Bis ans Ende der Geschichte von Jodi Picoult

September 06, 2015



(Original: "The Storyteller") von Jodi Picoult,  C. Bertelsmann, Hardcover,  Einzelband,  ★★★★  5 Sterne

"Sage Singer ist eine junge Bäckerin. Sie hat ihre Mutter bei einem Autounfall verloren und fühlt sich schuldig, weil sie den Wagen gelenkt hat. Um den Verlust zu verarbeiten, nimmt sie an einer Trauergruppe teil. Dort lernt sie den 90jährigen Josef Weber kennen. Trotz des großen Altersunterschieds haben Sage und Josef ein Gespür für die verdeckten Wunden des anderen, und es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft. Als Josef ihr eines Tages ein lang verschwiegenes, entsetzliches Geheimnis verrät, bittet er Sage um einen schwerwiegenden Gefallen. Wenn sie einwilligt, hat das allerdings nicht nur moralische, sondern auch gesetzliche Konsequenzen. Sage steht vor einem moralischen Dilemma: Denn wo befindet sich die Grenze zwischen Hilfe und einem Vergehen, Strafe und Gerechtigkeit, Vergebung und Gnade?"

Hinweis: Die Inhaltsangabe macht keine genaueren Angaben zum eigentlich behandelten Thema. Wer sich demnach wirklich  "überraschen", sprich nicht spoilern lassen möchte, dem empfehle ich selbst in die Geschichte einzutauchen und vielleicht im Nachhinein meine Rezension zu lesen, wobei ich auch hier versuchen werde nicht zu spoilern. Die verborgene Thematik kann ich aber leider nicht außer Acht lassen.


MEINE MEINUNG | FAZIT

"In jedem von uns steckt ein Ungeheuer, in jedem von uns steckt ein Heiliger. Die wahre Frage ist die, welchen von beiden wir befördern und welcher den anderen vernichten wird." S. 138
Es gibt Bücher, über die man nicht viel sagen kann, weil sie einen nicht berührt haben und nichts in einem ausgelöst haben. Es gibt aber auch Bücher, über die fällt es schwer etwas zu sagen, weil sie einen so überwältigt haben, dass man gar nicht weiß, wo man beginnen soll, zu erzählen. Eines solcher Bücher ist definitiv Jodi Picoults Geschichte "Bis ans Ende der Geschichte". 
Obwohl das Buch mehrere Komponenten miteinander vereint ist das Hauptthema, welches hier anesprochen wird, der Holocaust. Ein Thema, mit dem man immer sensibel umgehen möchte und bei dem man immer wieder den Atem anhält, wenn es um die schrecklichen Taten dieser Zeit geht. Jodi Picoult jedoch erzählt schonungslos die Gräueltaten, die sich in den Konzentrationslagern zugetragen haben. Im Fokus stehen hier zum einen Minka, die Großmutter der Protagonistin Sage und Josef, ein zunächst unscheinbarer, älterer Mann, den Sage in einer Trauergruppe kennenlernt. Nach und nach ergibt sich aus den Erzählungen dieser beiden Personen eine Geschichte, die deren Vergangenheit aufwirft und die für den Leser an vielen Stellen nicht leicht zu "ertragen" ist. Ich musste mich wirklich an vielen Stellen fangen, um weiterlesen zu können. Oft wirken die Beschreibungen nämlich so real, als wären sie aus einem vorhandenen Tagebuch entsprungen. Dies kann natürlich dadurch entstanden sein, da sich die Autorin, wie auch im Anhang erwähnt, sehr lange und ausführlich mit den unterschiedlichsten Quellen auseinandergesetzt hat und auch Zeitzeugen hinzugezogen hat. Man kann diese Geschichte unmöglich lesen und dabei nichts empfinden. Dies ist aber nicht nur auf die schlimmen Passagen zurückzuführen, denn das Buch bietet eben auch die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen, was die Bedeutung eines Hoffnungsschimmers ist und inwieweit man die Möglichkeit hat zu "verzeihen". Steht es einem Menschen überhaupt zu, dies zu tun? Die Geschichte spielt zudem sehr auf die moralischen Empfindungen der Leser an. Kann man sich als "Außenstehender" überhaupt ein legitimes Urteil bilden? Mit diesen Fragen habe ich mich durch das Buch auch selbst konfrontiert. Jeder weiß genug über diese Zeit, zumindest reden wir uns das ein, um die damalige Lage zu verstehen. Aber so wie die Hauptfigur, bin auch ich erst in den mittleren zwanzigern und habe bisher nie wirklich mit jemandem darüber gesprochen, der es vielleicht ansatzweise miterlebt haben könnte. 

