seiten) angefügt wurde, der gewisse Bezeichnungen, Namen oder andere Dinge erläutert, die für die Geschichten nützlich sein können. Der Anhang zeigt aber auch noch einmal auf, in welcher Lebensphase sich Fitzgerald zu der Zeit, als die Erzählungen entstanden sind, befand. Ich persönlich finde solche Zusatzinformationen beinahe genauso spannend, wie die Erzählungen an sich. Dadurch lassen sich nämlich die Fundstücke in einen etwas größeren und persönlicheren Kontext bringen.
Mich hat überrascht, dass die Erzählungen dennoch alle in dieselbe Richtung gehen. Viele Protagonisten haben ärztliche Eigenschaften und auch das Thema "Liebe" steht natürlich irgendwie immer im Fokus. Dafür war Fitzgerald ja auch sehr bekannt. Mir gefiel aber auch der Hinweis in den Anhängen, dass die Erzählungen auch zunehmend ironische Komponenten aufgreifen und der Autor damit gewisse Ansichten seiner Gesellschaft in Frage stellt oder auch kritisch darstellt.

"´Mädchen müssen auf eine Gelegenheit warten´, sagte er plötzlich. ´Männer müssen sich ihre Gelegenheiten selbst schaffen, hat mein Lehrer immer gesagt.´“  S.184

Für mich ist es tatsächlich so, dass ich gar nicht viel über die Erzählungen sagen kann. Und man will auch teilweise gar nicht so viel darüber verlieren, weil sich das Interesse auch allein auf das Lesen ausbreitet. Es macht einfach "Spaß" sich den teilweise einfallsreichen Handlungssträngen und Ideen von Fitzgerald hinzugeben und sich von den wechselnden Figuren verzaubern zu lassen. Einige Texte sind länger und haben etwas Träumerisches an sich, wie man es von anderen Geschichten her schon kennt, andere wiederum greifen wie gesagt unterhaltsamere Töne auf. Grundsätzlich fand ich es aber auch sehr passend, dass der gesamte Band "Für dich würde ich sterben" benannt wurde. Nicht nur, weil mir die Erzählung, die den gleichen Namen trägt, unteranderem am meisten gefallen hat, sondern auch weil alle Geschichten tatsächlich auf irgendeine Art und Weise auf diesen Satz zurückzuführen sein könnten. Ja, die Liebe die zieht hier mal wieder alle Register. 
Dennoch findet man auch Fragmente, die sich eher wie ein Drehbuch lesen. Auch hier wird wieder (im Anhang) eine Verknüpfung zu seiner privaten Schaffenskrise gezogen, was einfach ein vielleicht nicht komplett neues, aber dennoch erweitertes Bild des Autors erschafft. Einige Erzählungen oder auch übernommene Ausrücke fand ich vielleicht etwas unangemessen, denn Begriffe wie "Neger" wurden in der Übersetzung nicht an die heutige Sprachwahl angeglichen, da muss wohl jeder für sich selbst einschätzen können, in wieweit die Originalform interessant erscheint und diese beibehalten werden sollte. Tatsächlich aber verliert man sich ein wenig in den Erzählungen und ich finde, man hat sie viel zu schnell ausgelesen, was im Nachhinein natürlich ein sehr positiver Eindruck ist.

"´Ich bin nicht betrunken, wirklich nicht, aber er hat mir mit allem Drum und Dran das Herz gebrochen, und die Symptome sind in etwa die gleichen.´" S.270

Erzählungen eines großen, wenn auch kritisierten Schriftstellers, die man mit Vergnügen liest. Hauptthema scheint hier deutlich wieder die Liebe zu sein, dank reichlicher Informationen im Anhang erfährt man aber näheres über eventuelle ironische Bemerkungen oder private Zusammenhänge. Mich haben die Geschichten wunderbar unterhalten, wenn es auch oftmals an Kleinigkeiten oder gezielten Textpassagen oder Aussagen der Protagonisten lag, die das Ganze "besonders" gemacht haben. Für Fans des Autors sicherlich empfehlenswert, aber auch für Leser, die sich für Erzählungen interessieren, die recht einfallsreich sind und eine spezielle amerikanische Lebensphilosophie thematisieren.

























