The Vegetarian von Han Kang

September 11, 2016







(Original: "Cb'aesikjuuija"/ 2007) Hogarth, Randomhouse, Übersetzer/in: Deborah Smith, Englische Ausgabe, ★★★★☆ 4 Sterne
dt. Ausgabe Aufbau Verlag: "Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet."
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"´I had a dream´ - she´d said that twice now. beyond the window, in the dark tunnel, her face flitted by - her face, but unfamiliar, as though I were seeing it for the first time.
S.19

Die Geschichte hat es in sich; man muss es einfach so sagen. Erstaunlicherweise hat mich vor allem der Anfang auch sehr an Kafkas "Die Verwandlung" erinnert, größtenteils in Bezug auf die merkwürdigen, absurden und verständnislosen Reaktionen der Familienmitglieder. Interessant dabei fand ich, aus den vorderen Informationen zu entnehmen, dass das Buch zuerst in drei separaten Teilen veröffentlicht wurde und erst anschließend als Buch erschien. Diese drei Teile hat man meiner Meinung nach auch deutlich wahrgenommen. Sie bilden demnach jeweils ein Kapitel, das sich mit einer anderen Perspektive und auch anderen Anhaltspunkten befasst. Mich hat demnach überrascht, dass dieses Buch, welches sich "The Vegetarian" nennt gar nicht wirklich offenlegt, was die Protagonistin, also die Vegetarierin, denkt. Alle Kapitel sind aus der Sicht eines Angehörigen geschildert; ihrem Ehemann, ihrem Schwager und ihrer Schwester. Nur im ersten Kapitel gibt es kleine Gedankenfetzen, welche die innere Welt von Yeong-hye einfangen sollen. Bereits hier wird deutlich, dass das Buch auf ganz extreme Weise versucht, gewisse Themen anzusprechen, die für das menschliche Gemüt kaum zu ertragen sind. Familiäre Probleme, die Ansicht in der Gesellschaft (da es sich um eine koreanische Familie handelt, ist dies vor allem auf diese gesellschaftlichen Gepflogenheiten bezogen) und die nicht zu überwindende Aufarbeitung gewisse Erlebnisse sind hier zentrales Thema. Der Vegetarismus wird hier quasi nur als Einstieg in das bizarre und teilweise verstörende Umfeld der Familie benutzt. Dieses Thema stand für mich eigentlich nur im ersten Kapitel wirklich im Vordergrund. Ich musste dabei tatsächlich oftmals den Kopf schütteln, wie packend die Autorin diesen Anfang beschreibt. Deutlich werden hier vor allem die egoistischen Ziele der Angehörigen, welche die neue Verhaltensweise der Ehefrau, Tochter oder Schwester als irgendeine Art von Diät ansehen. Nach und nach kann man ganz gut erkennen, wie dieses Konstrukt der Familie beginnt sich aufzulösen und mit welchen recht deprimierenden und verstörenden Dingen Yeong-hye zu kämpfen hat.

"´The water´s boiling´. Her voice had not weight to it, like feathers. [...] IT was the quiet tone of a person who didn´t belong anywhere, someone who had passed into a border area between states of being.S.78

So gelungen ich das erste Kapitel fand, so abstrus und eigentlich unpassend empfand ich das zweite Kapitel. Mal wieder wurde hier auf die totale Schiene der Sexualität eingegangen, die aber für mich diese gut aufgebaute Spannung des vorherigen Kapitels zunichte gemacht hat. Der hier näher gebrachte Charakter des Schwagers war für mich eine unnötige Verknüpfung, auch wenn die zusätzliche Entwicklung des Verhaltens der "Vegetarierin" eine wichtige Rolle spielt. Leider hat es meiner Meinung nach etwas mehr gebraucht, als die Darstellung eines gescheiterten Filmemachers, der selbst nicht einmal weiß, was er will. Natürlich dient das Kapitel dazu, dass sich die gesamte Atmosphäre zuspitzt und man das Umfeld als immer schonungsloser wahrnimmt, allerdings fehlte mir hier deutlich der Fokus auf die im ersten Kapitel erwähnten Bezüge zu den Beweggründen der Protagonistin. Insgesamt finde ich, hat die Autorin aber ein Werk geschaffen, dass tatsächlich etwas in einem auslöst, sei es auch Verwunderung, Verabscheuung, Mitleid oder etwas ganz anderes. Die Geschichte ist einfach speziell, dadurch aber eben auch was ganz Besonderes und meiner Meinung nach auch lesenswert, wenn man damit umgehen kann, dass man nicht unbedingt mit einem Lächeln zurückgelassen wird.