"Junge Menschen, die man heute über den Holocaust aufklärt, wollen nichts davon hören, weil es angeblich Schnee von gestern ist." S. 234

Das Buch wird zudem gekonnt mit einer von Minkas selbst geschriebenen Geschichten in Verbindung gesetzt. Diese dient als Metapher und als Rettungsanker für Minker und ihre Mitmenschen. Ich mochte zudem die Entwicklung der Geschichte durch den Ermittler Leo, welcher in einigen Einschüben auch zu Wort kommt. Mir gefiel die gesamte Erschaffung der Figur Sage und deren Liebe zur Bäckerei, wie auch ihrer Konfrontation mit dem Schicksal ihrer Großmutter. Nicht zu vergessen ist natürlich, dass das Buch, in einer gewissen Weise, was das Thema betrifft, stets aktuell ist.
Zwischen den Erzählsträngen, die die Erlebnisse der Großmutter oder Josef aufzeigen, tritt Sage immer als Zwischendistanz auf, die auf die Bitte von Josef zurückgreift. Ich werde nicht genau sagen, was die Bitte von Josef beinhaltete, jedoch wird man immer wieder selbst gefragt, was man an Sages Stelle unternehmen würde. Besonders der Schluss lässt einen an allem noch einmal zweifeln, weil man sich nie in der Lage fühlt, die Situation wirklich beurteilen zu können. Wie man unschwer erkennen kann, kommt man kaum zu den, im Buch vorhandenen Nebensträngen, wie der kleinen Liebesgeschichte oder den unfassbar sympathischen Nebencharaktären, wie Rocco, dem Verkäufer in der Bäckerei, da man wirklich an diesem schweren Schicksal von Minka zu kämpfen hat. Nichtsdestotrotz lege ich dieses Buch jedem ans Herz, weil es auf seine eigene, bitterernste und brutale Art und Weise, wunderschön ist.

"Du verstehst also, warum ich meine Geschichte nie erzählt habe. Wenn man sie erlebt hat, weiß man auch, dass es keine Worte gibt, die das Erlebte auch nur annähernd beschreiben können. Und sofern das nicht möglich ist, wird man es nie verstehen." S. 429


Eine direkte Erzählweise, die jeden berührt. Eine Geschichte, die einen nicht kaltlässt und wunderbare, einzigartige Charaktere. Vereint die Grausamkeit des Holocausts mit der Frage nach der Vergebung. Man kann viel über das Buch sagen, aber am meisten erreicht man, wenn man das Buch zum lesen weiterempfiehlt!







Vielen lieben Dank an den C. Bertelsmann Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars! 

2 Kommentare:

  1. Hallo Karin, ich bins nochmal ...
    Du hast das neue Buch von Jodi Picoult sehr schön rezensiert, weißt du das? Wenn ich es nicht auch schon gelesen hätte und den Inhalt noch nicht kennen würde, dann würde ich mir das Buch direkt kaufen und lesen.
    Und da ich das Buch selbst gestern rezensiert habe, und meinen Lesern die verschiedensten Meinungen zum Buch bieten möchte, habe ich deine Rezension in meiner unter der Überschrift "Weitere Rezensionen zu vorgestelltem Buch" auf deinen Blognamen verlinkt. Ich hoffe, das ist für dich i. O.? Falls nicht, komm einfach kurz bei mir vorbei und sag mir Bescheid, dann lösche ich dich wieder raus, ja? ;) Hier wäre der Link: http://janine2610.blogspot.co.at/2015/09/rezension-bis-ans-ende-der-geschichte.html

    Alles Liebe ♥,
    Janine

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    1. Vielen lieben Dank! Ich hab nichts dagegen. :) Habe auch schon überlegt, andere Rezensionen zu verlinken, aber weiß noch nicht genau, wo ich sie platzieren soll. : D


      Liebe Grüße,
      Karin

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