Vielen Dank an den Hoffmann und Campe Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


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Currently reading: Nabokov, Fitzgerald, Dickinson

Mai 13, 2017





Dass ich Bücher parallel lese, ist eigentlich eine wirkliche Seltenheit. Ich bin schlecht darin, die gelesenen Romane,  Gedichte oder Erzählungen dann komplett voneinander zu trennen. Schnell merke ich dann, dass ich überlegen muss, ob dieses eine Zitat, das hängen blieb nun in diesem oder einem anderen Buch geschrieben stand.
Ab und zu passiert es aber, dass man auch durch die Uni mehrere Bücher gleichzeitig lesen muss. Dieses Semester ist es bei mir deutlich stärker vertreten und daher hat sich ein kleiner "Currently reading" Beitrag angeboten.

Als Hauptlektüre für ein Seminar habe ich mich zu Vladimir Nabokovs "Lolita" hinreißen lassen. Es ist ein Klassiker und er stand auch schon immer auf meiner "Würde ich gerne lesen"-Liste, bis jetzt habe ich das aber wie immer etwas aufgeschoben. Nun bin ich mittlerweile schon bei der Hälfte angekommen und kann durchaus die vielen Stimmen zu dem Buch nachvollziehen. Beginnend von der recht großen Kritik hinsichtlich des eigentlichen Themas, wie aber auch der gekonnten und stark präsenten Intertextualität des Romans. Genau dieser Aspekt wurde auch bereits etwas im Seminar angesprochen. Bezug genommen wird durchaus auch auf Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre". Nicht überraschend also, dass auch dieses Buch bei mir eingezogen ist und ich es nach "Lolita" beginnen möchte.

In anderen Seminaren stehen ebenfalls interessante Lektüren auf dem Plan, wie zum Beispiel Thomas Melles "Die Welt im Rücken" oder Wolfgang Herrendorfs "Arbeit und Struktur". Begonnen habe ich damit zwar noch nicht, aber ich bin mir sicher, dass sich auch da ein Parallel-Lesen nicht verhindern lassen wird.

Ansonsten habe ich abseits der Uni noch mit zwei weiteren Büchern begonnen. Zum Beispiel auch mit F. Scott Fitzgeralds "Für dich würde ich sterben". Wirklich weit bin ich hier noch nicht, denn lediglich die erste Erzählung habe ich bisher geschafft, aber diese hat mir schon ganz gut gefallen. Sollte sich der Stil der Erzählung auch in den nächsten Geschichten fortsetzen, wird mich die "Neuentdeckung" sicherlich nicht enttäuschen.
Nebenbei lese ich dann immer mal wieder kurz vor dem Einschlafen die ausgewählten Gedichte von Emily Dickinson. Allerdings bin ich hier wieder einmal etwas zu blauäugig an die Sache herangegangen. Selbst bei deutschen Gedichten brauche ich immer schon etwas mehr Zeit, um wirklich die Intention dahinter zu verstehen und die ganzen Metaphern einzufangen. Bei den englischen Gedichten dauert es also natürlich noch etwas länger. Zudem schlage ich die Interpretation dazu noch zusätzlich im Internet nach, weil mir einige Zeilen nicht schlüssig sind. Das kleine Buch wird mich also sicherlich noch eine ganze Weile begleiten. Die Gedichte einfach runterzulesen und sich anschließend zu fragen, was man da eigentlich gelesen hat finde ich eindeutig zu schade. Ich merke aber, dass mir die Erzählweise der Gedichte sehr zusagt. Sie haben einen recht "leichten" Ton, thematisieren aber durchaus auch ernstere Themen.

Lest ihr die Bücher lieber nacheinander oder braucht ihr die mehrere Lektüren und die Unterschiede der jeweiligen Bücher, um euch nicht zu "langweilen"?



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Unvollkommene Verbindlichkeiten von Lena Andersson

Mai 10, 2017






(Original: "Utan personligt ansvar" / 2014) Luchterhand Verlag, Übersetzer/in: Gabriele Haefs (aus dem Schwedischen), 382 Seiten, gebunden,  ★★(☆) 4 bis 5 Sterne 
"Nichts ist komplizierter als die Beziehung zwischen Mann und Frau. Das muss auch Ester Nilssons feststellen, Mitte dreißig und von Beruf Journalistin und Dichterin. Fünf Jahre sind vergangen seit ihrer unglücklichen Liebesbeziehung mit dem Künstler Hugo Rask, und Ester hat sich vorgenommen, dass ihr so etwas nie mehr passieren wird: einen Mann zu lieben, der sich nicht festlegen und ganz zu ihr bekennen will. Dann trifft sie bei einer Theaterprobe den Schauspieler Olof und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Olof macht kein Geheimnis daraus, dass er verheiratet ist. Trotzdem trifft er Ester. Die beiden gehen eine Beziehung ein, von der Olof behauptet, es sei keine. Er hat schließlich nicht vor, seine Frau zu verlassen. Also worauf wartet Ester?"