"´We have to wake up at some point, don´t we? Because... because then...´ “ S.187


Es ist und bleibt wohl ein umstrittenes Buch, welches für Gänsehaut sorgt und einem das Gefühl gibt, in einer unfassbar bizarren Welt gelandet zu sein. Allerdings lenkt das Buch den Fokus auch auf Schicksale und Probleme, die schwierig sind und die man nicht mit einem glücksschimmernden Ende ausschmücken kann. Daher kann ich den oft angesprochenen negativen Aspekt, dass das Buch deprimiert, nicht als Punktabzug bewerten. Zeigt die strikten gesellschaftlichen Normen in den südkoreanischen Regionen auf und entfaltet sich zu einem sehr vielschichtigen Roman. Alles in allem ein sehr aufwühlendes Buch, mit Stärken, für mich persönlich aber auch mit einigen Schwächen im mittleren Kapitel.


4 Kommentare:

  1. Hallo liebe Karin ♥

    Schade, dass dich "Die Vegetarierin" nicht ganz begeistern konnte. Aber ich kann deine Kritik auf jeden Fall verstehen. Das Buch ist, wie du schon sagst, wirklich sehr bizarr und lässt sehr viel Freiraum für Interpretation und Gedanken. Das die Meinungen auseinander gehen ist nicht verwunderlich. Mir hat es aber wirklich gut gefallen, besonders was Yeong-Hye's Familie angeht und wie sehr sie ihre Tochter für ihr Verhalten von sich wegstoßen. Einzig ihre Schwester hat sie unterstützt und deshalb war das letzte auch mein Lieblingskapitel. (:

    Liebe Grüße,
    Jasi ♥

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    1. Das letzte Kapitel war wirklich sehr intensiv! Das zweite Kapitel hat mir das Buch einfach etwas vermiest, denn auch das erste Kapitel fand ich extrem gelungen! Eben durch die Darstellung der Haltung der Familie und der Tatsache, wie man jemanden wahrnimmt, der äußert, dass er "Vegetarier" werden möchte, als sei es nur enie Form einer Diät. Hingegen das zweite Kapitel war für mich beinahe komplett unnötig. Das war wieder so ein Einschub, nur um irgendwie das Thema Sex einzubringen... Jedenfalls hat es sich so für mich angefühlt.


      Liebe Grüße
      Karin

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  2. Ich habe das Buch letzte Woche auf deutsch beendet und habe deshalb jetzt nur dein Fazit gelesen. Ich fand es auch gar nicht so schlecht, wie viele sagen bzw. z.B. auch im literarischen Quartett diskutiert wurde. Interessanterweise haben viele auch gemeint es sei verstörend, aber man sollte es gelesen haben. Verstörend fand ich es irgendwie auch nicht, obwohl manches natürlich schon komisch ist. Insgesamt finde ich, dass dieses Buch ziemlich viel Raum für Interpretation lässt und das ist gleichzeitig auch sehr spannend, aber auch schwer zu bewerten. Ich hab immer noch keine Rezension verfasst, weil ich immer noch unschlüssig bin. Kommt auch sehr selten vor.

    Liebe Grüße
    Petzi

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    1. Also verstörend fand ich einfach einzelne Passagen, die das Buch dann recht düster gemacht haben, wie zum Beispiel den Rückblick in die Vergangenheit, wo das Erlebnis mit dem Hund erzählt wird. Es gab immer mal wieder so gezielte Sätze, die einem einen kleinen Schauer über den Rücken laufen lassen haben, aber das ist wohl auch sehr vom Leser abhängig. Du hast aber recht, dass dadurch eben viel Interpretationsfreiraum entsteht und meiner Meinung nach ist es dadurch auch für viele zugänglicher.


      Liebe Grüße
      Karin

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