Thementag #23: Wenn Bücher uns die Augen öffnen

Juli 03, 2015



"So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: ´Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleider hat! Wie schön sie sitzt!´ Keiner wollte es sich anmerken lassen, dass er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen." Zitat aus: "Des Kaisers neue Kleider", S.123, Hans Christian Andersen; Seine schönsten Märchen, garant Verlag

Jedes Buch besitzt die Fähigkeit eine Botschaft zu vermitteln. Dies gelingt dem einen Buch deutlich besser, als dem anderen. Als ich kurz nach Beginn meines Studiums wieder den Weg zur Literatur gefunden habe, fiel mir ein Buch in die Hände, welches meine Mutter mir zum Geburtstag gekauft hat. Dieses Buch eröffnete mit der Geschichte von Hans Christian Andersen, nämlich "Des Kaisers neue Kleider". Nun der erste Gedanke der mir in den Sinn kam, als ich die Geschichte gelesen habe war: "Warum hast du es so lange aufgeschoben, dir die Geschichte mal durchzulesen?". Der zweite war anschließend: "Das wird definitiv eine meiner Lieblingsgeschichten bleiben - für immer!".
Aber warum faszinieren solche Geschichten einen Leser so stark? Ich jedenfalls war damals einfach nur verblüfft von dieser schonungslosen Wahrheit und dem Vorhalten eines Spiegels der Gesellschaft gegenüber. Diese Geschichten sorgen dafür, dass man sich darüber im Klaren wird, dass man seine Zeit nicht damit verschwenden sollte, jemand anderem hinterherzuplappern, nur um nicht als "dumm" dazustehen. Diese Geschichten sind unterhaltsam und zugleich vermitteln sie einem das Gefühl, dass man sich nicht selbst verleugnen sollte. Schließlich wird man durch solch ein Verhalten, wie das der Bürger, selbst zu einem Betrüger, wie die, die vorgeben, die Kleider zu weben. Es macht keinen Sinn, sich hinter den Meinungen und anderer zu verstecken und sich mitreißen zu lassen, wenn man gar nicht so empfindet. Genau darum ist und bleibt "Des Kaisers neue Kleider" für mich, einer der Favoriten unter den Geschichten. Man liest die Geschichte und bleibt am Ende mit einem Schmunzeln zurück.

Ein weiteres Paradebeispiel für Bücher und Geschichten, die einem "die Augen öffnen", sind die altbekannten Fabelgeschichten [zum Beispiel die berühmten Fabeln von Aesop]. Allerdings fällt auf, dass sie im Gegensatz zu Andersens Geschichte deutlich "brutaler" sind. Die Tiere, die einen etwas lehren sollen, sind meist skrupellos und scheuen auch nicht davor zurück, deren Gegenüber Leid zuzufügen. Hier wird vorallem auf die enthaltene Moral hingewiesen, die dem Leser eine Hilfestellung im Leben sein soll. Auch die Fabeln erfüllen ihren Zweck und lassen den Leser über die Eigenschaften und die Verhaltensweisen der Menschen nachdenken. Allerdings habe ich persönlich das Gefühl, dass ich Andersens Geschichte deutlich stärker in Erinnerung behalten habe, als die vielen Fabeln. Doch dies ist das schöne daran. Jedes Buch hat einen anderen Effekt auf den Leser und so entscheidet auch jeder subjektiv, welches Buch ihn berührt und was er aus dem Gelesenen, als wichtig empfindet.

