Hool von Philipp Winkler

Dezember 30, 2016



(Original: "-" / 2016) aufbau Verlag, Übersetzer/in: -, 312 Seiten, gebunden,  Einzelband, ★★★(★) 3 bis 4 Sterne 

"Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben.“


MEINE MEINUNG | FAZIT 

"Alles immer so dermaßen zugeschissen mit Menschen. Eng auf eng. Auch so ein Grund, warum das ganze Ultrading nie was für mich gewesen wär.“  S.70

Der erste Eindruck und Gedanke, welcher mir vor Beginn des Buches zum Thema "Hooligans" in den Sinn kam, war der, den ich durch den gleichnamigen Film kannte, der vor einigen Jahren erschien. Männer, die sich unnötigerweise zusammenschlagen und auch nicht damit aufhören können. Passenderweise beginnt auch "Hool" mit solch einer Kampfszene. Schnell wird aber deutlich, dass es in diesem Buch um durchaus mehr geht. Im Mittelpunkt des Ganzen steht Heiko. Er verkörpert für mich aber keinesfalls den "typischen Hooligan", obwohl er mehr als alle anderen an dieser "Familie" festzuhalten scheint. Sehr bedrückend und auch knallhart wird hier aus Heikos Ich-Perspektive sein Leben in voller Breiter dargelegt. Die Sprache ist frech, umgangssprachlich, rabiat und typisch männlich. Darunter verbergen sich aber gleichzeitig auch eine Verletzlichkeit und die Sehnsucht nach einer vielleicht sogar spießigen Familie, die Halt geben kann. Merkwürdigerweise bekam ich also rein inhaltlich etwas doch recht anderes geboten, als ich zunächst annahm. Natürlich stehen die organisierten Kämpfe der Fußballteams irgendwie im Vordergrund, es geht um Rivalität und Machtausübung, genauso wie um Kennzeichnung des eigenen "Territoriums" und Stolzes und auch um das für den Außenstehenden sinnfreie "Verkloppen". Hinzu kommt aber auch eine Darstellung dessen, wonach sich Menschen sehnen, die nicht das Glück hatten, eine funktionstüchtige Familie zu haben und sich stets nach Zugehörigkeit gesehnt haben.

"So richtig darauf antworten konnte ich ihm auch nicht. Schätze, man stumpft halt nach ´ner Zeit ab. blendet gewisse Dinge aus. Na ja, was solls. Ist, wies ist.“  S.81

Letzten Endes gehe ich mit dem Buch aber mit sehr gemischten Gefühlen auseinander. Zum einen haben mir die Thematik und das alleinige Ansprechen dieser "Hools", wie auch die hypothetische Annahme, dass sich hinter all diesen "missverstandenen Seelen" verletzliche Menschen finden lassen, gut gefallen, zum anderen auch die Darstellung und der Einbezug der kuriosen Geschäfte des Onkels und Heikos Mitbewohners. Diese lassen das Buch auf einer anderen Ebene ebenfalls interessant erscheinen. Kurz angedeutet also: Der Umgang mit (wilden) Tieren, Recht und Unrecht unterscheiden zu können und auch die kriminellen Seiten, die es in Deutschland natürlich (versteckt) zu geben scheint, sind in dem Roman zu verpackt. Mir stellte sich dennoch etwas die Frage, in wie weit man "Hooligans" nun mit anderen Augen sieht. Auch wenn die Protagonisten in der Geschichte als gar nicht so schlechte Menschen beschrieben werden und es auch positive Wandlungen gibt, bleibt es doch irgendwie eine Gruppe, die man lieber meidet, die man dennoch nicht ganz verstehen kann, auch wenn man ahnt, dass etwas hinter dieser ganzen Maskerade steckt. So finde ich das Buch durchaus sehr gelungen und es bietet einen ganz authentischen Blick in eine Welt, die schmerzhaft ist, in beiderlei Hinsicht: körperlich und seelisch, welche man aber (wenn man es sich ganz ehrlich eingesteht) gerne wieder schnell zuklappen würde, weil sie einen mit einer gewissen Härte trifft.

"Und doch bin ich jetzt hier. Denn wenn mein Onkel sagt, spring, dann springe ich." S. 192

Stark, gefüllt mit harten Worten und umso härteren Schicksalen. Nicht nur Heiko steht mit seinen Schwierigkeiten und Sehnsüchten im Mittelpunkt, sondern auch seine Freunde. Dadurch wird zum einen ein ganz gutes Bild der Hooligan-Szene skizziert, zum anderen tauchen aber auch verstärkt sehr persönliche und auch familiäre Schwerpunkte auf. Es ist eine Geschichte, die polarisiert, vieles in Frage stellt und die einen wirklich nicht unbefangen zurücklässt, auch wenn die anfänglich rabiate Sprache das vermuten lassen könnte.


Vielen Dank an den aufbau Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


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