MEINE MEINUNG | FAZIT

"Ester Nilsson hatte psychologischen Realismus angestrebt, und ihrer Ansicht nach war ihr das auch gelungen, aber die Kritik bezeichnete ihr Werk als Absurdismus.“  S.8

Man muss Lena Anderssons Roman "Widerrechtliche Inbesitznahme" zwar nicht zwingend kennen, um diesem Roman folgen zu können, aber es bringt den Vorgänger auf ein neues Level. Das Buch thematisiert eine neue Liebe der Protagonistin Ester Nilsson, wobei das Wort "Liebe" hier eine ganz eigene Dynamik und Bedeutung bekommt. 
Der Leser folgt einem verzwickten Spiel, das beide Partner spielen. Wie bereits in der Inhaltsangabe angedeutet, liegt das Problem dieser Beziehung darin, dass Olof, Esters große Liebe, verheiratet ist. Nun könnte man annehmen, dass Lena Andersson diese Pattsituation so darlegt, wie es gewöhnlich in Romanen abläuft. Und zum Teil muss man sich vielleicht auch eingestehen, dass es so ist. Denn es gibt ein ständiges Hin und Her, was die Definition und den Beziehungsstatus der beiden angeht. Die Protagonisten sorgen dabei für Kopfschütteln, für innerliche Wutausbrüche und paradoxerweise einen gewissen Anteil an Verständnis für die bizarren Handlungen, die beschrieben werden.
Man wird in eine Welt des seelisch selbstzerstörerischen eingeladen, das man am liebsten ganz schnell von sich abschütteln wollen würde, was einen aber dennoch immer wieder in einen Sog zieht und dafür sorgt, dass diese wirklich ständigen Wiederholungen von Annäherung und Abstoßung nicht "langweilig" werden. Es ist diese Kombination aus ewigem Wiederkehrenden, das scheinbare nicht Durchbrechen von Mustern und aber der doch reflektierten und sehr psychologischen Entwicklung Esters mit jedem weiteren "Rückfall". Es ist wahnsinnig spannend zu sehen, wie sich diese dem Leser scheinbar offensichtliche Sturheit und Verbissenheit der Protagonisten und des daraus folgenden Unglücks, immer in neue Wege abzweigt. Man denkt, man wisse alles, was noch folgen wird und dann kommt die Autorin aber mit neuen psychologischen und wunderbar bildhaften Vergleichen der "Beziehung", das man sich selbst in diesem Kreislauf gefangen sieht. Man will aus dem Geschriebenen ausbrechen, weil man denkt, es kommt nichts Neues mehr und wird dann wieder vom geschickt neu eingeworfenen Gedanken zurückerobert.

"Schwach ist der Teil, der zu viel will, stark ist der, dem es mehr oder weniger egal ist.“  S.78

Ich kann nicht leugnen, dass mir die gleiche Protagonistin, da auch schon aus vorherigem Buch bekannt und trotz der präsenten Naivität, als gut gewählt erscheint. Auch hier könnte man meinen, dass sich alles wiederholt, dies trifft aber nicht zu. Die Protagonistin findet neue Ansätze, welche die Problematik gewisser Beziehungskonstellationen ganz gut neu darlegen. Es ist tatsächlich so, dass man mit ihr mitfühlt, man ihr Ratschläge geben möchte, obwohl man weiß, dass diese Abprallen werden. Der auch hier aufgeführte "Frauenchor" bestehend aus ihren Freundinnen, leistet nämlich auch hier wieder gute Arbeit. Es zeigt aber dieses Musterverhalten ganz gut auf, was durch den Austausch der Protagonistin sicherlich nicht so gut gelungen wäre. 
Es ist aber auch so, dass ich an vielen Stellen die Andeutungen als zwiespältig empfunden habe, vor allem zu Beginn. Man muss sich erst ein wenig zurechtfinden, in wieweit man Esters Sicht und ihrer "Abhängigkeit" zu Olof trauen kann, sprich in wie weit ihre Wahrnehmung der Nähe und des Abstandes zutrifft. So ist es auch nicht überraschend, dass das Buch zwar einerseits eine scheinbar oberflächliche Betrachtung einer problematischen Beziehung aufzeigt, aber wenn man daran interessiert ist und die vielen psychologischen Äußerungen stärker integriert, auch eine sehr intelligente und kompliziertere Erklärung bereithält. Es ist auch hier wieder ein Spiel zwischen Offensichtlichem und Verborgenem, das man zu deuten wissen oder besser gesagt versuchen muss.