Da dieses Theme für mich auch eine perfekte Vorlage dafür ist, wie subjektiv auch die Rezensionen verschiedener Leser ausfallen können, möchte ich dazu noch einige Worte sagen. Man stellt sich öfters die Frage: "Wie genau entstand jetzt der Hype um dieses oder jenes Buch?", "Warum gibt es überhaupt diese Hypes?", "Und wieso finden es alle so gut, ich aber nicht?".  Eigentlich reicht es auch hier, nur einen Blick auf Andersens Geschichte zu wagen. Denn Bücherhypes entstehen erstens wohl aus dem einfachen Grund, dass das Buch wahnsinnig gut ist und es weiterempfohlen wird und es gibt die Hypes, die verursacht werden, weil das Buch überall "promotet" wird. Ich habe schon so viele Bücher gelesen, die ich für mich persönlich schön fand, mit denen andere nichts anfangen konnten. Und das ist auch gut so! Nicht jeder muss schließlich dem anderen nachplappern und sagen, das Buch verdient es, von allen gekauft und gelesen zu werden. Andersherum mochte auch ich viele Bücher nicht, die auf den Bestsellerlisten dauernd auf den oberen Rängen platziert waren. Ich denke allerdings, solange man sich und seinem Geschmack treu bleibt und ein Buch nicht nur deshalb gut bewertet, weil man Angst hat, von anderen in Frage gestellt zu werden, weil man den Erfolg des Buches nicht unterstützt, dann kann man nicht Gefahr laufen, so wie die Bürger in Andersens Geschichte, sich selbst zu täuschen. Literatur soll unterhalten, Spaß machen und im besten Fall auch etwas übermitteln. Daher bleibt mir zu sagen: "Habt keine Angst und sagt dem Kaiser, dass er nackt ist!".

Welche Bücher haben euch die "Augen geöffnet"? Gibt es Bücher und Geschichten, die ihr im Gedächtnis behalten habt, weil sie euch schonungslos "wahr" erscheinen?






6 Kommentare:

  1. Kinder sind da ein gutes Beispiel, würde ich meinen. Ein Kind ist/bleibt sich immer selbst treu und lässt sich selten beeinflussen in dem, was es tut. Kinder sagen, wenn ihnen etwas nicht gefallen hat, egal wie jemand anderer das sieht. Und ein Kind würde auch ganz sicher sagen, dass der Kaiser ja nackt herumspaziert. ;)

    Ich frage mich manchmal, warum so viele Menschen, wenn sie erwachsen werden, ihre direkte Ehrlichkeit und die Unbeinflussbarkeit vergessen/verlieren ...

    Vor vielen Jahren, wahrscheinlich war ich selbst noch ein Kind, habe ich mal "Des Kaisers neue Kleider" gelesen, und ich fand es recht lustig, das weiß ich noch, allerdings habe ich die Botschaft dahinter natürlich noch nicht verstanden. Läse ich die Geschichte heute, würde ich sie wahrscheinlich auch mit ganz anderen Augen sehen und ganz andere Dinge wahrnehmen und verstehen.

    Liebe Grüße ♥,
    Janine

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    1. In der Geschichte ist es ist ja auch tatsächlich das Kind, was am Ende die Wahrheit sagt :D Aber du hast auch recht! Kinder sind von dem ganzen "Falschen" der Welt noch nicht so beeinflusst und sind sich selbst ehrlich gegenüber.

      Liebe Grüße,
      Karin

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    2. Ach, dann habe ich das ja ganz richtig erkannt. ;) Ich habe nämlich vage etwas von einem Kind am Ende in Erinnerung.

      Alles Liebe ♥

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  2. Also, du hast aber auch immer wunderschöne Bücher! Wo findest du die bitte?! :D
    Aesops Fabeln wären ja direkt was für mich - darf ich fragen, von welchem Verlag das Buch ist?

    "Des Kaisers neue Kleider" ist mir aus meiner Kindheit bekannt, so richtig darüber nachgedacht habe ich bis jetzt noch nicht. Aber ein sehr schöner Beitrag. Leider fällt mir selbst kein Moment ein, in dem ich ein bestimmtes "Aha"-Erlebnis hatte... Was nicht heißt, dass es die nicht gäbe, doch auf Anfrage sich an welche zu erinnern, ist ja bei mir immer so eine Sache.^^

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    1. Ich verbring einfach ziemlich viel Zeit damit nach Büchern zu suchen : D. Dabei findet man dann das ein oder andere Schätzchen.
      Die Aesop´s Fabeln sind von der Barnes & Noble edition. Soweit ich weiß findet man sie manchmal auch unter dem "Sterling" Verlag. Leider sind oftmals keine Abbildungen dabei, wenn man danach in Onlineshops sucht.

      Liebe Grüße,
      Karin

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    2. Ah, okay. :D
      Super danke! Dann werde ich mich demnächst mal umschauen. :)

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