"Sehen wir uns doch nur die Strategie an, mit der Gott das Interesse der Menschen festhält. Niemand hat die Psychologie von Abhängigkeit und Doppelbindung so gut durchschaut wie er. Er weiß, wie man Menschen mit genau der richtigen Dosis Liebe und Kälte an sich bindet, damit sie sich niemals losreißen können, damit er niemals verlassen wird. Und die Menschen richten sich so ein, dass sie niemals aufhören müssen, ihren Retter zu lieben und zu brauchen." S.287

Sehr intelligenter, wenn auch stark psychologischer Roman über die Verhaltensmuster einer (problematischen) Beziehung. Spielt auf verschiedenen Ebenen mit Nähe und Distanz und sorgt für einen Lesesog. Man muss sich aber auch auf die Zwischenrtöne einlassen können, sonst könnte einem die bloße Handlung zu "einfach" vorkommen. Mich konnte Lena Andersson aber erneut überzeugen.

Vielen Dank an den Luchterhand Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!


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Puffin Classics: V&A Collector´s Edition

Mai 06, 2017




Es gibt sie in den verschiedensten Ausführungen: Klassiker. Mal bunt, mal schlicht, mal illustriert und mal nicht. Das Verlagshaus "Penguin" bringt in schon beinahe regelmäßigen Abständen immer mal wieder gebündelte Ausgaben einiger Klassiker heraus (zuletzt waren zum Beispiel die "Puffin in Bloom" Bücher sehr erfolgreich), die mich aber immer wieder staunen lassen.
Seit knapp einer Woche sind die neuesten Editionen nun im Handel erhältlich. Hier handelt es sich um das Imprint "Puffin Books", welches gezielt Kinderklassiker verlegt, sodass die Ausgaben derzeit nur in Englisch erhältlich sind. Mit dabei sind folgende Kinderklassiker: "Alice´s Adventures in Wonderland", "Little Women", "The Secret Garden", "The Wind in The Willows" und "Anne of Green Gables". Die Besonderheit der Ausgaben ist nicht zwingend die innere Gestaltung, sondern die äußere. In Kooperation mit dem V&A (Victoria & Albert) Museum, welche unter Einbindung der bekannten Muster von William Morris die Cover gestaltet hat, ist dem Verlag, wie auch dem Museum meiner Meinung nach etwas ganz Tolles gelungen. Die Kinderklassiker sind ein kleiner Hingucker, nicht zuletzt durch die Goldfolienprägung und die ganz spezielle Struktur des Umschlags. 
Ein kleiner Nachteil daran ist lediglich, dass man vorsichtig mit den Büchern umgehen muss, wenn man möchte, dass sie lange schön aussehen. Die Ecken sind empfindlich und können so schnellere Abnutzungen aufweisen. Wirft man sie aber nicht gerade quer durch den Raum, so sollte man aber keine Angst vor einem normalen Lesevorgang haben.

Die Bücher kommen an sich in ihrer üblichen Form daher. In "The Secret Garden", "Alice in Wonderland" und "The Wind in the Willows" lassen sich zudem einige, kleine Illustrationen finden. Die Rückseite ist bei jedem Buch ebenfalls durch eine Illustration mit passendem Zitat ausgeschmückt worden. 
Damit ihr euch noch einen etwas besseren Eindruck über die Bücher verschaffen könnt, verlinke ich euch gerne die offiziellen Seiten des Verlags (englisch).
        
        » "Anne of Green Gables" von L.M. Montgomery
        » "The Wind in The Willows" von Kenneth Grahame
        » "Alice´s Adventures in Wonderland" von Lewis Carroll
        » "Little Women" von Louisa May Alcott
        » "The Secret Garden" von Frances Hodgson Burnett

und auch die offizielle Seite des V&A Museum, denn hier sind die Bücher etwas "realer" dargestellt.

Zusätzlich hat der Verlag auf Youtube noch ein sehr schönes Video geteilt, das die Bücher noch einmal auf sehr kreative Art und Weise vorstellt. HIER könnt ihr euch das Video ansehen.

Gefallen euch die neuen Ausgaben der Klassiker? Sind euch solche zusammengehörigen Exemplare lieber und besitzt ihr auch mehr als eine Ausgabe eures Favoriten? Oder sind euch solche Neuauflagen eher unwichtig und für euch uninteressant?




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